Die Kulturmanagerin Iyabo Kaczmarek (45) will neue Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Hannover werden – und das ohne eine Partei oder eine mächtige und personalstarke Organisation im Hintergrund. Ist das ein aussichtsloses Unterfangen, eine Traumtänzerei? Im Gespräch mit der Redaktion des Politikjournals Rundblick äußert sich Kaczmarek zu ihren Motiven.

Rundblick: Die SPD hat einen Oberbürgermeisterkandidaten, die CDU auch – und die Grünen ebenfalls. Hinzu kommen voraussichtlich noch weitere von kleinen Parteien. Wieso glauben Sie, in dieser Situation noch eine Chancen bei der Wahl zum OB Ende Oktober zu haben?

Kaczmarek: Ich habe mir schon vor längerem vorgenommen, diesen Schritt zu gehen. Ich kenne mich in der hannoverschen Kulturszene seit 20 Jahren sehr gut aus, habe viele Kontakte und weiß, wie die Kommunalpolitik funktioniert. Eigentlich hatte ich angepeilt, bei der nächsten regulären OB-Wahl im Herbst 2021 anzutreten. Nun kommt es wegen Stefan Schostok früher – so ist es eben. Und was die Chancen angeht: Seit bekannt ist, dass ich antreten will, bekomme ich Zuspruch von ganz vielen Menschen. Das macht mir Mut.

Klaus Wallbaum, OB-Kandidatin Iyabo Kaczmarek und Niklas Kleinwächter. – Foto: Sina Gartz

Rundblick: Beschreiben Sie bitte kurz Ihren bisherigen Lebensweg…

Kaczmarek: Meine Mutter stammt aus Schlesien, mein Vater aus Nigeria. Ich kam vor 45 Jahren im hannoverschen Oststadtkrankenhaus auf die Welt, habe die Waldorfschule besucht und eine Ausbildung zur Tänzerin absolviert. Ich habe einen 25 Jahre alten Sohn und arbeite als Kulturmanagerin – dort habe ich sehr viel mit der Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung zu tun. Mein Anliegen ist es immer gewesen, die Kultur zu den Menschen zu bringen, also dorthin, wo sie leben und wirken. So ist mein Projekt Wohnraumatelier entstanden. Später habe ich für die Stadt Hannover die „Fete de la Musique“ organisiert. Was mich zeitlebens ausgezeichnet hat, ist ein Drang zur Gestaltung, zur Inszenierung eines Raumes.

 Viele Menschen haben im Moment große Zweifel, man merkt ihnen eine große Müdigkeit an, sobald sie ihre Heimat in bestehenden Strukturen finden sollen.

Rundblick: Aber das Kulturleben ist mit der Kommunalpolitik nicht gleichzusetzen…

Kaczmarek: Nein, sicher nicht. Doch über die vielen Netzwerke, die ich pflege, habe ich einen guten Eindruck davon bekommen, wie die Politik funktioniert. Und ich habe ein Anliegen: Hannover ist eine lebenswerte, eine großartige Stadt, es ist meine Heimatstadt. Ich arbeite sehr gern in dieser Stadt – und ich liebe die Kulturlandschaft, die hier entstanden ist. Gern möchte ich an der Spitze der Stadtverwaltung die Stadtpolitik gestalten und Zeichen setzen.

Rundblick: Als Einzelkämpferin?

Kaczmarek: Bereits jetzt habe ich ein Team von etwa zehn Leuten, die mir ihre volle Unterstützung für den Wahlkampf zugesichert haben. Da sind Graphiker dabei, Marketingexperten, Kommunikationsfachleute und auch Agenturprofis. So wie es bisher läuft, bin ich optimistisch, dass da noch mehr hinzukommen werden. Außerdem ist die Zeit selten besser gewesen für eine Kandidatin wie mich. Viele Menschen haben im Moment große Zweifel, man merkt ihnen eine große Müdigkeit an, sobald sie ihre Heimat in bestehenden Strukturen finden sollen. Die Klimadebatte und die „Fridays for future“-Bewegung haben dabei geholfen, Mut für eine Bewegung außerhalb der gängigen Formen zu fassen. Viele Menschen merken, dass wir etwas ändern müssen, wenn der Planet erhalten bleiben soll. Sie wollen anpacken und gestalten – und das will ich für Hannover auch.

Sicher haben wir zu viele Autos in der Stadt. Aber sie zu verbannen, wäre verkehrt.

Rundblick: Wollen Sie die autofreie Innenstadt, den radikalen Wandel der Verkehrspolitik?

Kaczmarek: Sicher haben wir zu viele Autos in der Stadt. Aber sie zu verbannen, wäre verkehrt. Denken wir an jene, die eben noch pendeln müssen und auf ihr Auto angewiesen sind. Mein Ansatz ist, die Stadtpolitik mehr in die Stadtteile zu verlagern – und dort die Stärken herauszuarbeiten. Das Gerede von den „Brennpunktstadtteilen“ mag ich nicht. Dort entstehen doch vor allem deshalb Probleme, weil man sich bisher nicht gut genug um die Entwicklung gekümmert hat. Wir müssen dafür sorgen, dass in den Außenbezirken gute Angebote für jedermann entstehen, etwa an Kindergärten und Kultureinrichtungen. Auch ein noch besseres Netz an öffentlichem Personen-Nahverkehr gehört dazu. Hannover hat den Vorteil der relativ kurzen Wege, wir müssen ihn in der Stadtpolitik verstärkt nutzen.

Rundblick: Welche Wählerschichten wollen Sie vor allem ansprechen?

Kaczmarek: Als ich angetreten bin, waren meine Zielgruppe die Menschen zwischen 19 und Ende 40. Inzwischen spüre ich, dass auch viele ältere mein Vorhaben mit Sympathie begleiten. Sicher sind auch viele dabei, die noch nicht sehr lange in Hannover wohnen.

 

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#support Ich bedanke mit für die Einladung zum Interview bei @rundblicknds – Politikjournal, Klaus wallbaum und Niklas Kleinwächter.

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Rundblick: Neben Jessica Kaußen von der Linken dürften Sie die einzige weibliche OB-Kandidatin sein…

Kaczmarek: Viele Grüne hätten sich wohl auch eine Frau gewünscht, aber die zu den Grünen zählenden Frauen waren nicht bereit, sich für das Amt zu bewerben. Womöglich sind die politischen Strukturen zu hierarchisch und zu spitz – womöglich schreckt das dort typische Verhalten, dem Dialog mit den Andersdenkenden über Inhalte aus dem Weg zu gehen, viele Frauen ab. Ich schrecke davor nicht zurück. Im Wahlkampf möchte ich mit einem Lastenfahrrad durch alle Stadtteile fahren und die Bürger zum Gespräch einladen. Dann möchte ich erfahren, was sich die Menschen von der Politik im Rathaus wünschen.

Rundblick: Ihre Vision von Hannover im Jahre 2030?

Kaczmarek: Dass wir dann ein stabiles und soziales Miteinander in der Stadt haben. Und natürlich: Dass es 2025 geklappt hat mit Hannover als europäischer Kulturhauptstadt.