Der Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen wünscht sich weniger E-Scooter auf Niedersachsens Straßen. „Die Menge macht das Gift. Ich glaube, wir haben zu viele E-Scooter“, sagt Gerd Schwesig, Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Niedersachsen (BVN), dem Politikjournal Rundblick. Hauptgrund für eine Reduzierung der Fahrzeuge ist für Schwesig die hohe Zahl an Verkehrsunfällen. So kam es laut der polizeilichen Verkehrsunfallstatistik im vergangenen Jahr landesweit zu 999 Unfällen, in die jeweils mindestens ein E-Scooter-Fahrer involviert war. Mehr als 700 Personen wurden dabei leicht oder sogar schwer verletzt – darunter auch Blinde, die über ein achtlos liegen gelassenes Fahrzeug gestürzt waren.

Wahllos abgestellte Elektro-Roller sind ein Ärgernis. | Foto: Kleinwächter

Schwesig hat so einen Unfall selbst einmal nachgestellt, um die Unfallursache besser nachvollziehen zu können, nachdem er selbst schmerzhaft mit dem Schienbein gegen einen E-Scooter gestoßen war. Die besondere Bauweise bedinge das Übersehen. „Wenn er in einem schwierigen Winkel zu mir steht, kann meine Pendelbewegung mit dem Wegstock ihn verpassen. Der nächste Schritt landet dann schon gegen den E-Scooter“, erläutert der BVN-Geschäftsführer.

Die einzige Lösung, wenn man die Scooter nicht verbieten möchte, seien geregelte Parkplätze. Die Stadt Braunschweig gehe da bereits mit gutem Beispiel voran. Seit Herbst vergangenen Jahres gibt es im Stadtgebiet über zwei Dutzend Parkzonen. Wer sein Fahrzeug außerhalb der Flächen abstellen möchte, der kann nach einer technischen Vorrichtung die Fahrt nicht beenden und zahlt weiter. Auch in Hildesheim gibt es feste Parkplätze. Lüneburg geht sogar noch strikter vor, erlaubt nur maximal 200 E-Scooter. Außerdem gilt dort in der gesamten Innenstadt ein striktes Parkverbot.

Jetzt wartet Schwesig darauf, dass die Stadt Hannover ebenfalls das Parken von E-Scootern härter reglementiert. Bisher haben entsprechende Forderungen noch keinen großen Erfolg gehabt. „Manchmal habe ich Angst, weil auch auf dem Gehweg E-Scooter liegen. Dann überlege ich, den Fahrradweg zu benutzen. Aber das ist ja auch gefährlich“, sagt der Hannoveraner.

BVN-Geschäftsführer Gerd Schwesig (Bildmitte) im Gespräch mit Rundblick-Redakteurin Audrey-Lynn Struck. | Foto: Wallbaum

Die Lösung besteht aus Sicht des BVN-Geschäftsführers darin, Menschen mit Einschränkungen früher in Planungsprozesse zu involvieren. Denn das Wissen über barrierefreie Stadtentwicklung fehle den Planern häufig, in den Hochschulen werde das außerdem noch nicht vermittelt. „Eigentlich muss das Thema ins Curriculum und die Ausbildung“, sagt Schwesig. Solange das nicht der Fall ist, brauche es Beratung von Fachkundigen.

Auch im Bereich der Mobilität sieht er noch einiges an Nachholbedarf. E-Autos sind wegen ihres elektrischen Antriebs per se leiser als Wagen mit einem Verbrennermotor. Seit Juli 2021 müssen E-Autos daher ein sogenanntes AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) besitzen. Doch die damit erzeugten Fahrgeräusche seien immer noch viel zu leise, bemängelt Schwesig. Den Grund sieht er in den unterschiedlichen Bedingungen bei der Prüfung. Während die Lautstärke unter Laborbedingungen getestet werde, kämen in der Realität im Mischverkehr weitere Lärmquellen von beispielsweise Lastwagen, Bussen oder Motorrädern hinzu. Deshalb herrsche der Irrglaube, die Fahrzeuge seien laut genug.



BVN wartet auf Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit: Mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes hatte die Landesregierung ein Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit versprochen, das unter anderem Behörden, aber auch Ingenieuren oder Juristen bei Fragen zur Inklusion beratend zur Seite stehen soll. „Das Landeskompetenzzentrum wird die Barrierefreiheit in Niedersachsen massiv voranbringen. Ich freue mich sehr, dass damit eine wichtige Forderung der Verbände und Institutionen umgesetzt worden ist“, hatte die damalige Sozialministerin Daniela Behrens noch gesagt. Die Freude hat beim Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen seitdem jedoch einen ordentlichen Dämpfer bekommen. „Es ist ein Skandal, dass nichts passiert. Das dauert zu lange“, ärgert sich Schwesig, der sich drei bis fünf Planstellen für das Kompetenzzentrum gut vorstellen kann.