Diskutieren über die Zukunft des Journalismus (von links): Michaela Menschel, Dany Schrader, Lutz Marmor, Laura-Lena Förster und Eberhard Volk. | Foto: Wallbaum

Wie steht es um die Zukunft des Journalismus? Zu diesem Thema hat die Sir-Greene-Stiftung, die in Hannover ihren Sitz hat und sich der Nachwuchsförderung für Journalisten verschrieben hat, jetzt mehrere Medienvertreter zusammengerufen. Die Vorsitzende Michaela Menschel, frühere Journalistin und Geschäftsführerin einer Agentur für Kommunikation, warf dabei die Frage nach der Rolle der Medien auf. Lutz Marmor, ehemaliger Intendant des NDR, warnte vor einer zu hohen Bewertung dieser Position. „Wir sollten nicht von der vierten Gewalt im Staate reden“, sagte Marmor – denn mit Machtausübung habe das nicht viel zu tun. Es sei Aufgabe der Journalisten, die Mächtigen kritisch zu begleiten und die Unabhängigkeit von politischem Einfluss zu bewahren. Dabei würden teilweise beachtliche Ergebnisse zutage treten, wie beispielsweise die Arbeit des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung gezeigt habe. Für eine erfolgreiche Arbeit brauche der Journalismus zudem aber auch „Rückendeckung und Mut“. Die Verantwortlichen in den Sendern und Zeitungsredaktionen müssten kritischen Journalisten zur Seite stehen, wenn sie nach ihrer Berichterstattung Gegenwind ernten. Wenn Fehler passierten, müssten diese von den Medien auch offen eingeräumt werden. Marmor warnte vor einer verzerrten Darstellung der Abläufe beispielsweise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Es ist nicht so, dass die Landesfunkhausdirektoren nach der parteipolitischen Färbung der jeweiligen Landesregierung ausgewählt wurden.“ Vielmehr hätten diese Positionen oft eine politische Ausrichtung gehabt, die der Ausrichtung der jeweiligen Landesregierung eher widerspricht.

Die Chefredakteurin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Dany Schrader, wurde von Menschel mit der Frage konfrontiert, inwieweit politisch unabhängige Berichterstattung angesichts einer SPD-Beteiligung von mehr als 20 Prozent bei Madsack möglich sei. Schrader sagte, sie habe in ihrer Rolle noch nie einen Anruf von der SPD erhalten, der sich auf eine Berichterstattung im Blatt bezogen habe. Frühere Chefredakteure hätten beispielsweise auch eine klare Position pro Atomkraft vertreten, ohne dass der Madsack-Miteigentümer daran Anstoß genommen habe. Die Vize-Chefredakteurin des „Stern“, Laura-Lena Förster, widersprach der in einem aktuellen Buch von David Precht und Harald Welzer verbreiteten These, die großen Medien in Deutschland würden nicht die Vielfalt der Meinungen veröffentlichen, sondern einem Mainstream hinterherlaufen – was sich etwa in der Berichterstattung zur Corona-Politik oder auch zum Ukraine-Krieg ausdrücke. „Es gibt so viel Vielfalt wie nie“, entgegnete Förster. Das Internet sei voll mit der ganzen Bandbreite an Positionen, und auch die größeren Medien im Lande verbreiteten durchaus unterschiedliche Einstellungen. Als Beispiel wählte sie ein unpolitisches Beispiel aus der Welt der Politik, nämlich die Bewertung der Hochzeit von FDP-Chef Christian Lindner. Was die politische Meinungsbildung angehe, komme es nur darauf an, „im Netz den richtigen Zugang zu Meinungen zu finden“, erklärte die „Stern“-Journalistin. „Es geht um die Bereitschaft, die eigenen Kanäle zu verlassen und sich auf die der anderen einzulassen.“

Marmor, Schrader, Förster und der RTL-Geschäftsführer Eberhard Volk widersprachen der These, dass die Zeitungen und Sender immer stärker auf eine möglichst große Reichweite und Popularität ausgerichtet seien, worunter die inhaltliche Tiefe leide. Journalisten hätten zu wenig Zeit für Recherche, die schnelle Nachricht sei gefragt. Schrader meinte, natürlich orientiere sich die HAZ an den Wünschen der Leser, das sei aber nicht der einzige Maßstab, „sonst würden wir im Lokalteil nur noch darüber schreiben, wie verbreitet der Wolf in der Innenstadt von Hannover ist“. In der Politik sei es Aufgabe der Medien, den Mächtigen „auf die Finger zu schauen“. Volk und Marmor meinten, junge journalistische Talente müssten noch stärker und entschlossener gefördert werden. Förster sagte, unterstützt von Schrader, die Anforderungen an die Ausbildung von angehenden Journalisten sollten nicht zu hoch gelegt werden. „Ich brauche nicht überall Leute mit abgeschlossenem Hochschulstudium oder Abschluss in der Journalistenschule“, betont die „Stern“-Redakteurin. Der Fachkräftemangel mache sich längst auch im Journalismus bemerkbar, daraus müsse man Konsequenzen ziehen.