Die Kehrtwende der Landesregierung bei der geplanten Reform des Polizeigesetzes stößt parteiübergreifend auf Zustimmung. Neben SPD und Grünen lobten gestern im Innenausschuss des Landtags auch Vertreter von CDU und FDP den Plan, an den bisherigen Vorschriften für „anlasslose Kontrollen“ festzuhalten. Ursprünglich hatte Rot-Grün eine Begrenzung der Polizeirechte geplant, davon aber nach heftigen Protesten aus den Polizeiverbänden wieder Abstand genommen. Nur der Vertreter der Landesdatenschutzbeauftragten, Volker Klauke, sieht die neue Position der Landesregierung skeptisch: „Ich habe Sorge, dass eine Blankovollmacht für die Polizei bestehen bleibt, die eigentlich geändert werden müsste.“ Nach Klaukes Ansicht nutzen derzeit viele Polizeiorganisationen und auch die Polizeiführung ein „Missverständnis“ über die geltenden Vorschriften aus, um damit ihren Spielraum für Kontrollen auszuweiten. Das sei aber nicht in Ordnung.

Anlasslose Kontrollen sind auf bestimmten Straßen wichtig, meint die Deutsche Polizeigewerkschaft - Foto: Gerhard Seybert

Anlasslose Kontrollen sind auf bestimmten Straßen wichtig, meint die Deutsche Polizeigewerkschaft – Foto: Gerhard Seybert

Mit „anlasslosen Kontrollen“ ist gemeint, dass die Polizei eine Person kontrollieren oder ein Fahrzeug anhalten kann, auch wenn kein konkreter Verdacht auf eine Straftat vorliegt. Ursprünglich war die Vorschrift gedacht, um Autofahrer in der Nähe von Grenzen zu überprüfen, die sich sonst schnell ins Ausland absetzen könnten. Wie der Datenschutz-Vertreter Klauke sagte, bleibe genau dies auch der Sinn der „anlasslosen Kontrollen“: Man brauche eine konkrete polizeiliche Lagebeschreibung, die einen solchen Eingriff rechtfertigt. Deshalb sei auch die ursprüngliche Absicht von Rot-Grün richtig gewesen, eine Genehmigung des Vorgesetzten für eine solche Kontrolle einzuholen. Dass die Landesregierung davon nun wieder Abstand nimmt, findet Klauke falsch: „Es darf doch nicht länger sein, dass jeder Streifenbeamte für sich festlegt, dass jetzt jemand kontrolliert werden soll.“ Im neuen Gesetzentwurf gibt es nun eine Voraussetzung. Es müssten „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug“ begangen werden. Für die Datenschützer ist die Hürde zu niedrig, die Klausel könne als Freibrief für Polizeikontrollen genutzt werden. Und wenn es wirklich einen guten Grund gebe, etwa bei einer Einbruchserie in einer Region, brauche man das Instrument der„anlasslosen Kontrolle“ nicht, denn dann gebe es ja einen begründeten Verdacht als Anlass.

Die Polizeiverbände sehen das anders. Dietmar Schilff von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) meinte, die Abänderung der ursprünglichen Vorschrift verleihe der Polizei „Rechts- und Handlungssicherheit“. Dirk Hallmann von der Deutschen Polizeigewerkschaft widersprach dem Datenschutzbeauftragten: Gerade im Angesicht von reisenden Einbrecherbanden seien anlasslose Kontrollen etwa auf bestimmten Straßen wichtig, diese müssten auch schnell möglich sein. Man müsse Fahrzeuge auch dann anhalten können, wenn kein konkreter Verdacht gegen die Insassen bestehe. Vorher eine Erlaubnis der Behördenleitung anzufordern, wie von Rot-Grün ursprünglich geplant, sei „komplett unpraktisch“. Dass Willkür bei der Entscheidung der Polizei eine Rolle spiele, sei ausgeschlossen. „Wir sind hier die niedersächsische Landespolizei und nicht die aus Ghana.“

Auf breiten Widerspruch stieß bei der Anhörung im Landtag ein anderer rot-grüner Plan, bei der anstehenden Novelle des Polizeigesetzes die „öffentliche Ordnung“ als Begriff zu streichen. Jan Arning vom Städtetag sagte, damit werde es schwer, gegen bestimmte Entwicklungen vorzugehen: Wenn beispielsweise Neonazis die Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag mit eigenen Kranzniederlegungen stören, wenn aggressives Betteln oder übermäßiger Alkoholkonsum in bestimmten Stadtteilen unterbunden werden sollen. „Die Änderung ist auch falsch, weil der Ordnungsbegriff in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz hat“, sagt Annette Bennefeld vom Bund der Kriminalbeamten. Der Verweis auf das Ordnungswidrigkeitenrecht helfe nicht weiter, weil es hier ja um Gefahrenabwehr, nicht die nachträgliche Ahndung eines Vergehens gehe, meinte Dietmar Schilff von der GdP. Dirk Hallmann von der Polizeigewerkschaft erklärte, seine Organisation akzeptiere zwar, dass Rot-Grün den Begriff der „Ordnung“ streichen wolle, begrüße es aber nicht: „Die Gesellschaft braucht vielleicht gerade jetzt Schutzplanken zur Orientierung, und der Begriff der Ordnung kann diese Funktion erfüllen.“