Die Schüler fühlen sich „unzureichend über ihre beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven informiert und beklagen große Wissensdefizite“. So steht es in der aktuellen McDonald’s Ausbildungsstudie. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW), das auf der diesjährigen Ideenexpo 320 Schüler online befragte (der Rundblick berichtete). Das Ergebnis: 37 Prozent fühlen sich nicht gut auf das Berufsleben vorbereitet. Hinzu kommt, dass Arbeitgeber sich auch wünschen, dass das Thema Ausbildung stärker auf dem Gymnasium angesprochenwird.

Bildungsexperten, darunter auch Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, diskutierten in der Rundblick-Redaktion – Foto: SG

„Die duale Berufsausbildung sollte auch an den Gymnasien und in der Sekundarstufe II als attraktive Perspektive wahrgenommen werden“, schrieb die heutige Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen, Susanne Schmitt, bereits im August 2015 in einem Gastkommentar im Rundblick. Wir haben in unserer Redaktion Bildungsexperten an einen Tisch gebracht, um über die Frage zu sprechen: Wie entwickelt sich die Berufsorientierung an den niedersächsischen Schulen?

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Für Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt ist klar, dass auch das Thema Berufsausbildung in den Schulen immer wieder angesprochen werden muss. „Die duale Berufsausbildung hat Karrieremöglichkeiten und ist einem Studium gleichwertig. Das müssen wir deutlich machen“, sagte Heiligenstadt.  Die Schulen müssten bei der Berufsorientierung und dem Thema Ausbildung durch externe Experten unterstützt werden, aber auch die Lehrer selbst müssten besser vorbereitet werden. „Das fängt bei der Lehramtsausbildung an. Es müssen Elemente der Berufsausbildung in jede Lehramtsausbildung  integriert werden – das ist lange Zeit bei der Gymnasiallehrer-Ausbildung gar nicht der Fall gewesen“, so die Kultusministerin.

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) und die Schatten-Kultusministerin der CDU, Mareike Wulf – Foto: SG

Christoph Meinecke von den Unternehmerverbänden Niedersachsen (UVN) plädierte dafür, das Thema Ausbildung noch stärker in die Lehrerausbildung zu implementieren. „Wir brauchen eine frühzeitige Berufsorientierung an Gymnasien und dafür verbindlichere Strukturen.“ Die Lehrer sollten Meinecke zufolge in der Lage sein, eine Orientierung zu geben. Dem stimmt Heiligenstadt zu. Ein Lehrer sollte die Inhalte in seine Fächer einbinden können. So könne man im Fach Deutsch Bewerbungsschreiben trainieren oder in Mathematik Hinweise geben, welche Inhalte auf bestimmte Berufe vorbereiten. „Berufsorientierung ist Angelegenheit aller Fächer in allen Schulformen. Das passiert nicht von heute auf morgen mit einem Schnipp, sondern nach und nach“, so Heiligenstadt.

Das Thema Berufsausbildung ist an den Gymnasien derweil noch lange nicht alltäglich. „Das Umdenken braucht Zeit, so schnell geht es nicht“, sagte Nicole Viñals-Stein, Leiterin der Helene-Lange-Schule, einem Gymnasium in Hannover-Linden. Lehrer seien oft mit der Berufsorientierung überfordert. „Sie sind selbst zu Schule gegangen, haben ein Lehramtsstudium absolviert und sind dann Lehrer geworden. Das bedeutet: sie haben die Schule nie verlassen“, erklärt Viñals-Stein. Deshalb rät sie, externe Experten in die Schule zu holen.

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An der Helene-Lange-Schule gebe es bereits eine individuelle Beratung durch einen Berufsberater, der an der Schule eine hervorragende Arbeit mache. Viñals-Stein  hält es für sinnvoll, solche Formen der Zusammenarbeit auszubauen. Auch Tobias Lohmann, Geschäftsführer des Bildungswerks der Niedersächsischen Wirtschaft, hält den Einsatz von externen Experten für den richtigen Weg. „Eltern und Lehrer tun ihr Bestes, eine Berufsorientierung zu begleiten. Aber allein auf der Top 100-Liste der Berufe sind zehn enthalten, die es vor fünf Jahren noch gar nicht gab. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit Eltern und Lehrer das überhaupt leisten können“, meint Lohmann.

Im Kern gehe es darum, wie man junge Menschen dazu befähigt, die für sich richtige Bildungsentscheidung zu treffen, sagt Mareike Wulf, Kultus-Schattenministerin der niedersächsischen CDU. Das könne eine Ausbildung oder eben auch ein Studium sein. Es sei schade, dass die Gymnasien das Konzept zur Studien- und Berufsorientierung sehr kritisch sähen. Man müsse zusammen mit den Gymnasien das richtige Konzept finden. Viñals-Stein berichtet, die meisten Schüler versuchten das höchste Ziel und damit das Abitur zu erreichen. Viele Schüler hätten auch Interesse an dualen Studiengängen. Sie fühlten sich häufig zu schlecht über Studienmöglichkeiten informiert. Kultusministerin Heiligenstadt hält die Informationen über Studiengänge ebenfalls für elementar, weil es viele Studienabbrecher gebe. „Es ist wichtig, dass möglichst früh eine fundierte Entscheidung für einen bestimmten Studiengang getroffen werden kann. Dafür soll es mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Hochschulen geben.“

https://soundcloud.com/user-385595761/thema-ausbildung-am-gymnasium-das-schlagt-mareike-wulf-vor

Im Jahr 2019 soll es die nächste Ideenexpo geben. Die Diskussionspartner sind zuversichtlich, dass sich viele Schüler bis dahin besser auf das Berufsleben vorbereitet fühlen. An der Helene-Lange-Schule gibt es bereits heute ein Assessment Center, also eine Art strukturiertes Personalauswahl- und Personalbewertungsverfahren, in der neunten Klasse. Hinzu kommen Betriebspraktikum und die Arbeit des Berufsberaters. Heiligenstadt zufolge ist auch durch die Wiedereinführung des Abiturs nach neun Jahren mehr Berufsorientierung an den Gymnasien möglich. „Das wäre mit dem G8 so gar nicht möglich gewesen“, meint die Kultusministerin. (MB.)