Noch weiß niemand, ob die FDP dem niedersächsischen Landtag in der kommenden Legislaturperiode angehören wird. Nach ihrer tiefen Krise und dem Ausscheiden aus dem Bundestag liegt sie auf Bundesebene in den Umfragen aktuell zwischen fünf und 7,5 Prozent. In der letzten Landesumfrage kam sie auf sechs Prozent – die Umfrage stammt allerdings bereits aus dem Herbst vergangenen Jahres. Das Kommunalwahlergebnis ist mit 4,8 Prozent eher bescheiden. Aber auch wenn die Freien Demokraten es wieder in den Landtag schaffen: Es wird eine deutlich veränderte Fraktion sein, die Anfang 2018 ihre Arbeit aufnimmt.

Zieht es nach Berlin: FDP-Fraktionschef Christian Dürr - Foto: FDP-Fraktion Nds.

Zieht es nach Berlin: FDP-Fraktionschef Christian Dürr – Foto: FDP-Fraktion Niedersachsen

Das beginnt an der Spitze der Fraktion. Die bisherige Fraktionsvorsitzende Christian Dürr will sich auf dem Parteitag Ende März in Braunschweig für die Bundestagsliste zur Wahl stellen. Der Partei könnte das weiterhelfen, denn damit wäre die Diskussion um den Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl beendet. Hier hatte sich bisher keine eindeutige Lösung abgezeichnet. So scheint sicher, dass der ehemalige FDP-Generalsekretär im Bund, Patrick Döring, wieder kandidieren wird. Eine Kandidatur auf Listenplatz Nummer 1 würde aber nach dem Wahldebakel 2013 wohl nicht jeder Delegierte unterstützen. Für die ersten Plätze auf der Bundesliste wird nun noch eine Frau dringend gesucht – ein altes Problem in der FDP. Ob der Braunschweiger FDP-Mann Florian Bernschneider erneut für den Bundestag kandidieren wird, ist noch unklar. Er ist inzwischen Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Braunschweig. Dass er den neuen Job für eine erneute Kandidatur so schnell wieder an den Nagel hängt, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Neben Dürr wird die Landtagsfraktion voraussichtlich weitere Abgeordnete verlieren. Vom Generalsekretär der Niedersachsen-FDP, Gero Hocker, ist schon seit längerem bekannt, dass es ihn nach Berlin zieht. Der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling gilt noch als unentschlossen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch er seinen Hut noch in den Ring wirft. Den innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Jan-Christoph Oetjen, zieht es Gerüchten zufolge eher weit nach Westen. Er fasst angeblich eine Kandidatur für das Europaparlament ins Auge.

Die Landtagsfraktion stünde damit vor den größten Umwälzungen seit dem Wiedereinzug der Partei in das niedersächsische Parlament im Jahr 2003. Auf der einen Seite wäre der Wechsel der genannten Abgeordneten eine Schwächung der Fraktion. Auf der anderen Seite ergeben sich aber auch neue Möglichkeiten. So stünde nach Dürrs Wechsels Landeschef Stefan Birkner wohl unangefochten an der Spitze von Partei und Fraktion. Auch wenn die Aufteilung von Partei- und Fraktionsspitze in der Niedersachsen-FDP in den vergangenen Jahren nach außen weitgehend reibungsfrei funktioniert hat, so kann die neue Konstellation nun doch für klarere Verhältnisse sorgen.

Das hätte wohl auch Einfluss auf mögliche Koalitionsoptionen nach der nächsten Landtagswahl Anfang 2018. Während der Wirtschaftsliberale Dürr ein Bündnis mit der CDU jederzeit favorisieren würde und einer rot-gelb-grünen Koalitionsvariante äußerst skeptisch gegenübersteht, könnte die FDP mit dem Bürgerrechtsliberalen Birkner für eine Koalition mit SPD und Grünen offener sein. An einem Tisch mit Stephan Weil und Stefan Wenzel: Was für den Wirtschaftswissenschaftler Dürr am Rande der Unvorstellbarkeit erscheint, könnte für den sorgfältig abwägenden Juristen Birkner eine interessante Alternative sein. So droht der FDP im Landtag durch die Abwanderung zwar ein Verlust von Kompetenz, möglicherweise aber zugleich ein Gewinn an Optionen. (kw/MB.)