„Fossile Sackgasse“: BUND warnt vor Fehlanreizen in der deutschen Energiepolitik

Im Bundestagswahlkampf spielt die Klimapolitik bislang keine große Rolle. Mit der Neuauflage des „Klimastreiks“ an diesem Freitag versuchen verschiedene Klima- und Umweltschutzorganisationen nun jedoch, an diesem Aufmerksamkeitsdefizit etwas zu ändern. So auch der BUND Niedersachsen, der im Vorfeld des Protesttages seine klima- und energiepolitischen Erwartungen an die nächste Bundes-, aber auch an die amtierende Landesregierung formuliert hat. „Klimaschutz und der Umstieg auf erneuerbare Energien sichern eine lebenswerte Zukunft, machen unabhängig von fossilen Importen und sind ein entscheidender Motor für die deutsche Wirtschaft“, erklärte die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner am Donnerstag gegenüber Journalisten. Die im niedersächsischen Klimagesetz festgeschriebene Zielmarke, 2040 klimaneutral zu sein, wird seitens des Umweltverbands zwar gelobt. Die ambitionierte Vorgabe ließe allerdings umso deutlicher „einige gravierende Entwicklungen“ ins Auge fallen. Gerstner fürchtet, dass sich Land und Bund in eine „fossile Sackgasse“ hineinbegeben. Anzeichen dafür sieht sie beispielsweise im „überdimensionierten Ausbau“ der LNG-Infrastruktur sowie in der Genehmigung von Erdgasbohrungen in der Nordsee vor Borkum. Beides habe einen zeitlichen Horizont, der über das Jahr 2040 hinausreiche, wodurch allein schon der Widerspruch zu den eigenen Klimazielen deutlich werde. Zudem sei der Bedarf nach Gas-Importen längst nicht so groß wie angenommen. Eine Gasmangellage gebe es nicht, so Gerstner. Die Auslastung der bereits bestehenden LNG-Terminals liege zwischen acht Prozent auf Rügen und 60 Prozent in Wilhelmshaven. Sorgen bereitet der BUND-Landeschefin auch die neue Abhängigkeit, in die man sich mit dem Fokus auf Flüssiggas-Importe begebe. Gut 80 Prozent des Gases stammen schließlich aus den USA, wo das Gas nicht nur durch die umstrittene Fracking-Technologie gefördert wurde. Mit Donald Trump sei dort nun auch noch ein unberechenbarer Präsident an die Macht gekommen, der über völkerrechtswidrige Annexionen nachdenke und mit Zöllen Politik mache. „Diese Abhängigkeit kann nicht gewünscht sein. Nach der Bundestagswahl muss die Planung überprüft und korrigiert werden“, sagte Gerstner.

Fehlanreize befürchtet die BUND-Landesvorsitzende außerdem wegen einer unklaren Kommunikation. Die politische Debatte über das Gebäudeenergiegesetz und weitere Maßnahmen habe zum Beispiel dafür gesorgt, dass verstärkt Gasheizungen statt Wärmepumpen gekauft worden seien. Sogar Industrie und Handwerk würden der Politik deshalb vorwerfen, mit einer uneindeutigen Kommunikation dem eigentlichen Ziel zu schaden, sagte Gerstner. Ähnlich verhalte es sich mit der Debatte um technologische Lösungen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Mit Beispielen wie E-Fuels, Mini-Reaktoren oder „Carbon Capture and Storage“ (CCS) werde der Eindruck erweckt, ein „Weiter so“ sei möglich. Hinter dem Schlagwort der Technologieoffenheit verbirgt sich aus BUND-Sicht vielmehr der Wunsch, gar nicht wirklich an einer Verringerung der eigenen Emissionen arbeiten zu müssen. Gerstner erinnerte daran, dass auf Bundesebene bereits ein Gesetzentwurf vorbereitet worden war, mit dem die CCS-Technologie zugelassen werden sollte. Dabei geht es darum, CO2 abzuscheiden und in unterirdischen Deponien am Meeresgrund zu lagern. Dieser Gesetzentwurf fällt zwar der Diskontinuität zum Opfer und wird nicht automatisch in der neuen Legislatur weiterberaten, er könnte aber von einer neuen Bundesregierung inhaltlich aufgegriffen werden. Die bisherige Idee sieht vor, dass alle CO2-Emittenten das Recht haben sollen, an das CCS-System angeschlossen zu werden – unabhängig davon, ob die Emissionen vermeidbar gewesen wären. Der BUND kritisiert mehrere Aspekte daran: Zum einen werde daraus ein Geschäftsmodell für Dritte gemacht, während die Kosten von der öffentlichen Hand getragen würden. Zudem handle es sich bei den Deponien am Meeresgrund um massive Eingriffe in die Natur. Und nicht zuletzt glaubt man, dass der Anreiz zur Minderung von Treibhausgasen dadurch abgeschwächt würde. Gerstner erinnert zudem an eine Stellungnahme des Weltklimarates, der darauf hingewiesen hat, dass lediglich zwei Prozent der globalen Emissionen tatsächlich im Untergrund verpresst werden könnten.
Mehr Engagement wünscht sich der BUND von Bund und Land derweil beim natürlichen Klimaschutz. Naturnahe Moore, Wälder und Küstenstreifen könnten nicht nur Kohlenstoff einspeichern, sondern auch bei der Klimafolgenanpassung und zusätzlich gegen das Artensterben helfen. Gerstner fordert, die 3,5 Milliarden Euro aus dem „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ (AKN) deutlich aufzustocken. Außerdem müssten die Förderprogramme dahingehend erweitert werden, dass auch die Veränderung der Landnutzung unterstützt wird. „Wir brauchen nicht nur mehr Wasser in der Fläche, sondern auch Wertschöpfung und eine Perspektive für die Wirtschaft“, sagte Gerstner. Die niedersächsische Landesregierung verfolge bei der Wiedervernässung der Moorflächen bereits das richtige Ziel, sei aber noch deutlich zu langsam, urteilte die BUND-Chefin. Zwar gebe es seit dem vergangenen Jahr eine Potenzialstudie, aber es fehlten noch die Schlussfolgerungen: Prioritäten, Maßnahmen und Mittel. Man dürfe nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, sonst verspiele man die Akzeptanz vor Ort.
Dieser Artikel erschien am 14.02.2025 in der Ausgabe #030.
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