Ist es Gutsherrenart oder nur eine geschickte machiavellistische Machtpolitik? Auf jeden Fall hat Armin-Paul Hampel, niedersächsischer Landesvorsitzender der AfD, eine ganz besondere Gabe, seine parteiinternen Kritiker zu provozieren, immer wieder aufs Neue. Am nächsten Sonnabend will der 59-Jährige zum niedersächsischen Spitzenkandidaten seiner Partei für die Bundestagswahl gekürt werden. Doch er verhält sich ganz anders als andere, die ein Spitzenamt anpeilen. Hampel, seit bald vier Jahren Landesvorsitzender, wirkt in diesen Tagen nicht integrativ, ausgleichend oder kompromissbereit. Im Gegenteil, er tritt auf wie im Krieg mit seinen innerparteilichen Kontrahenten. „Er will uns vernichten“, sagt eine, die meint, Hampel habe sie „als ihre Gegnerin identifiziert“. Die Landesmitgliederversammlung am 4. Februar in Hannover-Misburg wird damit zur Schlacht zwischen Hampel-Gegnern und Hampel-Freunden. Hampel wittert Unterwanderungsversuche: „Bei einigen Akteuren in der Partei geht es nicht um demokratischen Disput, sondern um die generelle Zerstörung der AfD in Niedersachsen.“

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Das, was viele Rechtspopulisten prägt, das strikte Freund-Feind-Schema des konservativen Vordenkers Carl Schmitt, treibt Hampel zur Perfektion. Nach außen gibt er sich weise und gelassen, bittet um Verständnis für interne Konflikte und die schwierige Selbstfindung, die jede Parteineugründung begleite. Nach innen aber agiert er mit äußerster Konsequenz. Manchmal hat es den Anschein, er wolle den anderen immer wieder zeigen, dass es nur einen Chef geben kann: Hampel. Da ist auch etwas dran, denn kein anderes Mitglied der AfD Niedersachsen ist so bekannt wie er. Früher war er politischer Korrespondent für die ARD, erst in Berlin und dann in Indien. Mit seiner sonoren Stimme vermittelt er eine hohe Glaubwürdigkeit, wenn er sich bei Bundesparteitagen immer wieder gern in schwierige Geschäftsordnungsfragen einmischt. Auch mehrere gelungene Talkshow-Auftritte hat er schon hinter sich – dabei steht er heute, nach verschiedenen Allianzen in der von wechselvollen Personalien geprägten Partei, eher kritisch zur Vorsitzenden Frauke Petry und positiv zum Brandenburger Alexander Gauland. Hampel, stets mit Anzug, Weste und Krawatte konservativ, fast aristokratisch gekleidet, wird, wenn es darauf ankommt, zum knallharten Kämpfer.

Schon viele mussten das leidlich spüren. In Harburg etwa arbeitet Jens Krause, ein Betriebswirt, der sowohl den Kreisverband führt als auch Wahlkampfmanager der Landespartei ist. Ein ruhiger, sachlicher Mann, den sich viele in der AfD auch für künftige führende Positionen vorstellen können. Irgendwann kühlte sein Verhältnis zu Hampel stark ab. Vor ein paar Wochen lud der Landesvorsitzende, wie es seine Art ist, befreundete Mitglieder zu einem internen Treffen ein – und Krause erschien auch, in Begleitung eines betont Hampel-kritischen Kollegen. Vor versammelter Mannschaft verweigerte Hampel beiden den Handschlag und verwies sie des Saales. Mit diesem Affront wollte Hampel offenkundig seine Stärke und Überlegenheit demonstrieren. Überall im Lande können AfD-Funktionäre, zumeist Mittelständler, Beamte, Unternehmer oder Freiberufler, über ähnlichen Aktionen des Landesvorsitzenden berichten. Sie fühlen sich von ihm abqualifiziert. In Kreisverbänden, deren Vorstände kritisch zu ihm stehen, knüpft Hampel Kontakt zu irgendeinem Vertrauten, vornehmlich in den neugewählten Kreistagsfraktionen, und lässt sich kurzerhand für einen Vortrag einladen. So ist es geschehen in Osnabrück, in Göttingen, in Rotenburg, in Harburg und vorher schon in Hildesheim. „Er spielt in den Kreisverbänden die Fraktionen gegen die Kreisvorstände aus“, klagt ein AfD-Mitglied. Ein anderer meint: „Er sucht einen Weg, sich über die Köpfe der Kreisvorstände hinweg an die einfachen Mitglieder zu wenden und dort mit seiner Rhetorik zu überzeugen.“ Das klappt häufig auch – denn eines kann Hampel gut: Reden halten.

Die Strategie ist wohlüberlegt: Die AfD hat Landesmitgliederversammlungen, kein Delegiertenprinzip. Die ungewöhnlichen Auftritte in den Kreisen dienen ihm dazu, sich den Mitgliedern im Vorfeld der parteiinternen Kandidatenkür bekannt zu machen. Außerdem lädt Hampel zu den landesweiten Treffen stets nach Hannover ein – und die Hannoveraner gelten mit ihrem Vormann Jörn König gelten bisher als Hampel-treu. Aber geht die Rechnung auf, wenn er mit dieser Strategie so viel böses Blut und verbrannte Erde hinterlässt?

Einige behaupten, es werde vom Landesvorstand auch mit falschen Anschuldigungen gespielt. Holger Pieters, der aufmüpfige Kreisvorsitzende aus Ostfriesland, wurde von Hampel scharf angegriffen. Angeblich, heißt es, hält man ihm rechtsradikale Tendenzen vor. Pieters warf die Ämter hin, heute sagt er: „Ich wüsste gern, was er mir genau vorwirft. Ich weiß es bis heute nicht und kann mir das nicht erklären.“ In Göttingen wurde die Kreisvorsitzende Dana Guth angegriffen, weil es in dem Verband angeblich rechtsradikale Tendenzen gebe. Hampel verhängte deshalb Anfang Januar einen Aufnahmestopp für Mitglieder, wegen Unterwanderungsgefahr. Aber ist das überzeugend? Gegen ein Mitglied, das im Verdacht der Nähe zum Rechtsextremismus steht, läuft beim Landesschiedsgericht ein Ausschlussverfahren schon seit zehn Monaten, ohne Ergebnis. Ein anderer gelangte über die AfD-Liste in den Kreistag, ist aber weder Partei- noch Fraktionsmitglied. Und eine dritte Person, die in Göttingen am rechten Rand aktiv ist, sei nie in der AfD gewesen, heißt es. Sind das also nur inszenierte Vorwürfe, damit Hampel ein konsequentes Vorgehen gegen rechtsradikale Kräfte anschaulich machen kann?

Vor Weihnachten gab es ein Treffen vieler Kreisvorstände, das ein großes Versöhnungstreffen hätte sein können. Man kam überein, frühzeitig einen neuen Vorstand zu wählen – und die Hampel-Kritiker boten ihm trotz aller Vorbehalte an, seine Bewerbung für den Bundestag zu unterstützen, mit breiter Mehrheit. Doch einer, Hampel, wollte nicht mitziehen. Bevor die Harmonie förmlich festgestellt wurde, ließ er das Treffen platzen und verweigerte seine Einwilligung. Damals entstand wohl auch ein geflügelter Begriff für die Hampel-Anhänger. „Dann müssen wir eben zusammen stehen wie die Prätorianer“, gab der Landesvorsitzende seinen Getreuen mit auf dem Weg. Prätorianer – das waren Mitglieder einer wehrhaften römischen Elitetruppe. (kw)