Der Tankrabatt und andere Schritte, die von der Bundesregierung bisher zur Abwehr der Inflationsfolgen in die Wege geleitet wurden, sind aus Sicht des hannoverschen Arbeiterwohlfahrt-Bezirksvorsitzenden Marco Brunotte „hilf-, ideen- und wirkungslos“. Er fügt im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick hinzu: „Wir brauchen stattdessen eine grundlegende Umverteilung des vorhandenen Reichtums und eine Nutzbarmachung für gesellschaftliche Zwecke, um vielen Menschen die eigenständige Sicherung ihres Lebensunterhalts und dem Staat Handlungsfähigkeit zu ermöglichen.“ Der Markt nämlich, meint der AWO-Vorsitzende, „versagt zunehmend“. Der AWO-Vorsitzende steht derzeit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen vor.

Marco Brunotte, Landesvorsitzender der AWO in Niedersachsen | Foto: AWO

Brunotte nennt nun mehrere Schritte, die aus seiner Sicht schnell entschieden und umgesetzt werden müssten – und mit denen die Bundesregierung zeigen könne, dass sie das Problem an der Wurzel anpackt:

Kindergrundsicherung: Da die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP sich im Grunde schon verständigt hätten, müsse die Kindergrundsicherung jetzt eingeführt werden. Sichergestellt werden müsse, dass jedes Kind frei von materiellen Zwängen aufwachsen kann, Zugang zu gesunder und ausgewogener Ernährung bekommt und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

Keine Strom- und Gas-Sperren: Brunotte sagt: „Es ist nicht akzeptabel, wenn Menschen in ihren eigenen Wohnungen in diesem Winter frieren müssen.“ Nötig sei dringend „ein Moratorium für Strom- und Gas-Sperren wegen nicht bezahlter Rechnungen“. Gleiches müsse auch für Mieten, Nebenkostenabschläge und -abrechnungen gelten. Ein Problem könne auch die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln werden. „Die Lage ist so ernst, dass Wohlfahrtsverbände über die Einführung von Wärmestuben und Suppenküchen für den Winter diskutieren.“ Die Wohlfahrtsverbände selbst kämen auch unter Druck, daher fordert Brunotte das Land auf, die Kommunen, die Pflege- und die Krankenkassen, gesteigerte Kosten aufzufangen.

Fortsetzung des 9-Euro-Tickets: Brunotte befürwortet eine Verlängerung des vergünstigten Nahverkehrstickets. Das gehört zur Beschleunigung der klimapolitischen Wende, die weitere Schritte erfordere. Leider aber sei die Förderung entsprechender Projekte immer noch umständlich und langwierig. Die Bearbeitung von KfW-Förderprogrammen, die diesen Bereich betreffe, dauere teilweise sehr lange.

Corona-Vorsorge: Die Arbeiterwohlfahrt ist besorgt, ob die geltende „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ in den Alten- und Pflegeheimen richtig umgesetzt werden kann – wenn dort nötige Mitarbeiter fehlten und man auf diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, verzichten müsse. Unklar sei auch, was nach Auslaufen der Impfpflicht im nächsten Jahr passiere. Die AWO trete weiterhin für eine allgemeine Impfpflicht ein. Außerdem seien regelmäßige Tests wichtig, um einen Überblick über den Infektionsverlauf zu behalten. Es müsse weiterhin kostenfreie Tests in Kindergärten geben. 

Gipfel für die Kindergärten: Fachkräftemangel und Erschöpfung der vorhandenen Mitarbeiter kennzeichneten die Situation in den Kindergärten. Es müsse eine „konzertierte Aktion für die Kindergärten“ geben, an denen Kommunalverbände, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften teilnehmen. Ziel müsse es sein, Lösungswege für die Kindergärten zu finden. Deren vollständige Schließung, wie anfangs während der Corona-Pandemie geschehen, dürfe es nicht wieder geben. In der Debatte über die Frage, ob die Qualitätsstandards für Erzieher in Kindergärten angesichts des Fachkräftemangels abgesenkt werden sollten, enthält sich Brunotte einer klaren Positionierung.