Im vergangenen Jahr haben die beiden großen Kirchen in Deutschland erneut viele Mitglieder verloren. Wie die jährlichen Kirchenmitgliederstatistiken der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zeigen, leben noch knapp 22,1 Millionen Katholiken und 20,2 Millionen Protestanten in der Bundesrepublik. Die Zahl der aktiven Austritte ist im vergangenen Jahr allerdings in beiden Kirchen um knapp 18 Prozent zurückgegangen, 220.000 Menschen verließen die evangelische und 221.000 die katholische Kirche.

Knapp 55.000 Menschen hat die größte Gliedkirche der EKD 2020 verloren – Foto: Leo Malsam

Diese Zahlen spiegeln sich auch in den niedersächsischen Kirchen wider. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ist im vergangenen Jahr erneut um zwei Prozent geschrumpft. Knapp 55.000 Menschen hat die größte Gliedkirche der EKD 2020 verloren, ihr gehören demnach noch etwas mehr als 2,4 Millionen Menschen an. Die kleinere Landeskirche Braunschweig zählt noch etwas mehr als 311.000 Mitglieder, die Kirche in Oldenburg knapp 390.000, die evangelischen Kirche Schaumburg-Lippe knapp 48.000 und 165.000 Menschen gehören der Reformierten Kirche an. Im Bistum Hildesheim leben noch 569.785 Katholiken, das sind 11.675 weniger als im Vorjahr. Rund 540.000 Mitglieder zählt das Bistum Osnabrück, ein Rückgang um 7000 Gläubige.

Zahl der Austritte ging zurück

Insgesamt seien die kirchlichen Statistiken in diesem Jahr stark durch Corona beeinflusst, erläuterte Stephanie Springer, Präsidentin des hannoverschen Landeskirchenamtes, gestern bei der Vorstellung der Mitgliederzahlen. Die Anzahl der Sterbefälle ist zwar nahezu identisch geblieben. Die Zahl der Kircheneintritte ist allerdings um 33 Prozent eingebrochen, und auch bei den Austritten verzeichnet die Landeskirche Hannovers einen Rückgang um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Haben sich 2019 noch über 30.000 Menschen dazu entschlossen, der Kirche aktiv den Rücken zu kehren, waren es 2020 nur noch 26.500.

Kirchenamtspräsidentin Stephanie Springer (3.v.l.) warnt vor falscher Entspannung wegen der gesunkenen Austrittszahlen. – Foto: nkw

Springer verwies allerdings darauf, dass dies auch darauf zurückgeführt werden könnte, dass die Standesämter und Verwaltungen im vergangenen Jahr nur eingeschränkt erreichbar gewesen seien. „Mit der Marge von zwei Prozent weniger Mitgliedern pro Jahr rechnen wir seit der Freiburger Prognose, die Zahlen überraschen uns also nicht“, sagte die Kirchenamtspräsidentin. „Der Rückgang bei den Austritten ist deshalb kein Grund zur Entspannung.“

Wegen Corona: Weniger Taufen und Trauungen

Ganz erhebliche Rückgänge hat die Landeskirche bei den sogenannten Kasualien zu verbuchen. So wurden im vergangenen Jahr knapp 5.000 Jugendliche weniger konfirmiert, was im Wesentlichen auf mehrfach aufgeschobene Konfirmationsfeiern zurückzuführen sei. Bei den Taufen gab es einen Rückgang um 48 Prozent, was in absoluten Zahlen mehr als 9700 Menschen entspricht, die 2020 weniger getauft wurden als noch 2019. In relativen Zahlen ist allerdings der Rückgang bei den Trauungen besonders groß: Im Corona-Jahr 2020 hat es in der Landeskirche 82 Prozent weniger Trauungen gegeben als noch 2019, gerade einmal 922 kirchliche Hochzeiten konnten gefeiert werden.

„Gerade Trauungen wurden häufig ins nächste Jahr verschoben, weil man diese gerne im großen Kreis der Familie feiern wollte“, berichtet die evangelische Kirchenamtspräsidentin Springer. Derzeit sind die Kirchengemeinden damit beschäftigt, die ausgefallenen Feiern nachzuholen. Bei einem Angebot für Tauffeste will die Landeskirche die Ortsgemeinden nun gezielt unterstützen, etwa durch finanzielle Hilfen aber vor allem bei der Entwicklung kreativer Formate oder direkter Anschreiben an Familien mit Kindern im Taufalter.

Im katholischen Bistum Hildesheim sah es ganz ähnlich aus. 2019 hatte es dort noch 3114 Taufen gegeben, 2020 aber nur noch 1729. Nur 158 Paare konnten im vergangenen Jahr getraut werden, im vorherigen Jahr waren es noch 603 mehr. 1393 junge Menschen konnten gefirmt werden, ein Rückgang um 892 Firmlinge. Bei der Erstkommunion gab es einen Rückgang um 766 Kinder auf 2802. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr möglichst viele verschobene sakramentale Feiern nachholen können“, erklärte Bischof Heiner Wilmer gestern.

Kirche sieht auch positive Corona-Effekte

Die Kirchen blicken allerdings auch zuversichtlich auf die Corona-Effekte. Ralph Charbonnier, Theologischer Vizepräsident des evangelischen Landeskirchenamtes in Hannover, lobte ausdrücklich die neuen Gottesdienstformate, die vielen digitalen Angebote und die Rückbesinnung auf das soziale Miteinander. „Ich hoffe, dass davon vieles bleibt“, sagte er gestern in Hannover und kündigte an, dass die Landeskirche ab dem kommenden Jahr ein ganz neues Format für sonntägliche Gottesdienst-Streams auf Youtube anbieten wird.