In dieser Woche sitzen sie das letzte Mal einträchtig nebeneinander auf der Regierungsbank im Landtag – die Politiker von SPD und CDU. Eine Premiere war diese seit knapp fünf Jahren bestehende Konstellation nicht, obwohl es sich bei den Beteiligten oft so anfühlte. Die Große Koalition in Niedersachsen, deren Amtszeit sich nun dem Ende neigt, war nicht die erste dieser Art. Die beiden großen politischen Lager hatten früher schon zusammen regiert – erst zwischen 1957 und 1959, dann zwischen 1967 und 1970. Eine ganze Wahlperiode lang allerdings, und das ist wirklich neu, haben es die beiden Parteien erst jetzt nebeneinander ausgehalten. Also gibt es doch eine Premiere.

So starteten sie vor fünf Jahren: das Kabinett Weil II | Foto: Landesregierung

Woran liegt die Ungewöhnlichkeit? Passen SPD und CDU eigentlich nicht zusammen, sind sie quasi in diesem Bundesland anders als in anderen natürliche Konkurrenten? Diese Vermutung mag begründet sein in der Tatsache, dass es starke Hochburgen der beiden Parteien gibt, in denen die jeweils andere die Erfahrung machen muss, einer Dominanz der Regierenden ausgeliefert zu sein. Konkret: Die CDU in einigen ostfriesischen oder hannöverschen Gegenden nimmt die jahrzehntelang herrschende SPD als übermächtig wahr, teilweise als arrogant. So geht es der SPD im Südoldenburger Raum und im Emsland mit Blick auf die dortige CDU auch, ebenso im Eichsfeld. Womöglich ist es diese Erfahrung der jeweils Schwächeren, die sich den anderen „ausgeliefert“ fühlen, die Vorbehalte gegenüber einer Großen Koalition wachsen lässt. In dieser Sichtweise waren die vergangenen fünf Jahre des Regierungsbündnisses von Sozial- und Christdemokraten ein Ausnahmefall – und die schon vor mehr als einem Jahr verbreitete Erklärung des SPD-Spitzenkandidaten Stephan Weil, er wünsche sich Rot-Grün, klingt logisch als Sehnsucht zurück ins alte Lagerdenken.

Man verstehe sich intern viel besser, als man nach außen zuzugeben bereit sei.

Das führt nun zu der Frage, ob die Große Koalition wirklich so schlecht war wie ihr Ruf. War es wirklich nur ein Zweckbündnis zur Lösung der nötigsten Fragen – und ohne bleibende Wirkung? Aus Kreisen der SPD hört man, die Kooperation mit der CDU sei einfacher als die mit den Grünen, da die CDU klarer strukturiert und schneller entscheidungsfähig gewesen sei als die Grünen, die zu jeder wichtigen Frage erst unendlich viele Gremien hätten beteiligen müssen oder wollen. Da mag man sich in Grundsatzfragen noch zu gut verstehen zwischen linken Sozialdemokraten und linken Grünen. Aus Kreisen der CDU ist zu hören, mit den Sozialdemokraten gebe es sehr viele inhaltliche Überschneidungen, etwa in der Innen- und Rechtspolitik, in der Umwelt- und Infrastrukturpolitik und sogar in der Sozialpolitik. Man verstehe sich intern viel besser, als man nach außen zuzugeben bereit sei.


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Wenn das so ist, spiegelt sich das auch in einer erfolgreichen Leistungsbilanz wider? In dieser Hinsicht ist die Rückschau geteilt. Zunächst ein paar Punkte auf der Haben-Seite, nämlich Vorhaben, die gut geklappt haben, womöglich gar beispielhaft waren oder die zu den positiven Überraschungen zählen: Das Krankenhausgesetz ist hier zuerst zu nennen, ein in einem sehr aufwendigen Prozess unter Einbeziehung der vielfältigen Interessensverbände ausgehandeltes Vorhaben, das einen guten Weg in die Richtung einer besseren Gesundheitsversorgung ebnet – weg von den vielen kleinen und nicht leistungsfähigen Krankenhäusern, hin zur Schwerpunktbildung und zu Angeboten für Versorgungszentren in den ländlichen Regionen.

Zu nennen sind Investitionen für die Infrastruktur, etwa für die LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Stade, bei denen SPD und CDU schnell und entschlossen an einem Strang gezogen haben. Als beispielhaft kann der „niedersächsische Weg“ gelten, die Zusammenführung von Umwelt- und Agrarverbänden, begleitet von einer gezielten Verknüpfung von Verboten und finanziellen Anreizen für Landwirte. Hier haben Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) eine vorbildliche Kooperationsfähigkeit bewiesen. Die Nord/LB-Rettung gelang geräuschlos und effektiv, wobei eine Antwort auf die Frage, wie über die Förderbank öffentliche Investitionen angeschoben werden können, nicht gegeben wurde.


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Das Corona-Management hat geklappt, trotz viel Aufregung und manchen Fehlern im Detail. Die nötigen Mehrausgaben uferten auch nicht aus, sie blieben maßvoll. Auf der anderen Seite sind die großen Wohltaten, mit denen sich SPD oder CDU oder beide schmücken, keine wirklichen Leistungen – denn Geldausgeben in Zeiten voller Kassen, wie es bis 2020 der Fall war, erfordern kein großes politisches Geschick. Zu nennen sind die Abschaffung von Elternbeiträgen für Kindergärten, die Einführung des Reformationstages als Feiertag oder die Abschaffung der Schulgeldpflicht für Gesundheitsberufe. Beim Thema Pflegekammer, Wolf und sozialem Wohnungsbau zeigten sich die Probleme und die angebotenen Lösungen wie Dauerbrenner – viel Gesprächsstoff, viel Streit und wenig Effektivität.



Womit wir bei den Enttäuschungen wären, und von denen gibt es auch einige. Die Digitalisierung etwa hat riesige Fortschritte gemacht, was den Breitbandausbau angeht. Aber schon in den Schulen spürte man mit Beginn der Corona-Krise, wie schlecht vorbereitet Niedersachsen auf die Zukunft ist. Das gilt auch für die Digitalisierung der Verwaltung, die natürlich mit der radikalen Verschlankung der Bürokratie einhergehen soll, ja sogar muss. Auch der Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst zählt dazu. Das ist im Grunde die größte und wichtigste Aufgabe, die die amtierende Landesregierung zu Beginn ihrer Amtszeit vor sich hatte. Im Koalitionsvertrag hat sie noch Tatkraft in dieser Hinsicht verbreitet, sogar Fristen formuliert und Handlungsdruck erzeugt. Nur: Passiert ist nichts, die Ankündigungen wurden ignoriert. Angeblich, wie man hört, weil die SPD die Wünsche der CDU früh blockiert habe.

Die satte Mehrheit im Landtag von SPD und CDU, die es ermöglicht hätte, auch unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen (zur Not auch gegen den einen oder anderen Abgeordneten, der nicht mitziehen will), wurde folglich nicht genutzt. Es fehlte den Verantwortlichen der Mut zu klaren Festlegungen. Anders ausgedrückt: In der Regierung Weil/Althusmann wurde das Land gut verwaltet, aber nur mäßig vorangebracht.