„Kontrovers“ – so beschreiben zahlreiche Beobachter den Stand der Debatte um einen neuen Bürgersender in Hannover. Zwar wollen Stadt und Region ein nicht-kommerzielles Bürgerradio in der Landeshauptstadt unterstützen, und drei unterschiedliche Gruppen haben sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf den Weg gemacht, um eine Bewerbung zusammenzustellen. Bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) fehlt allerdings noch ein entscheidender Faktor: Geld. Der Haushalts- und Rechtsausschuss der NLM hat deshalb in einer Beschlussempfehlung vorgeschlagen, Hannover als Verbreitungsgebiet für ein Bürgerradio vorerst zu streichen.


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„Diese Entscheidung wird im Jahr 2023 überprüft“, heißt es in dem Dokument, das dem Politikjournal Rundblick vorliegt. Befürworter des neuen Senders hat die Beschlussempfehlung alarmiert, der ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Gerald Heere, stellvertretender Vorsitzender der NLM-Versammlung und Leiter des Senatorenbüros beim Bremer Senator für Finanzen, stellte einen Tag nach der Beschlussempfehlung einen Antrag, Hannover als Verbreitungsgebiet nicht zu streichen. Das führte zu einer Diskussion um Formalia und die Zulässigkeit von Anträgen und Entscheidungsmöglichkeiten im Umlaufverfahren.

Mehr Aufgaben, aber weniger Geld

Im Kern geht es allerdings um die finanzielle Ausstattung der Medienanstalt. Bei der NLM verweist man auf die hohen Kosten, die mit einem neuen Bürgersender in Hannover verbunden wären, denn die künftige Kassenlage der NLM ist ungewiss. Über 90 Prozent der NLM-Einnahmen kommen aus dem Rundfunkbeitrag, aber nach der Verfassungsklage ist unklar, ob es zu einer Beitragserhöhung kommen wird. Und ebenfalls unsicher ist, ob es pandemiebedingte Einnahmeausfälle geben wird, zum Beispiel durch eine größere Zahl von Befreiungen vom Rundfunkbeitrag. Ein kleiner Teil des Haushalts für das kommende Jahr steht deshalb auf unsicheren Füßen

Gleichzeitig sind die Aufgaben der Medienanstalt gewachsen, der Fokus richtet sich vom klassischen Fernsehen und Radio immer stärker in Richtung Internet. Im Haushalts- und Rechtsausschuss sieht man das Projekt Bürgersender in Hannover deshalb aufgrund der Kassenlage skeptisch. Würde man auf einen Bürgersender in der Landeshauptstadt verzichten, könnte man den Haushalt der Anstalt dauerhaft um 325.000 Euro im Jahr entlasten, heißt es in der Beschlussempfehlung. Hinzu kämen Investitionskostenzuschüsse für einen neuen Sender von bis zu 175.000 Euro. Und auch, wenn es nur eine kleinere Summe ist, so entstehen der NLM sogar derzeit Kosten in Hannover, obwohl es gerade gar keinen Bürgersender im UKW-Netz gibt. Für die Sender- und Antenneninfrastruktur, die nach wie vor bereitgestellt wird, fallen pro Jahr etwas mehr als 10.000 Euro an. Die Kosten dafür könnten sogar höher sein, wenn nicht die Sender Radio 21 und Klassik Radio die Antennenanlage mitnutzten und dafür bezahlten.

Bei der NLM will man den aktuellen Kurs nicht als generelles Nein zu einem Bürgerradio in Hannover verstanden wissen, deshalb solle ja auch mit der Überprüfung im Jahr 2023 eine Option offengehalten werden. Derzeit aber hält man die Haushaltssituation der Anstalt für zu unsicher. Eine endgültige Entscheidung dürfte noch etwas auf sich warten lassen. Aufgrund der kontroversen Debatte will man das Thema nicht um Corona-bedingten Umlaufverfahren behandeln, sondern auf eine Präsenzsitzung der NLM-Versammlung warten. Diese könnte Mitte Juli stattfinden, wenn die Corona-Lage es zulässt. Die nächste Möglichkeit gäbe es dann erst wieder Ende September.