Die Grundsatzfrage bleibt ungeklärt – und das dürfte überall in Niedersachsen auf Interesse stoßen, denn Streitigkeiten dieser Art sind nun mal nicht selten. In Sarstedt (Kreis Hildesheim) fühlte sich der Ortsrat Heisede von der Bürgermeisterin Heike Brennecke (SPD) übergangen. Bevor der Bebauungsplan für das Neubaugebiet „Am Dorfe“ im Rat von Sarstedt beschlossen worden war, ist der Ortsrat in Heisede, wo dieses Baugebiet liegt, formal nicht ausreichend beteiligt worden.

CDU-Kreisfraktionschef Friedhelm Prior und Sarstedts Bürgermeisterin Heike Brennecke haben unterschiedliche Auffassungen, was die Rolle der Ortsräte betrifft. | Foto: CDU, Anja Frick, Canva, Montage: Rundblick

Vermutlich sind solche Vorgänge landesweit keine Seltenheit, führen zu Groll in den kommunalen Ratsgremien und zu Konflikten zwischen den politischen Akteuren. Das Besondere am Fall Heisede ist, dass dort ein sehr aktiver ehrenamtlicher Kommunalpolitiker agiert, der dafür bekannt ist, sich mit oberflächlichen Entschuldigungen oder ausweichenden Erklärungen nicht zufrieden zu geben.

Es ist der frühere Landesbeamte Friedhelm Prior von der CDU, nicht nur Ortsratsmitglied in Heisede, sondern auch Fraktionschef seiner Partei im Hildesheimer Kreistag. Prior ist besonders empfindlich dann, wenn es um die Rechte der ehrenamtlichen, bei der Kommunalwahl gewählten Vertreter in den kommunalen Gremien geht – und um den Vorwurf, die hauptamtliche Kommunalverwaltung gehe leichtfertig über die Mitwirkungs- und Informationsrechte dieser Vertreter hinweg.

Kritik: Ortsrat sei übergangen worden

Vor zwei Jahren entschied der Rat der Stadt Sarstedt über den Bebauungsplan, der das Neubaugebiet „Am Dorfe“ in Heisede betrifft. Der Ortsrat, der bei allen wichtigen Angelegenheiten des Dorfes beteiligt werden muss, sei bei dieser Planung übergangen worden, meinte Prior. Als Folge dieses Versäumnisses müsse der Bebauungsplan unwirksam sein, folgerte er und zog mit dem Ortsrat vor Gericht.

Doch die Richter rührten die Kernfrage gar nicht an – nämlich die, ob auch die Nicht-Beteiligung eines Ortsrates zur Unzulässigkeit eines Ratsbeschlusses über einen Bebauungsplan führen müsse, wie Prior und seine Kollegen argumentierten. Prior folgerte diese Auffassung aus der gängigen Regel, dass Verletzungen von Anhörungspflichten regelmäßig das Aufheben der jeweiligen Beschlüsse zur Folge haben. So sei es jedenfalls immer wieder geschehen, wenn das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg über solche Fragen befunden hatte.



In diesem Fall aber urteilten die Lüneburger Richter, der Ortsrat sei hier nicht klagebefugt gewesen, auch eine Verletzung seiner Rechte habe es nicht gegeben. Aber immerhin ließ das OVG die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu. Die Richter dort entschieden jedoch kurz vor Weihnachten, dass der Ortsrat vor Gericht „nicht antragsberechtigt“ sei, da er „kein Außenorgan der Gemeinde“ sei und keine unmittelbaren Aufgaben gegenüber den Bürgern wahrnehme.

Was ist wichtiger für eine Ortschaft als die Bebauung?

Prior wundert sich über diese Argumentation – zumal das Kommunalverfassungsrecht doch gerade die Rolle der Ortsräte als Institutionen der Mitwirkung an wichtigen Anliegen der Ortschaft beschreibe. Was sei denn wichtiger für eine Ortschaft als ein Bebauungsplan für einen Teil des Ortes? Das Anhörungsrecht, das den besonderen Wert der Ortsräte für die Willensbildung in der Gemeinde manifestiere, sei nun auf einmal nichts mehr wert.



Prior wünscht sich nach diesem Urteil, das aus formalen Gründen die Bedeutung der Ortsräte als ausgesprochen schwach erscheinen lasse, eine Klarstellung durch den Gesetzgeber: Die Rechte der Ortsräte könnten konkreter beschrieben oder sogar angereichert werden – und die Weise, dass es harte Konsequenzen haben müsse, wenn eine Kommune bei der Festlegung eines Bebauungsplans den entsprechenden Ortsrat des Teils der Gemeinde übergehe.

Der Heiseder Fall mit der begleitenden Rechtsprechung in Lüneburg und Leipzig dürfe keine Schule machen. Die Gegenseite, vertreten durch von der Stadt Sarstedt bestellte Anwälte, billigen den Ortsräten „lediglich eine beratende Funktion“ zu und geben ihm Raum als nur „vorbereitend tätiges“ Gremium. Dazu im Widerspruch indes dürften die politischen Beteuerungen im Landtag stehen, wonach das Ehrenamt eine enorm wichtige Bedeutung habe.