Ganz oben in der Partei sind die Weichen gestellt, die meisten hochrangigen Funktionsträger in der Partei wurden bereits eingeweiht: CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, die voraussichtlich Anfang 2018 sein wird, soll der 49-jährige frühere Kultusminister Bernd Althusmann werden. In allen Landtagsfraktionen wird darüber getuschelt, doch die CDU selbst behandelt das alles wie eine geheime Kommandosache: Offiziell will der Landesvorstand erst eine Woche nach der Kommunalwahl am 11. September sondieren, wie der Spitzenkandidat gekürt werden soll, wer dafür alles in Betracht käme – und wie die neue Nummer eins bestimmt werden soll. Per Mitgliederbefragung? Oder nach einer Vorstellungsrunde in Regionalkonferenzen?

Maßgebliche Kräfte in der CDU um den scheidenden Vorsitzenden David McAllister, Landtagsfraktionschef Björn Thümler, Generalsekretär Ulf Thiele und den Cuxhavener CDU-Bundestagsabgeordneten Enak Ferlemann, dem engsten Vertrauten McAllisters, arbeiten gezielt darauf hin, dass ein womöglich quälender und spaltender Auswahlprozess überflüssig wird. Sie wünschen sich, dass von Anfang an nur ein Bewerber bereitsteht: Althusmann. Der frühere Minister, der knapp drei Jahre lang für die Adenauer-Stiftung in Namibia war und nun bei einer Personalberatung in Hamburg angeheuert hat, zögert noch und legt sich derzeit selbst äußerste Zurückhaltung auf. Aus gutem Grund: Teile der CDU könnten eingeschnappt reagieren, wenn sie das Gefühl bekämen, die Führung wolle der Basis einen Kandidaten aufdrängen und das Verfahren abkürzen. Das gilt umso mehr, als Althusmann in der Landtagsfraktion zwar wegen seiner Durchsetzungsstärke, guten Rhetorik und hohen Fachkenntnis geachtet wird, aber in der niedersächsischen CDU nie ein Liebling der Parteibasis war. Der frühere Berufsoffizier gilt zuweilen als distanziert, hemdsärmlig und kühl kalkulierend, und in seiner Zeit als Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion (2003 bis 2009) hat er mit seinem machtbewussten Auftreten so manchem Parteifreund auf die Füße getreten. In  seiner Heimatstadt Lüneburg, wo der Sohn eines Pastors aufgewachsen war, hat er keine Hausmacht der CDU. Althusmann ist der Typ eines Managers, kein Volkstribun wie einst McAllister. Für viele in der CDU erscheint der gebürtige Oldenburger derzeit außerdem noch wie ein Außenstehender. Für ihn müsste im Fall der Fälle erst noch ein Wahlkreis gesucht werden, auch das ist nicht einfach. Hannover-Springe und Seevetal sind in der Diskussion.

Die CDU-Spitze und Althusmann selbst stecken nun in einem Dilemma: Einerseits feilen sie an einem Althusmann-Image des starken Machers: Er war Berufsoffizier bei der Bundeswehr, hat in seiner Landtags- und Regierungsarbeit die Fähigkeit zu harten Entscheidungen gezeigt, und er war in Afrika, bringt damit ganz andere Erfahrungen und Sichtweisen mit als die meisten Akteure in der Landespolitik. Althusmann dürfte angepriesen werden als starke Figur in unsicheren Zeiten und bei womöglich unklaren Mehrheitsverhältnissen im nächsten Landtag. Das soll ein bewusster Kontrast zum moderierenden Landesvater Stephan Weil sein. Andererseits aber ist die CDU gar nicht darauf eingestellt, eine solche herausragende Leitfigur zu inthronisieren, deren landesweiter Bekanntheitsgrad bisher in Grenzen bleibt. Nun hört man, der Kandidat solle nicht nur Spitzenkandidat, sondern gleichzeitig noch CDU-Landeschef werden beim Parteitag Ende November. Alles hört auf Althusmann? Das ist schwer vorstellbar. Der in der Partei bekannteste Kopf ist neben McAllister sicher Generalsekretär Thiele, im Lande am bekanntesten ist von den CDU-Landespolitikern sicher Landtagspräsident Bernd Busemann. Werden sie an den Rand gedrängt von einem zurückkehrenden Newcomer? Und wenn die CDU nach der Landtagswahl in der Opposition bleiben sollte, müsste Althusmann wohl Oppositionsführer werden. Der bisherige CDU-Fraktionschef Björn Thümler könnte auf den Stuhl des Landtagspräsidenten wechseln – bloß was würde dann aus dem Amtsinhaber Busemann? Einer von beiden müsste dann der Verlierer sein.

Viel wird davon abhängen, ob die CDU geschlossen bleibt und Kampfkraft entwickeln kann. Dazu braucht Althusmann ein Team. Doch er wird Politiker, die sich für ministrabel halten und engagiert sind, enttäuschen müssen. Soll der raubeinige Parlamentsgeschäftsführer Jens Nacke Schatten-Innenminister werden? Nacke ist einer der schlauesten im Landtag, doch viele halten ihn als Minister für ungeeignet. Wenn Thiele Schatten-Kultusminister wird, fühlen sich dann andere benachteiligt, etwa der zuständige Fraktions-Stellvertreter Jörg Hillmer? Soll Reinhold Hilbers, der ehrgeizige Abgeordnete aus der Grafschaft Bentheim, Schatten-Finanzminister werden? Wer vertritt die Braunschweiger im Team, welche Frau wird präsentiert? Althusmann wird externe Kandidaten benennen müssen. Aber bei jedem neuen Namen geht er das Risiko ein, Leute aus der Landtagsfraktion, die Ansprüche erworben zu haben glauben, zu verprellen. Das alles ist eine schwierige Gemengelage. Manche sagen, Althusmann zaudere derzeit. Er sei nicht entschlossen zu der neuen Aufgabe, wolle vorher manche Details geklärt wissen. Eine verständliche Haltung. (kw)