Eltern von Schulkindern fordern mehr Einsatz der Landesregierung gegen den Lehrermangel
Dass der Schulunterricht oder die Kinderbetreuung ausfallen, rangiert immer noch unter den zehn drängendsten Problemen der Niedersachsen. Allerdings ist dieser Missstand im Vergleich zum Vorjahr in der Prioritätenliste vom sechsten auf den neunten Platz abgerutscht. Dennoch fällt die Beurteilung der Schulen in Niedersachsen deutlich kritischer aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Drei Quellen-Mediengruppe. Demnach bewerten nur noch 30 Prozent der Befragten die Schulen in Niedersachsen alles in allem positiv. Im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 36 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Befragten fiel das Urteil unterdessen negativ aus: 42 Prozent gaben an, die Schulen seien „nicht so gut“, 14 Prozent bewerteten sie sogar als „gar nicht gut“ beziehungsweise als „schlecht“. Noch negativer fällt das Urteil bei all jenen Befragten aus, die Eltern schulpflichtiger Kinder sind. Exakt die Hälfte der befragten Eltern gab an, die Schulen in Niedersachsen seien „nicht gut“, gleichbleibend 14 Prozent halten sie für „schlecht“. Der Anteil der positiven Bewertungen sinkt bei den Eltern auf 27 Prozent. Geäußert wird von den Eltern auch viel Kritik an den Unterrichtsinhalten. So gab die Hälfte von ihnen an, sie hätten nicht den Eindruck, das vermittelt wird, was wichtig ist. Sogar 60 Prozent kritisieren, dass wenig auf das Berufsleben vorbereitet werde.
Bei der Befragung von 1007 volljährigen Niedersachsen zwischen dem 11. und 29. November dieses Jahres hat das Meinungsforschungsinstitut noch detaillierter bei den Eltern von Schulkindern nachgehakt. Dabei kam heraus, dass insbesondere die personelle Ausstattung der Schule des eigenen Kindes als unzureichend bewertet wird. Mehr als die Hälfte gab in dieser Angelegenheit eine negative Bewertung ab. Lediglich 39 Prozent der befragten Eltern finden, dass es genügend Personal an der Schule gibt. Gefragt nach der Performance der Landesregierung bei diesem Problem gaben mehr als zwei Drittel aller Befragten an, die Regierung müsste mehr tun, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Lediglich vier Prozent finden, dass die Regierung in dieser Angelegenheit bereits genug tut. Betrachtet man nur die Eltern von Schulkindern, fällt auch hier das Urteil deutlich negativer aus. 81 Prozent von ihnen wünschen sich mehr Engagement der Regierung, damit die Lehrerzahlen rasch besser werden. Allerdings steigt in dieser Gruppe auch die Zahl derjenigen, die mit dem Regierungshandeln bereits einverstanden ist. Immerhin zehn Prozent der Eltern sind zufrieden mit den ergriffenen Maßnahmen.
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) räumte kürzlich im Podcast-Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick ein, dass sich auch in diesem Schuljahr die Unterrichtsversorgung nicht signifikant verbessert haben wird. Sie deutete an, dass es bei der statistischen Zahl eine Stagnation geben könnte. Zwar konnten zuletzt mehr Lehrer denn je für den Schuldienst in Niedersachsen gewonnen werden, „aber wir haben auch viel mehr Schüler im System, deshalb wird die Unterrichtsversorgung im besten Fall stabil bleiben.“ Hamburg gibt sich derweil zufrieden mit ihrer bisherigen Bilanz. „Die gute Nachricht ist: Wir konnten alle Stellen auch besetzen, die wir zur Verfügung haben. Und wir werden 2460 neue Lehrerstellen schaffen und auch besetzen. Das hat in den letzten Jahren nie geklappt“, sagte die Kultusministerin im Podcast.
Beim niedersächsischen Philologenverband ist man durch die Ergebnisse der Befragung alarmiert. „Wenn vier von fünf Eltern sagen, die Landesregierung müsste zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels mehr tun, dann muss man da schon von einer Wahrnehmung des Versagens der Landesregierung im Bildungsbereich durch die Erziehungsberechtigten sprechen“, erklärte Verbandspräsident Christoph Rabbow auf Rundblick-Anfrage. Die Regierung Weil müsse den Lehrkräfte- und den allgemeinen Fachkräftemangel zur Chefsache machen, es brauche ein Gesamtkonzept und keine Politik der tausend kleinen Schritte, wie es von Kultusministerin Hamburg verfolgt wird. Das negative Bild von Schule, das in der Gesellschaft vorherrsche, spiegele nicht die Wirklichkeit wider, meint Rabbow. Allerdings zeige die Wahrnehmung der Eltern, dass man offensichtlich ein anderes Bild von Schule brauche, um mehr Akzeptanz für unsere tägliche Arbeit mit den Schülern zu finden. „Wenn das Bild insgesamt so negativ ist, erschwert dies die Bildungsarbeit von Lehrkräften mit Elternhäusern ganz erheblich und dabei muss klar sein, es geht immer um den besten Bildungsweg für die Kinder.“ Auch bei der Lehrergewerkschaft GEW fordert man, die Bildung zur Chefsache zu erklären. „Wir fordern seit geraumer Zeit einen Kurswechsel“, erklärte der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer auf Rundblick-Anfrage. „Der Fachkräftemangel, die Unterrichts-Unterversorgung und generell zu viel Druck richten viel Schaden im Bildungssystem an.“ Die GEW Niedersachsen mache sich laut Störmer deshalb für mehr multiprofessionelle Teams stark.
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