Es war so etwas wie die Höhle des Löwen, die der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz vor wenigen Tagen auf niedersächsischem Terrain betreten hat. Im „Wardenburger Hof“ nahe der Stadt Oldenburg versammelten sich die Delegierten des CDU-Landesparteitags. Es ist der „stärkste Verband innerhalb der Niedersachsen-CDU“ hatte kurz zuvor der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann gesagt. Das hat seinen Grund: Die Masse der Mitglieder des Oldenburger CDU-Landesverbandes kommt aus den Kreisen Vechta und Cloppenburg, sie sind katholisch – oder, wie manche zu sagen pflegen: „erzkatholisch“, und das heißt eben auch: eher bewahrend als verändernd. Merz aber, der innerhalb der CDU im Grunde auch zum konservativen Flügel gezählt wird, möchte als Bundesvorsitzender die Partei modernisieren. Und so stoßen seine Pläne hier, an der Basis in Oldenburg, durchaus auf Skepsis.

Friedrich Merz wirbt für die Quote, Gitta Connemann ist dagegen. | Foto: Tobias Koch, MIT-Bund, GettyImages/eugenesergeev

In wenigen Tagen, am 9. und 10. September, fällt der CDU-Bundesparteitag eine wichtige Entscheidung über die von Merz vorangetriebene Satzungsreform. Der Termin findet in Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover statt, just einen Monat vor der Landtagswahl, also zu einem Zeitpunkt, wo alle Parteistrategen peinlich genau auf ein maximales Signal der Geschlossenheit ausgerichtet sind. Es geht im Kern um das Ziel der „Frauenquote“.

Ist ab 1. Juli 2025 die Hälfte der Vorstandsmitglieder weiblich?

Nach dem Vorschlag des Bundesvorstands, der erstmals schon 2020 gefasst worden war, sollen ab 1. Januar 2023 alle Vorstandsgremien vom Kreisverband aufwärts mit maximal einem Drittel weiblicher Mitglieder besetzt sein, ab 1. Januar 2024 dann 40 Prozent und ab 1. Juli 2025 sollen es 50 Prozent sein, also die Hälfte. Damit soll die Partei, deren weiblicher Anteil an der Mitgliederschaft bundesweit gerade mal bei 25 Prozent liegt, ein Signal an die Gesellschaft abgeben – Frauen sollen hier künftig willkommener sein als bisher.

Nun gilt einerseits die Einschränkung, dass auch immer genug Frauen unter den Kandidatinnen sein müssen. Andererseits ist auch eine Soll-Vorschrift vorgesehen für die Listen zu den Wahlen, für die ebenfalls schrittweise der weibliche Anteil wachsen soll. Und dann gibt es noch die Idee des „Jugend-Stellvertreters“ – der Vorsitzende oder ein Vize eines CDU-Vorstandes soll jünger sein als 40.

„Wir haben zu wenig Frauen und zu wenig Jüngere in der CDU, auch in den Führungen der Gremien.“

Viele in der CDU sehen es so, dass SPD und Grüne der CDU in diesen Fragen weit voraus sind, da sie seit Jahren in der Frauenförderung entschiedener vorangehen und sich das entsprechend auch in den Fraktionen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene abzeichnet. Im „Wardenburger Hof“ ließ es sich Merz dann auch nicht nehmen, seine Haltung klar zu äußern: „Wir haben zu wenig Frauen und zu wenig Jüngere in der CDU, auch in den Führungen der Gremien“, hob er hervor. Für ihn sei die Quote auch „die zweitbeste Lösung“, aber er fordere jeden auf, der meine, ohne eine solche Regel die Union weiblicher machen zu können, ihm den Weg dahin zu beschreiben. Es gebe nämlich keine Alternative dazu, und deshalb „lassen Sie uns über diesen Graben springen“, rief Merz den etwa 150 Delegierten und Gästen zu. Wie bei dieser rhetorisch geschliffenen Merz-Rede üblich, spenden die CDU-Leute im „Wardenburger Hof“ kräftig Applaus, es reißt sie zum Ende gar von ihren Plätzen.

Frauenquote oder keine Frauenquote? In der Union ist man sich nicht einig, wie man Frauen am besten fördern kann. | Foto: Link

Ein bisschen verwunderlich ist diese Szene schon, ist doch gerade die CDU-Basis im Landesverband Oldenburg eher quoten-kritisch eingestellt. Das klingt für Außenstehende zwar seltsam, da die Landesvorsitzende Silvia Breher – jung, selbstbewusst, alleinerziehend und in vielen Sach- und Stilfragen modern – das Gegenteil symbolisiert. Sie selbst übrigens hielt sich beim Landesparteitag in dieser Frage auffallend zurück. Es mag nun der Hang der Oldenburger zur Tradition sein, dass viele von ihnen mit der großstädtisch-liberal geprägten Quote wenig anzufangen wissen.

CDU-Bundestagsabgeordnete schießt gegen Frauenquote

Nicht weit weg von Oldenburg, im ostfriesischen Leer, sitzt die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, die ähnlich wie Breher zu den selbstbewussten, ihre Eigenständigkeit betonenden Politikerinnen der Partei zählt. Sie hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder vehement gegen die Einführung der Frauenquote in der CDU gewandt und behauptet, Frauen könnten auch ohne solche Hilfsinstrumente in der Partei aufsteigen – sie selbst sei das beste Beispiel dafür. Connemann führt inzwischen die Bundesorganisation der „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ (MIT), und sie hatte im Juni noch vorgeschlagen, vor einer Parteitagsentscheidung eine Mitgliederbefragung zu dem Thema anzusetzen.

Merz lehnte ab, und auch einige Sympathisanten der Connemann-Linie in der CDU, zu denen auch der JU-Bundesvorsitzende Tilman Kuban gerechnet wird, lenkten dann ein. Eigentlich hätte die Quotenregelung ja schon seit zwei Jahren beschlossen sein sollen, wegen der Corona-Krise bot sich keine Chance für einen Bundesparteitag mit einer ausgiebigen Diskussion. Und jetzt, im Spätsommer 2022, naht die niedersächsische Landtagswahl, ein strategisch wichtiges Datum für die gesamte Partei. Gegenwärtig bleibt Connemann nun die Ikone der Quotengegner, während Kuban sich in dieser Debatte auffallend zurückhält.



Ob die Notwendigkeit einer wahltaktischen Zurückhaltung auch die Skeptiker, von denen viele im Landesverband Oldenburg sitzen, überzeugen wird? In seinem Grußwort vor den Delegierten hatte Althusmann sehr deutliche Worte gefunden: Auch er, hob Althusmann hervor, halte die Quote für „kein wirklich sinnvolles Instrument“. Aber es dürfe nicht sein, dass sich die CDU an dieser Stelle im kleinlichen Hickhack selbst beschädige: „Das Signal des Bundesparteitags in Hannover darf nicht lauten: Die CDU zerlegt sich bei dem Versuch, die Rolle der Frauen in der eigenen Partei zu stärken.“

Merz: CDU Niedersachsen ist mit paritätischer Landesliste „vorbildlich“

Dann nämlich, meint Althusmann, hätten die Gegner eine Steilvorlage dafür erhalten, die Christdemokraten als rückständig, unmodern und vielleicht auch chauvinistisch darzustellen. Dass gerade die Niedersachsen-CDU mit einer solchen Zuschreibung ungerecht behandelt würde, stellte Merz in seiner Rede noch einmal heraus. Er verwies auf die im Mai getroffene Entscheidung über die CDU-Landesliste zur Landtagswahl, bei der es gelungen war, jeden zweiten Listenplatz mit einer weiblichen Bewerberin zu besetzen. „Eine solche paritätische Liste für die Landtagswahl hat bisher kein anderer CDU-Landesverband hinbekommen, das ist schon besonders vorbildlich.“ Als Architekten dieser Liste werden immer wieder drei Personen genannt – Althusmann, sein Generalsekretär Sebastian Lechner und die Landesvorsitzende der Frauen-Union und Hamelner Bundestagsabgeordnete Mareike Wulf.


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Ein kleines Entgegenkommen an die parteiinternen Kritiker der Quote hat die CDU-Bundesführung inzwischen immerhin hinbekommen: Merz schlägt vor, diese Regelung zunächst einmal befristet vorzusehen bis zum Jahr 2029. Danach könne man dann sehen, ob das angestrebte Ziel, die Präsenz der Frauen zu verstärken, tatsächlich erreicht worden ist. Wenn nein, könne man die Quote fortsetzen, wenn ja, brauche man sie wohl nicht mehr. Als alter Politikstratege weiß Merz, dass eine solche Befristung eine „goldene Brücke“ sein kann für all jene, die sich bisher klar als Quotengegner zu erkennen gegeben haben und nun doch zustimmen könnten mit dem Hinweis, diese Regel werde ja nur vorübergehend geschaffen. Und was dann im Jahr 2029 sein wird, wer dann die Republik regiert und wie groß der Frauenanteil in der Politik sein wird – das weiß ja heute noch niemand.