Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz will die kommunale Kriminalprävention künftig besser verzahnen. Dafür sollen einzelne Projekte in den Städten und Gemeinden enger aufeinander abgestimmt werden. Der Landespräventionsrat arbeitet derzeit an einer Bestandaufnahme, die im kommenden Frühjahr vorliegen soll. In dem Papier werden die angebotenen Projekte, ihre Wirksamkeit und ihre Probleme dargestellt. Auf dieser Grundlage will der Landespräventionsrat mit dem Justizministerium eine Strategie erarbeiten. Die Ministerin plädiert zudem dafür, mehr Daten über die Hintergründe von jungen Straftätern zu sammeln. Für die Umsetzung in der Praxis hat sich Niewisch-Lennartz vom US-Bundesstaat Pennsylvania und dessen Präventionsstrategie inspirieren lassen.

Lesen Sie auch:

 

In Niedersachsen gibt es 25 Kommunen, die das sogenannte CTC-Programm nutzen. Die Abkürzung steht für „Communitys that care“ (Kommunen, die sich kümmern) und stammt ebenfalls aus den USA. Die Idee ist, die allgemeinen Bedingungen für Kinder und Jugendliche zu verbessern, sodass sie weniger häufig kriminell werden. Wesentliche Teile des Programms sind eine enge Zusammenarbeit zwischen den wichtigsten Akteuren wie Politik, Schule, Sozialbehörden und Polizei sowie eine großangelegte Schülerbefragung. Die Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren beantworten alle zwei Jahre einen Onlinetest, bei dem sie etwa nach Erfahrungen mit Drogen oder Gewalt gefragt werden. 2013 ist das Programm gestartet worden, derzeit läuft die dritte Befragungsrunde. „Es geht darum, die Risiko- und die Schutzfaktoren im Umfeld der Jugendlichen zu ermitteln“, erklärt Erich Marks, Geschäftsführer des Landespräventionsrats. Auf deren Grundlage werden anschließend nachweislich erfolgreiche Präventionsprojekte gestartet.

Doch aus Sicht des Präventionsrats und der Ministerin reichen 25 Kommunen mit dem CTC-Programm nicht aus. Denn in der Fläche ist das Präventionsangebot weiterhin sehr zerfasert und unkoordiniert. „Mal macht die Kita A ein Sozialkompetenzprogramm für ihre Kinder, die Schule B lädt sich einen Drogenberater ein und ein örtlicher Verein C organisiert ein Mitternachtsfußballturnier für Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Alles gut gemeinte Projekte, doch nicht aufeinander abgestimmt und damit weniger wirksam“, sagt Marks. In Pennsylvania wird das Problem umgangen, indem der Staat Justiz und Prävention in einer Behörde zusammenfasst. „Jugendrichter, Bewährungshilfe, Jugendgerichtshilfe – alles, was bei uns eigenständig arbeitet, ist in Pennsylvania institutionalisiert“, sagt Niewisch-Lennartz. Das mache einen erheblichen Teil der Effektivität der Prävention aus. Daher will sie prüfen lassen, inwieweit sich eine Institutionalisierung auch auf Niedersachsen übertragen lassen kann.  Zudem sollen mithilfe des vom Landespräventionsrat erstellten Gutachtens einzelne Präventionsmaßnahmen aufeinander abgestimmt werden.

Um allerdings ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, in welchen Regionen Niedersachsens welche Risiken besonders hoch sind, braucht es nach Ansicht von Ministerin Niewisch-Lennartz verfeinerte Datensätze. „Bisher haben wir die repräsentative Schülerbefragung und die Dunkelfeldanalyse des Landeskriminalamts“, sagt die Ministerin. Aber in Pennsylvania habe sie erlebt, wie viel passgenauer Prävention durch mehr Daten werden könne. „In den USA werden unglaublich viele Daten gesammelt und teils fragwürdige Risikogruppen erstellt“, sagt sie. Etwa, dass Kinder von unverheirateten Müttern eher kriminell werden als Kinder mit zwei Elternteilen. Das solle es in Niedersachsen nicht geben. „Wenn Kinder straffällig werden, soll aber deren Hintergrund detailreicher untersucht werden, um Risiken erkennen zu können.“ Etwa, ob sie häufig die Schule geschwänzt haben. „Wir wissen etwa, dass Schulverweigerung oft die Vorstufe zu echter Kriminalität ist“, sagt Marks.