So kompliziert war es gar nicht – und doch passierte eine folgenschwere Panne. Als der Landtag am Dienstag die neuen Mitglieder der Bundesversammlung bestimmen sollte, gab es das erste Mal seit langem keine gemeinsame, von allen Fraktionen und Gruppierungen ausgehandelte Liste mehr. Vielmehr hatte jede Fraktion und Abgeordnetengemeinschaft ihre eigene Liste. Doch die Wahl endete, obwohl eigentlich leicht verständlich, dann vor allem für die CDU in einer Blamage.

Die CDU Niedersachsen entsendet weniger Delegierte in die Bundesversammlung als sie eigentlich könnte. Grund ist eine Panne mit ungeklärter Ursache. | Foto: Tobias Koch

Im Ergebnis werden die SPD, die Grünen und die FDP in der Bundesversammlung um je einen Sitz stärker sein als die nach dem Kräfteverhältnis im Landtag eigentlich vorgesehen war. Die CDU und die Vertreter der AfD hingegen sind schwächer als im Kräfteverhältnis möglich gewesen wäre. Das liegt daran, dass offenbar einige Abgeordnete der CDU und der AfD nicht so abgestimmt haben, wie ihre jeweiligen Führungen es erwartet hatten. Der Nutznießer könnte am Ende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sein, der Interesse an seiner Wiederwahl am 13. Februar bekundet hat und von der SPD, vermutlich auch von Grünen und FDP unterstützt werden dürfte. Die CDU hat angedeutet, eine Frau als Bewerberin aufbieten zu wollen. Doch wenn es so kommt, dürfte sie aus Niedersachsen nun weniger Stimmen bekommen können als möglich gewesen wäre.

Fraktionen verweigern Kooperation mit AfD

Frank-Walter Steinmeier. | Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler

Wie konnte es zu der Panne kommen? Der Grund liegt im etwas umständlichen Wahl- und Auszählverfahren, das diesmal nötig wurde. Früher, als es noch eine aus allen Kräften des Hauses gemeinsam erarbeitete Vorschlagsliste gab, war die Sache relativ einfach: Dort standen dann Namen der Anzahl von Personen, die vom Landtag Niedersachsen in die Bundesversammlung entsandt werden dürfen – rein rechnerisch sind es in diesem Jahr 73. Nun weigerten sich diesmal aber SPD und CDU, Grüne und FDP, im Vorfeld mit Politikern der ehemaligen AfD-Fraktion zu kooperieren und sich abzustimmen. Dies hätte nämlich am Ende bedeutet, dass die Abgeordneten der anderen Fraktionen auch Bundesversammlungs-Bewerber der AfD hätten wählen müssen – und das ist in vielen politischen Kreisen ein Tabu.

Folglich wurden sechs Namenslisten als Wahlvorschläge eingereicht, jeweils von den vier Fraktionen und jeweils von den sechs AfD-Abgeordneten (Vorschlag Wichmann) und den drei Abgeordneten, die sich von den anderen AfD-Abgeordneten getrennt hatten (Vorschlag Guth). Jeder Landtagsabgeordnete durfte eine Stimme abgeben, also eine der sechs Listen ankreuzen. Im Ergebnis wurden dann die Stimmen nach dem Höchstzählverfahren d’Hondt verteilt, und schon vor der Wahl kursierten Listen, welche Partei wie viele Vertreter stellen würde, sollte jeder der anwesenden Abgeordneten die Liste seiner eigenen Fraktion oder Gruppierung unterstützen. Da während der Abstimmung nach den Angaben vom Morgen des Tages vermutlich fünf Abgeordnete fehlen würden, darunter wahrscheinlich zwei von der CDU, einer von der SPD und zwei von der AfD, hatte die CDU für sich selbst mit 27 Mandaten gerechnet. Die SPD ging von 30 Sitzen aus, die Grünen und die FDP von je sechs, der Vorschlag Wichmann von drei und der Vorschlag Guth von einem Sitz.

CDU bekommt fünf Stimmen weniger als sie Sitze hat

Das Ergebnis wich von den Erwartungen dann doch ab. 53 Stimmen wurden für die SPD-Liste abgegeben, das entspricht den Stimmen der SPD-Abgeordneten, sofern wie vermutet eine Person fehlt. Für die CDU-Liste wurden 45 Stimmen abgegeben – das sind fünf weniger als die Partei Sitze im Landtag hat. Bei Berücksichtigung von zwei fehlenden Abgeordneten hätten es für die CDU immerhin 48 sein müssen. Die Grünen-Liste erhielt zwölf Stimmen, so viele wie Grünen-Abgeordnete im Landtag, die FDP auch zwölf, das ist eine Stimme mehr, als die FDP Mandate hat.

Für die Vorschlag Wichmann stimmten zwei Abgeordnete, bei der Maßgabe der zwei fehlenden AfD-Abgeordneten hätten es vier sein müssen, für den Vorschlag Guth vier Abgeordnete – auch das ist, wie bei der FDP, einer mehr als diese Gruppierung im Landtag hat. Da der Vorschlag Guth aber nur einen Bewerber aufgestellt hatte, ging der Anspruch auf den zweiten Sitz nach d’Hondt auf die stärkste Fraktion über, also auf die SPD. Damit ist nun ein Kuriosum das Resultat: die SPD bekommt 31 Sitze, einen mehr als zunächst geplant, die CDU statt 27 nur 26. Grüne und FDP entsenden je sieben Vertreter, obwohl sie jeweils nur mit sechs gerechnet hätten, der Vorschlag Wichmann stellt statt drei Mitgliedern der Bundesversammlung nur einen, der Vorschlag Guth auch nur einen. 

Vor allem für die CDU ist dieser Vorgang mehr als nur eine peinliche Panne – es handelt sich um ein großes Ärgernis in einer Zeit seit September, in der die Christdemokraten nicht gerade mit angenehmen Erlebnissen überschüttet wurden.