Die Pläne der Europäischen Kommission zur Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln stoßen in Niedersachsen auf Widerstand. Der Verordnungsentwurf, den die Kommission zur Beratung gestellt hat, sieht unter anderem ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten sowie eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis zum Jahr 2030 vor. Medienberichten zufolge soll Deutschland den Pestizid-Einsatz sogar um 55 Prozent reduzieren.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll verringert werden, so der Plan der Europäischen Kommission. Doch das niedersächsische Landvolk hält davon wenig. I Foto: simonkr (GettyImages)

Der Präsident des niedersächsischen Landvolks, Holger Hennies, sieht dadurch die Arbeitsgrundlage der Landwirte bedroht. Der Bauernverbandspräsident erwartet, dass etwa die Hälfte der Ackerbau-Flächen des Landes betroffen sein könnten und warnt: „Die Pläne gefährden die sichere Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Nahrungsmitteln, auch hier in unseren Gunststandorten.“ Durch geringere Erntemengen würden die Preise für Lebensmittel zudem weiter steigen. Niedersächsische Europaabgeordnete appellieren bereits an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), sich in die Angelegenheit stärker einzubringen, um eine zunehmende Krise für die niedersächsische Landwirtschaft abzuwenden. Die Pläne der EU-Kommission liegen bereits seit einigen Wochen auf dem Tisch. In den kommenden Monaten wird nun über die Vorschläge der EU-Kommission verhandelt. Bis die neuen Regeln greifen, können noch bis zu 24 Monate vergehen, heißt es.

„Derzeit wird intensiv an einer Reduktionsstrategie für Niedersachsen gearbeitet.“

Olaf Lies

In der niedersächsischen Landesregierung sorgt der Vorstoß aus Brüssel auch deshalb für Unmut, weil durch die neuen Vorgaben entscheidende Kompromisse, die im Zuge des „niedersächsischen Weges“ gefunden wurden, gefährdet werden könnten. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) befindet zwar das Ziel, die Mengen an Pflanzenschutzmittel zu reduzieren, für richtig. Allerdings appelliert er, Lösungen mit der Landwirtschaft und den Umweltverbänden gemeinsam zu finden. „Derzeit wird intensiv an einer Reduktionsstrategie für Niedersachsen gearbeitet. Auch haben wir für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten in Niedersachsen eine gesetzliche Regelung im Naturschutzgesetz zur Ausbringung in Schutzgebieten und im Wassergesetz zu Gewässerrandstreifen gefunden“, erklärte Lies und betonte, dass diese Regelung „sowohl mit der Landwirtschaft als auch mit den Naturschutzverbänden abgestimmt“ sei.

Mittel des ökologischen Landbaus bleiben außen vor

Daher sehe er bei einigen Passagen des Verordnungs-Entwurfs noch „erheblichen Klärungsbedarf“. Bezüglich des pauschalen Verbots jeglicher Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten erklärte er etwa: „Dazu haben wir in Niedersachsen praxisgerechtere Lösungen entwickelt, diese würden damit nicht mehr umsetzbar.“ Zudem wären auch die Mittel des ökologischen Landbaus von einer Anwendung ausgenommen, sagt der Minister und wirbt dafür, klug abzuwägen, so dass sowohl die Natur mehr Raum bekomme aber ebenso eine Bewirtschaftung möglich bleibe.

 

„Das geplante Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten bedeutet das Aus für viele Höfe in Niedersachsen.“

Barbara Otte-Kinast

Am Montag versammelten sich Landwirte zu Demonstrationen vorm Bundesagrarministerium in Bonn und forderten von der Politik, die Pläne der EU noch zu verhindern. Niedersachsens Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) erklärte dazu, sie könne den Protest der Landwirte sehr gut verstehen: „Das geplante Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten bedeutet das Aus für viele Höfe in Niedersachsen. Damit verabschieden wir uns von der Selbstversorgung durch die heimische Nahrungsmittelproduktion. Das kann so von Brüssel nicht gewollt sein. Ich erwarte da eine deutliche Korrektur des Gesetzentwurfs.“

„Enteignungsgleicher Eingriff“: Gegenwind von der CDU

Der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke, fuhr verbal noch größere Geschütze auf und sprach von dem „größten Angriff auf eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland“. Ganz besonders kritisierte er die geplanten Restriktionen für die Landschaftsschutzgebiete. Dort den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verbieten, sei ein „fundamentaler Vertrauensbruch und ein enteignungsgleicher Eingriff“, so der CDU-Politiker. Sein Argument: Die Landschaftsschutzgebiete seien dazu da, das Landschaftsbild zu schützen, wozu eben auch die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft gehöre.

Bereits kurz nach der Veröffentlichung meldete auch das Umweltbundesamt Kritik an dem Vorhaben an. Dirk Messner, Präsident der Bundesbehörde, erklärte Ende Juni: „Die Landwirte werden den Pestizideinsatz nur verringern, wenn finanzielle Nachteile abgefedert werden. Hierzu braucht es konkrete Festlegungen in der EU-Verordnung. Auch müssen sensible Lebensräume wie Naturschutzgebiete besser vor Pestiziden geschützt werden.“