Behrens und Wahlmann: Niedersachsen wird kriminelle Banden weiter unter Druck setzen
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) und Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) haben gemeinsam das neue Lagebild zur Organisierten Kriminalität für das vergangene Jahr vorgestellt. Demnach blieb der Wert der polizeilichen Ermittlungsverfahren mit 68 Fällen im Vergleich zum Vorjahr konstant hoch, in einer mehrjährigen Perspektive gab es nur 2021 noch mehr Verfahren. Die Justiz vermeldet sogar einen Höchststand von 135 Verfahren, die im vergangenen Jahr bearbeitet worden seien. Ein Drittel der in Niedersachsen initiierten Ermittlungsverfahren gehe auf die Auswertung entschlüsselter Chat-Verläufe zurück, wie Justizministerin Wahlmann erklärte. Dadurch hätten die Ermittlungsbehörden „einen einmaligen Einblick in das Ausmaß Organisierter Kriminalität“ erhalten. Insbesondere diese verschlüsselte Kommunikation erschwere die Ermittlungen erheblich, machte Innenministerin Behrens deutlich und sprach sich ebenso wie ihre Kabinettskollegin für weitere rechtliche Möglichkeiten bei der Speicherung und Auswertung solcher Daten aus. Die Organisierte Kriminalität gehe höchst agil vor, die Ermittlungsbehörden müssten daher mit der technischen Entwicklung Schritt halten, so Behrens. „Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir klarere Regeln bei der Speicherung von IP-Adressen brauchen“, sagte die Innenministerin und betonte, dass das sogenannte „Quick-Freeze“-Verfahren nur ein erster Schritt sein könne, aber noch nicht ausreichend sei. Behrens sprach sich zudem dafür aus, die Betreiber von Messenger-Diensten zu verpflichten, nach richterlicher Anordnung auch verschlüsselte Chatverläufe übergeben zu müssen, sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Auswertung zuzulassen.
Mit insgesamt 46 Fällen lagen Ermittlungen wegen Drogenhandels und Drogenschmuggels im vergangenen Jahr erneut mit Abstand auf dem ersten Platz der polizeilichen Statistik. Gegen 347 Tatverdächtige ist laut Landespolizeipräsident Axel Brockmann im Zusammenhang mit Rauschgiftkriminalität ermittelt werden, was fast der Hälfte aller Tatverdächtigen im Bereich der Organisierten Kriminalität entspreche. 194 der verdächtigen Personen haben demnach eine deutsche Staatsangehörigkeit, 67 stammen aus Albanien, 31 aus der Türkei, 14 aus Serbien und 11 aus Russland. In weit über der Hälfte der Verfahren ging es um Schmuggel oder Handel mit Cannabis (56 Prozent), gefolgt von Kokain (36,5 Prozent) und synthetischen Drogen (11,5 Prozent). Welchen Einfluss die teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland auf den illegalen Handel mit der Droge haben wird, vermochte Brockmann noch nicht abschließend zu beurteilen – schließlich bezieht sich das Lagebild komplett auf einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Konsum-Cannabis-Gesetzes. Er formulierte allerdings die Erwartung, dass der Schwarzmarkt dadurch nicht nachhaltig zurückgedrängt werden könne. Thomas Hackner, Leiter der Abteilung Strafrecht im Justizministerium, sagte: „Der Handel mit Cannabis war ein Bombengeschäft und wird es auch bleiben.“ Die Social-Clubs werden seiner Ansicht nach nicht in der Lage sein, den Bedarf des Marktes zu decken. Er spricht sich deshalb dafür aus, die Telekommunikationsüberwachung auch künftig für den illegalen Handel mit Cannabis zuzulassen. Über ein mögliches Verwertungsverbot dieser Daten wird bald der Bundesgerichtshof entscheiden.
Zahlenmäßig gering aber mit einer großen Schadensbilanz wirkte sich im vergangenen Jahr die Cyber-Kriminalität aus. Lediglich vier Verfahren mit 57 Tatverdächtigen listet die polizeiliche Statistik, wobei die meisten Aktionen aus Russland gesteuert gewesen sein sollen. Justizministerin Wahlmann verwies auf Zahlen des Bundes, denen zufolge durch Erpressungssoftware oder illegal erfasste Kontodaten im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro Schaden entstanden seien – bei einer Gesamtschadenshöhe von 2,7 Milliarden Euro im Bereich der Organisierten Kriminalität. Wahlmann erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal an das Vorhaben, die drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Bereich der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg zu bündeln, um die Schlagkraft weiter zu erhöhen. Wie erfolgreich eine solche Bündelung sein könne, hätte ein ähnliches Vorgehen bei der Bekämpfung von Geldautomaten-Sprengungen gezeigt. Hier konnte ein Rückgang der Fallzahlen um 40 Prozent erreicht werden. Die Justizministerin erklärte zudem, Hürden bei der Abschöpfung von Vermögenswerten absenken zu wollen.
- Maulwurf in der Staatsanwaltschaft? Justizministerin Wahlmann wies die These zurück, wonach der inzwischen in Untersuchungshaft sitzende Staatsanwalt aus Hannover aufgrund geringer personeller Kapazitäten der Justizbehörde trotz des Verdachts der Bestechlichkeit weiterhin gegen die Drogen-Mafia ermitteln durfte. In die Entscheidung sei das Ministerium nicht eingebunden gewesen, erklärte die Ministerin und sagte mit deutlicher Betonung des ersten Wortes: „Man hatte wenig Bedenken, ihn weiter einzusetzen.“ In der Staatsanwaltschaft Hannover und der Generalstaatsanwaltschaft Celle habe offenbar lange Zeit der Eindruck vorgeherrscht, die Anschuldigungen gegen den 39-Jährigen seien lediglich der Versuch der Verteidigung, einen fähigen Ermittler aus dem Verfahren zu drängen. Dass man trotz eines erneuten Verdachts die weitere Arbeit des Staatsanwalts an Verfahren gegen Drogen-Banden nicht unterbunden hat, soll daran gelegen haben, dass man ihn nicht auf die Ermittlungen gegen ihn selbst aufmerksam machen wollte, so Wahlmann.
Dieser Artikel erschien am 19.11.2024 in der Ausgabe #204.
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