Ein wenig im Schatten der Alltagspolitik agiert im Landtag eine neue Kommission, die erst im vergangenen Jahr eingerichtet wurde. In ihr geht es um die „Stärkung des Ehrenamtes“, eine altbekannte Forderung. Doch das Projekt hat es in sich. Egal, ob es um die Mitarbeiter in den Räten und Kreistagen geht, die bei der Kommunalwahl am 12. September kandidieren, oder auch um Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter – sie alle leiden seit geraumer Zeit unter dem rauer gewordenen Klima in Deutschland. Hilfskräfte spüren bei ihren Einsätzen, wie sie angefeindet oder an ihrer Arbeit gehindert werden. Kommunalpolitiker werden beschimpft und bedroht, und Kandidaten für das Amt eines Bürgermeisters oder Landrats finden sich zwar noch genügend. Aber sind es immer die, die man dort eigentlich sehen will?

Muss die Adresse von Kommunalwahl-Kandidaten auf dem Wahlzettel stehen? Foto: GettyImages/no-limit_picture

Die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Tiemann aus Stade, die diese Kommission leitet, hat nun in einem Zwischenbericht auf viele Diskussionsfragen hingewiesen – und sie hat mehrere heikle Fragen aufgeworfen. Hier einige davon:

Sollen die Adressen von Kommunalwahlkandidaten geheim bleiben?

In verschiedenen Runden im Landtag ist darüber gesprochen worden, ob man die Privatadressen von Kandidaten für Orts-, Stadträte und Kreistage womöglich geheim halten kann – sofern die Betroffenen das verlangen. Bisher werden diese Angaben in den amtlichen Bekanntmachungen der Kommune genannt, erscheinen also als Anzeige in der Lokalzeitung oder im Aushang im Rathaus. Häufig werden die Adressen auch in den Wahlprospekten erwähnt, sogar auf Wahlzetteln können sie auftauchen. Viele Jahre lang war das selbstverständlich, da der Wohnort des Bewerbers ein wichtiges Argument bei der Wahlentscheidung sein kann – getreu dem Motto: Wenn derjenige in meinem Wohngebiet oder in meiner Straße wohnt, kann er die Bedürfnisse meines Wohnumfeldes bei kommunalpolitischen Entscheidungen am besten berücksichtigen. Oder aber: Er ist für mich dann besonders schnell zu erreichen, wenn ich ein Anliegen an den Rat herantragen will.

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Nun berichten Bewerber und vor allem Bewerberinnen von Stalkern, die Kandidaten verfolgen, ausspähen oder beschimpfen. Das kann aus politischen oder anderen Gründen geschehen. In der CDU etwa wurde das Thema heftig diskutiert, überliefert ist ein Hinweis des Emsländers Bernd Busemann aus Dörpen. Er erklärte, dass die Straßennennung bei ihm ganz wichtig sei – denn es gebe einen Mitbewerber gleichen Namens im Ort, nur der genaue Wohnort könne ein Unterscheidungsmerkmal für die Wähler sein.

Soll der Sitzungsmodus geändert werden?

Tiemann erklärte, dass man 2016 noch 60.000 Bewerber für kommunale Mandate in Niedersachsen hatte – 20 Jahre zuvor seien es immerhin 77.000 gewesen. Von den 60.000 seien nur rund 11.000 Frauen. Zunehmend fehlten junge Leute, die Kinder betreuen oder eine Familie gründen, aber auch solche, die gefordert sind zur Pflege ihrer Angehörigen. Damit man es ihnen erleichtert, ein Mandat anzustreben, könnten neue Möglichkeiten erprobt werden – beispielsweise die Festlegung eines garantierten Schlusstermins für abendliche Gremien- oder Parteisitzungen. Auch das durch die Corona-Krise begünstigte Angebot von Online-Konferenzen müsse dauerhaft stabilisiert werden. Vereinbar könnten Familienpflichten und Ehrenamt werden, wenn man bei Sitzungsterminen und -zeiten eine starke Verlässlichkeit einführe. Das fordere allen Beteiligten eine hohe Disziplin ab.

Was kann ein Bonus für junge Leute sein?

Überlegt wird, wie man das Interesse von jungen Leuten, beispielsweise Studenten, für die Kommunalpolitik wecken kann. Ein Weg wäre, ihnen die Zweitwohnungssteuer zu erlassen, wenn sie in ihrem Heimatort ehrenamtlich tätig werden und daneben in einer größeren Stadt studieren. Sie müssten dann ihren früheren Wohnsitz nicht aufgeben. Auch die garantierte Fortsetzung der Bafögs für den Fall, dass ehrenamtliche Arbeit zur Überschreitung der Regelstudienzeiten führt, könne ein Weg sein.

Soll man eine Mandatsausübung auch unterbrechen können?

Die Kommission zur Stärkung des Ehrenamtes hat auch darüber diskutiert, ob Kommunalpolitiker die Chance haben sollen, ihr Mandat vorübergehend auch aussetzen zu können. Üblicherweise werden sie für die fünfjährige Periode des Rates oder Kreistages gewählt. Gerade junge Menschen, die noch in der Ausbildung sind oder vor der Berufswahl stehen, starten ihre ehrenamtliche Arbeit nicht selten in einer Phase, in der sich noch viele Veränderungen ergeben. Wenn sie dann den Wohnort für ein Studium oder eine Lehre wechseln, wenn sie wegen beruflicher Verpflichtungen oder wegen der Kindererziehung eine Pause einlegen wollen, legen viele Betroffene ihr Mandat nieder – und gehen damit für die Kommunalpolitik verloren.

Das wäre nicht so, wenn sie das Mandat zeitweise aussetzen könnten und für diese Zeit befristet ein Nachrücker an ihre Stelle träte. Wie Tiemann erklärte, sehen einige Bundesländer eine solche Möglichkeit vor, in Niedersachsen aber sei das nicht so. „Wenn man das machen wollte, müsste man zuvor die verfassungsrechtlichen Grundlagen verändern“, betonte die Politikerin. (kw)