Soll der Staat neue Schulden aufnehmen, damit bei einer wachsenden Inflation die besonders belasteten Bürger mit Zuwendungen bedacht werden können? Noch am Mittwochvormittag hatte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Landtag erklärt, die Republik befinde sich in einer „Notlage“. Ein solcher Zustand rechtfertigt laut Grundgesetz die Aufnahme von Krediten außerhalb der Schuldenbremse, weil damit dann die Notlage abgemildert werden kann.

Wenn Weils Aussage den Sinn hatte, die Ampel-Koalition in Berlin zur Einigung auf ein finanzielles Hilfspaket für Bedürftige zu bewegen, dann sind die Erfolgsaussichten offensichtlich nicht hervorragend: „Die Schuldenbremse ist nicht nur ein Gebot der Verfassung, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwochabend als Gast auf dem Sommerempfang des niedersächsischen CDU-Wirtschaftsrates.

Christian Lindner zu Gast beim Wirtschaftsrat der CDU e.V. | Foto: Wallbaum

Schon im vergangenen Jahr war Lindner Gast beim Wirtschaftsrat, damals noch vor der Bundestagswahl. Jetzt kam er wieder – und hielt ein flammendes Plädoyer für mehr Sparsamkeit des Staates. „Immer neue Schulden? Das kann sich die Bundesrepublik nicht leisten“, sagte der Bundesminister. Wer jetzt den Ausweg in weiteren Schulden sehe, löse damit nur eines aus – in wenigen Jahren müssten dann Steuern erhöht werden, damit der Staat die Zinszahlungen leisten kann.

Das Problem sei jetzt umso drastischer, da die Zeit der Niedrig-Zinsen inzwischen vorbei sei. „Im Jahr 2021 habe ich im Bundeshaushalt vier Milliarden Euro für Zinszahlungen eingeplant, 2023 werden es wegen der steigenden Zinssätze 30 Milliarden Euro sein.“ Neue Schulden und später höhere Steuern – „das ist dann eine Kombination, in der sich Staat und Wirtschaft strangulieren“, sagte der FDP-Chef.

In diesem Zusammenhang rief Lindner dazu auf, die „Milliardensubventionen schnellstmöglich auslaufen zu lassen“. Was genau er damit meint, erwähnte der Bundesminister nur mit einem Beispiel: Die Subventionen für E-Autos seien sinnlos, da diese Wagen tatsächlich schon sehr begehrt seien und die Produktion gar nicht hinterherkomme.

Die Prämie für neue E-Autos mit bis zu 20.000 Euro je Auto dürfe es „in Zeiten der Inflation nicht mehr geben“, da dies den Nachfragedruck bei begrenztem Angebot noch erhöhe. Dann fügte Lindner noch hinzu, dass aus seiner Sicht weitere Schritte hinzukommen müssten. So sollten die Flüchtlinge aus der Ukraine sofort nach Erlangung ihres Aufenthaltsstatus auch eine Arbeitsgenehmigung erhalten.

„Wenn man mit SPD und Grünen regiert, liegt die Idee der Steuererhöhung jeden Tag auf dem Tisch.“

Bei seinem Auftritt in Hannover zeigte sich Lindner, der seit wenigen Monaten einer der führenden Politiker der Ampel-Regierung ist, ausgesprochen kritisch gegenüber seinen derzeitigen Regierungspartnern: „Wenn man mit SPD und Grünen regiert, liegt die Idee der Steuererhöhung jeden Tag auf dem Tisch.“ Solle es jetzt zu Steuererhöhungen kommen, „so wäre das Sabotage am Aufschwung“, hob Lindner hervor.

Was das Verhältnis von FDP und CDU angehe, so sehe er „gemeinsame Überzeugungen, für die es nicht immer auch gemeinsame politische Mehrheiten“ gebe. Er sehe eine „gedankliche Verwandtschaftsbeziehung“ zwischen den Christ- und den Freidemokraten. Beide Parteien seien sich einig in der Haltung, jetzt alle Kraft zur Bekämpfung der Inflation einzusetzen. Der hochgetriebene Preis in der Inflation zeige nicht mehr das Verhältnis von Nachfrage und Angebot an, er verliere seine Lenkungsfunktion. Eine große Verantwortung für die Geldwertstabilität habe die Europäische Zentralbank, dies sei ihr zentrales Mandat – und sie solle aufhören, mit „grünen Bonds“ oder ähnlichen Schritten Klimapolitik zu schöpfen.


Lindner für E-Fuel: Der FDP-Chef setzt sich dafür ein, dass es auch nach 2037 noch Verbrennungsmotoren gibt – indem diese mit synthetischen Kraftstoffen (sogenannte E-Fuels) betrieben werden. „Wir brauchen eine Technologieoffenheit, damit dann auf den Straßen nicht nur die alten Wagen fahren, sondern auch modernere Fahrzeuge.“