Grünen-Spitzenkandidat Stefan Wenzel kommt sofort in die Defensive. Warum die Unterrichtsversorgung in der rot-grünen Regierungszeit gesunken ist, wollen die Moderatoren des TV-Duells von ihm wissen. „Wir haben mehr Geld in die Bildung gesteckt als je zuvor“, sagt Wenzel und spricht von „erheblichen zusätzlichen Mitteln“. Bildung habe bei Rot-Grün ganz vorne gestanden, wenn es um finanzielle Fragen ging. Auf die Nachfrage, warum denn trotzdem weniger Unterricht stattfindet, wartet man vergeblich. Stattdessen bekommt der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner Gelegenheit, seine Forderung einer Unterrichtsgarantie zu erläutern. „Wir wollen uns auf den Pflichtunterricht konzentrieren“, sagt Birkner. Pro Woche fielen in Niedersachsen 100.000 Unterrichtsstunden aus. Die rot-grüne Bilanz sei einfach schlecht.

Das Duell der Kleinen: Anja Stoeck, Stefan Wenzel links, Dana Guth und Stefan Birkner rechts – Foto: MB.

Die Sendung dauert eine knappe Stunde und Wenzel kommt kaum aus der Defensive heraus. Egal ob es um Unterrichtsausfall, Inklusion, Innenpolitik oder Volkswagen geht: Wenzel ist bei fast jeder Antwort erst einmal damit beschäftigt, die Politik der rot-grünen Landesregierung zu erläutern. So kommt er kaum in den Angriffsmodus. Er versucht allerdings immer wieder, AfD-Spitzenkandidatin Dana Guth scharf zu attackieren. Zweimal wirft er ihr Rassismus vor.  Beim ersten Mal wird Guth nach „Zwangsbeglückung mit muslimischen Kleidungsvorschriften, rituellen Waschungen in den Sanitärräumen und Gebeten auf dem Schulflur“ gefragt, denen Schüler angeblich nicht mehr entgehen können. So schreibt es Guth in ihrer Kandidatenvorstellung. An welcher Schule Guth das in Niedersachsen erlebt habe, fragt die Moderatorin. „Ich habe mich auf den Fall an einem Wuppertaler Gymnasium bezogen“, antwortet Guth. Es sei ein exemplarischer Fall für viele ähnliche Probleme. „Symbolisch rassistisch“ nennt Wenzel diese Äußerungen. Guth bringe Beispiele aus anderen Bundesländern, die hier niemand verifizieren könne.

Guth lässt sich nicht in die rechte Ecke abdrängen

Dennoch gelingt es den anderen Kandidaten in dieser Sendung nicht richtig, Guth in die rechte Ecke zu stellen. Die AfD kämpft für Förderschulen, damit Kinder „in ihrem eigenen Tempo lernen können“. Sie will Flüchtlingen selbstverständlich vorübergehenden Schutz gewähren, aber keine ungebremste Migration zulassen. „Jedes Schicksal ist schlimm, wir sprechen über Menschen“, solche Sätze kommen von AfD-Spitzenkandidatin Dana Guth. Und wenn es um neue Autobahnen geht, schlägt sie sogar Volksbefragungen vor – dagegen können vermutlich nicht einmal die Grünen etwas haben.

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Sympathisch, aber etwas unbeholfen wirkt die Spitzenkandidatin der Linken in Niedersachsen, Anja Stoeck. In der Bildungspolitik wolle man langfristig das dreigliedrige Schulsystem zugunsten von mehr Gesamtschulen abschaffen. „Aber das wollen wir nicht sofort. Im Schulsystem muss Ruhe herrschen, deshalb lösen wir das nicht sofort auf“, sagt Stoeck.  Die Interpretation von „nicht sofort“ bleibt dem Zuschauer überlassen. Die Inklusion sei unter Rot-Grün vorsichtig und behutsam entwickelt worden. Dabei bezieht sich Stoeck sogar auf Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Und die Verbindung von Politik und Wirtschaft findet sie bei Volkswagen nicht anstößig.

Einen interessanten Konflikt in der Sendung verursacht Stoeck mit der Aussage, wenn jemand hierzulande eine Straftat verübe, solle er nicht abgeschoben werden, sondern seine Strafe auch hier verbüßen. Das führt zu klarem Widerspruch von Dana Guth. „Ein Hafttag in Niedersachsen kostet 140 Euro. Wie vermitteln Sie das dem Steuerzahler?“ In solchen Fällen müsse konsequent abgeschoben werden. „Es ist mir egal, wie das dann in anderen Ländern dann weiter gehandhabt wird.“

Es diskutieren: Zwei Landtags-Platzhirsche mit zwei APO-Vertreterinnen

Insgesamt wird in der Sendung deutlich, dass hier zwei politische Platzhirsche aus dem Landtag mit zwei Vertreterinnen der außerparlamentarischen Opposition diskutieren. Vor allem Birkner, der häufig zu recht technischen und übermäßig ausgewogenen Formulierungen neigt, wirkt in der Diskussion aufgeräumt und bringt seine Kritik an der Landesregierung immer wieder auf den Punkt. Er fordert den Schulfrieden, schlichtet in der Rassismus-Auseinandersetzung zwischen Wenzel und Guth mit den Worten, man müsse zwischen Salafismus und Islam unterscheiden und plädiert dafür, keine Politiker mehr in den VW-Aufsichtsrat zu entsenden. Nur in der Digitalisierung („Die Kabel sind das Rückgrat der Digitalisierung“) scheint er thematisch nicht ganz zuhause zu sein. Wenzel wiederum hält den Breitband- und nicht mehr den Straßenausbau für die wichtigste Infrastrukturmaßnahme des Landes. „Jedes Dorf hat ein, zwei oder drei Straßenanschlüsse, aber oftmals keinen Breitbandanschluss“, moniert der Umweltminister.

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Wenzel und Birkner – die beiden könnten möglicherweise auch bei Koalitionsverhandlungen wieder aufeinandertreffen. Die Frage ist nur, in welcher Konstellation. Birkner schloss in der Debatte eine Ampelkoalition erneut aus, zeigte sich aber offen für ein Jamaika-Bündnis. Wenzel hielt sich bedeckt. Ziel der Grünen sei zunächst einmal ein zweistelliges Ergebnis und drittstärkste Kraft zu werden. Der erste Wunsch der Linken sei es, überhaupt wieder in den Landtags zu kommen. Dann wolle man Rot-Grün gerne politisch anstupsen, egal aus welcher Position heraus. Nur die AfD schließt jegliche Koalitionsverhandlungen aus. „Wir sehen unsere Rolle ganz klar in der Opposition“, sagt Dana Guth. Das ist allerdings leicht gesagt, denn auch in dieser Runde gab es niemanden, der mit der AfD  Koalitionsgespräche führen würde. (MB.)