Die Vize-Chefin des Corona-Krisenstabes, Claudia Schröder, berichtet über „mehrere hundert Bewerbungen“ der Städte in Niedersachsen für das geplante Modellprojekt. Dieses sieht vor, dem Bespiel Tübingen und Rostock folgend die Geschäfte, Gaststätten und Kultureinrichtungen für jene Menschen zu öffnen, die aktuell vorher negativ auf Corona getestet worden sind. Die Möglichkeit dazu soll in eng begrenzten Orten der jeweiligen Kommunen (etwa Fußgängerzonen oder Einkaufszentren) geschaffen werden. Doch so groß auch die kommunalen Begehrlichkeiten derzeit sind, so scheint es doch auch fraglich, ob das Projekt wie bisher geplant am 6. April starten kann.

Normalität auf Probe: In 25 Kommunen könnten bald wieder Geschäfte öffnen. – Foto: brightstars

„Sicher werden nicht alle dann schon anfangen können, einige brauchen einen zeitlichen Vorlauf“, sagte Schröder in der Landespressekonferenz. Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung sei der jeweilige Inzidenzwert in der Kommune. So deutlich drückte es Schröder nicht aus, aber in Kreisen der Landespolitik wird schon diskutiert: Ist es womöglich zu riskant, das Modellprojekt just in einem Augenblick zu beginnen, in dem die Zahlen der Infizierten deutlich steigen und die „dritte Welle“ sich deutlich bemerkbar macht? Oder soll man lieber warten, vielleicht sogar bis Mai oder Juni? Kanzlerin Angela Merkel hatte am Sonntagabend in der Sendung „Anne Will“ den aktuellen Beginn von Öffnungen als „unverantwortlich“ bezeichnet und mehrere Länder, die derart agieren, gerüffelt. Niedersachsen nannte sie nicht ausdrücklich, aber sicher meinte sie auch den niedersächsischen Weg, der von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), vor allem aber von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) verfochten wird.

25 Kommunen werden ausgewählt

Bis heute Abend läuft die Frist, dann werden das Sozialministerium und die Kommunalverbände aus den Anträgen 25 Kommunen auswählen, die Konzepte prüfen und die Startbedingungen festschreiben. Über Ostern soll die Entscheidung fallen. In den vier ehemaligen Regierungsbezirken sollen die Orte relativ gleichmäßig verteilt werden, denn mit magnetischer Wirkung auf Kunden in anderen Städten wird gerechnet – und der Besucherverkehr soll ja möglichst gering bleiben, da er eine Quelle weiterer Ansteckung sein kann. Die Inzidenz gibt laut Schröder auch insofern einen Ausschlag, als dass bei zwei benachbarten Antragstellern derjenige den Vorzug bekommen solle, der die geringeren Infiziertenzahlen aufweist. Es sollten vor allem Ober- und Mittelzentren, aber auch Grundzentren zum Zuge kommen, einige dürften von Anfang an eine wissenschaftliche Begleitung haben. Nach zwei Wochen etwa soll feststehen, ob eine Öffnung unter strengen Bedingungen die Infiziertenzahl in die Höhe treibt oder nicht. Falls nicht, wäre das wohl der Freibrief für eine Ausweitung des Modells auf andere Kommunen. In diesen Modellkommunen soll auch die neue Luca-App verbindlich werden – also eine Verpflichtung für alle Teilnehmer, ihre Testergebnisse und Bewegungsdaten an das Gesundheitsamt zu übermitteln.

Ausgangssperre verpflichtend:

In den kommenden Tagen dürften mehrere Kreise und kreisfreie Städte, deren Inzidenz über 100 oder über 150 liegt, zum Mittel der nächtlichen Ausgangssperre greifen. In der Region Hannover soll das vom 1. April an für das gesamte Regionsgebiet zwischen 22 und 5 Uhr gelten. Schröder sagte, zu den „triftigen Gründen“, die ausnahmsweise das Verlassen der Wohnung erlauben, gehöre das Ausführen des Hundes, der Weg zur Arbeit oder zum Arzt oder auch der Besuch eine Pflegebedürftigen. Touristische Zwecke stellten keinen solchen Grund dar. Gestern waren noch 25 der 45 Kreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen unter einer Inzidenz von 100, drei Kreise sogar unter 50. Der Sinn der Ausgangssperre, betonte Schröder, sei ein Unterbinden von abendlichen Kontakten: „Beim Kaffeekränzchen am Nachmittag ist die Ansteckungsgefahr sicher geringer als beim abendlichen Kartenspielen, bei dem dann auch Alkohol eine Rolle spielt.“