Klaus Wichmann (AfD) hat dem Innenminister im Landtag „krankhaftes“ Verhalten vorgeworfen und für einen Eklat gesorgt. | Screenshot: NDR

Eine aktuelle Landtagsdebatte zu der bundesweiten Razzia gegen eine rechtsextreme Verschwörergruppe hat am Mittwoch in einer außergewöhnlich gereizten und aufgeladenen Atmosphäre stattgefunden. Dies begann schon am frühen Morgen mit der Forderung der CDU an Innenminister Boris Pistorius (SPD), er möge den Landtag über den Stand der Ermittlungen über Querverbindungen der 25 Verhafteten zu Unterstützern in Niedersachsen unterrichten. Stefan Politze (SPD) lehnte die Forderung der CDU mit Hinweis auf die am Tag zuvor vertraulich stattgefundene Berichterstattung im Innenausschuss ab. Dagegen erklärte Carina Hermann (CDU), die Öffentlichkeit habe ein Anrecht auf Informationen – so wie es der Generalbundesanwalt auf Bundesebene vorbildlich getan habe.

Das Thema wurde wenig später dann noch einmal aufgerufen, da die SPD eine aktuelle Plenardebatte darüber beantragt hatte. SPD-Fraktionsvize Sebastian Zinke dankte zunächst den Ordnungskräften auch in Niedersachsen, die schnell und entschlossen gegen die Verschwörer vorgegangen seien und den offensichtlichen Plan der Verschwörer aus der Reichsbürgerszene, den Bundestag zu stürmen, die Regierung zu stürzen und Politiker zu ermorden, durch frühzeitiges Eingreifen verhindert hätten. Dann rügte Zinke, die niedersächsische AfD verharmlose die Gefahr der Verschwörergruppe, da der AfD-Abgeordnete Stephan Bothe beispielsweise über eine angebliche „hochgepuschte Realsatire auf Bestellung der Medien“ gespottet habe. Dies führte zu den ersten gereizten Reaktionen in der Fraktion der AfD. Als nächster Redner trat André Bock (CDU) nach vorn. Er sprach zunächst von den vielen noch offenen Fragen zu den Netzwerken der Reichsbürger, die viele Menschen bewegten, um dann den Innenminister direkt anzugreifen: „Bei jedem Fall, wenn bei der Polizei eine Waffe verschwindet, erscheinen Sie persönlich im Ausschuss und nehmen öffentlich Stellung. Hier kommen Sie nicht einmal selbst zur Unterrichtung. Das ist ein Skandal!“

André Bock ärgert sich über den Innenminister. | Screenshot: NDR

Der Grünen-Abgeordnete Michael Lühmann als nächster Redner, im früheren Beruf Rechtsextremismus-Forscher, warnte vor einem Kleinreden des geplanten Umsturzversuchs. „Es bedarf einer konsistenten Logik, um aus ideologischem Hass zu töten.“ Man müsse jetzt fragen, ob alle Schritte gegen den Rechtsextremismus schon ausgeschöpft seien mit Blick etwa auf das Waffen- und das Dienstrecht. Dann wiederholte Lühmann seinen Vorschlag, ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. Damit steigerte Lühmann die Unruhe bei der AfD, deren Abgeordneter Klaus Wichmann sodann ans Rednerpult trat. Er distanzierte sich von den Verschwörern, bedauerte die Beteiligung einer früheren AfD-Bundestagsabgeordneten und sagte deren bevorstehenden Ausschluss aus der Partei voraus.

Michael Lühmann | Screenshot: NDR

Anschließend griff Wichmann Innenminister Boris Pistorius (SPD) frontal an – da dieser in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ gesagt hatte, die AfD versuche wie die NSDAP in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in die Polizei und die Sicherheitsorgane vorzudringen. Wichmann sagte dazu jetzt im Landtag: „Ich lege Ihnen dringend einen Arztbesuch ans Herz. Das ist krankhaft, was Sie da meinen.“ Dieser Satz löste Unruhe und wütenden Protest von Ulrich Watermann (SPD) aus, Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) erteilte Wichmann einen Ordnungsruf, woraufhin dieser murmelte: „Ich werde das mit Fassung tragen.“ Naber ließ das unkommentiert, Wichmann fuhr fort und bedauerte, „der gesellschaftliche Konsens der 80er und 90er Jahre“ sei inzwischen Geschichte.

Boris Pistorius | Screenshot: NDR

Als wenig später Pistorius selbst ans Rednerpult trat und vor einer Verharmlosung der Verschwörer warnte, rief der AfD-Abgeordnete Omid Najafi laut dazwischen: „Sie verharmlosen die NSDAP!“. Daraufhin wandte sich Pistorius der AfD zu und rügte, dass diese Partei etwa in Sachsen-Anhalt den Verfassungsschutz als „Unterdrückungsbehörde“ bezeichnet habe. Wenig später dann, am offiziellen Ende der Debatte, ging Ministerpräsident Stephan Weil noch einmal ans Mikrophon. Er dankte Landtagspräsidentin Hanna Naber für ihren an Wichmann gerichteten Ordnungsruf, denn dessen Auftreten sei eine „beispiellose Entgleisung“ gewesen. Zugleich richtete Weil eine Bitte an den Ältestenrat, die Reaktion von Wichmann („Ich trage es mit Fassung“) noch einmal eingehend zu prüfen und zu schauen, ob man das unwidersprochen sein lassen dürfe. Mitglieder der Landesregierung seien immerhin „kein Freiwild“, meinte der Ministerpräsident – dessen Hinweis als Kritik am Verhalten der Landtagspräsidentin verstanden werden kann. 

Stephan Weil findet das Verhalten von AfD-Landtagspolitiker Klaus Wichmann völlig ungebührlich. | Screenshot: NDR

LKA-Beamter vom Dienst suspendiert

Im Zuge der Razzia wurde inzwischen ein Beamter des Landeskriminalamtes, der zuletzt im Staatsschutz tätig war, vom Dienst freigestellt. Er soll Kontakte zu den Verschwörern gehabt haben. Vergangene Woche waren drei Niedersachsen verhaftet worden: der frühere Polizist Michael F. aus Hildesheim, der zum „militärischen Arm“ gezählt wurde, eine Peiner Ärztin, die offenbar als Gesundheitsministerin vorgesehen war, und ein auf Datenschutz spezialisierter Anwalt aus Hannover, der offenbar Außenminister hätte werden wollen. Dieser Anwalt hatte sich in den vergangenen Jahren unauffällig verhalten.