Die drei Kommunalverbände fordern als Konsequenz aus der gegenwärtigen Krise drastische Änderungen der politischen Schwerpunktsetzung in der Landespolitik. Am Dienstag haben der Niedersächsische Städtetag (NST), der Niedersächsische Landkreistag (NLT) und der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Darin fordern sie unter anderem, eine von derzeit vier auf drei Jahre verkürzte und zudem dual ausgestaltete Ausbildung für Erzieher schnellstmöglich einzuführen. „Personal fehlt an allen Ecken und Enden, es besteht hier dringender Handlungsbedarf“, heißt es in dem Papier.

Die Spitzen von Städtetag, Städte- und Gemeindebund sowie Landkreistag stellen ihre Forderungen in Hannover vor. | Foto: Wallbaum

NSGB-Präsident Marco Trips fügte hinzu, es müssten bisherige Standards aufgehoben werden. So könne die versprochene schrittweise Einführung einer dritten qualifizierten Betreuungskraft in den Kindergartengruppen nicht umgesetzt werden – „schlicht deshalb, weil uns die Leute fehlen“. Das Mitte 2021 beschlossene Kindergartengesetz sieht derzeit vor, dass von August 2023 an 2000 Auszubildende verstärkt in den Kindergärten eingesetzt werden. Außerdem sollen von August 2027 an 2000 neue Betreuungskräfte für Gruppen mit mindestens 19 Kindern eingesetzt werden – das würde, wie geschätzt wird, für jede zweite Gruppe reichen. Trips und der Präsident des NST, Frank Klingebiel, meinen nun aber: „Dieser Plan ist nicht umzusetzen, da es nicht genügend Fachkräfte gibt“.

„An eine dritte Betreuungskraft müssen nicht die Anforderungen gestellt werden, die für die erste und zweite Kraft gelten.“

Marco Trips, NSGB-Präsident

Die Kommunen werben seit langem für ein Modell der dualen Ausbildung, bei dem zum einen die neuen Fachkräfte eine Ausbildungsvergütung erhalten, zum anderen der Praxis-Anteil wächst. Nach Vorstellungen der drei Kommunalverbände muss dann eine dreijährige Ausbildung genügen. „An eine dritte Betreuungskraft müssen nicht die Anforderungen gestellt werden, die für die erste und zweite Kraft gelten“, meint Trips. Damit begeben sich die Kommunen in Widerspruch etwa zur Gewerkschaft Verdi, die vehement für ein Festhalten an der vierjährigen Ausbildung wirbt und zur Unterstützung auch die Gründung einer Landesausbildungsgesellschaft befürwortet.

Trips vom NSGB hält eine andere Lösung für sinnvoll. Er geht noch einen Schritt weiter und stellt auch die Entscheidung des Bundes in Frage, den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern schrittweise von 2026 an einzuführen. „In solchen Krisenzeiten müssen Standards, auf die man sich in besseren Zeiten festgelegt hat, auch in Frage gestellt werden können“, meint der NSGB-Präsident. In diesem Zusammenhang rate er auch, bei Zuschüssen nicht ausdifferenzierte und an viele Einzelbedingungen geknüpfte Sonderprogramme aufzuerlegen, sondern dauerhafte verlässliche Finanzzuweisungen an die Kommunen zu leisten.



Die Kommunalverbände stellen noch weitere Forderungen im Vorfeld der Landtagswahl am kommenden Sonntag auf:

Kliniken und Stadtwerke sichern: Der Bund sei in der Pflicht, die DRG-Finanzierung der Leistungen in den Krankenhäusern anzupassen. Viele Kliniken, gerade größere, könnten mit ihrem Etat für Energie nicht mehr auskommen. „Bisher hatte die Ampel-Koalition in Berlin diesen Teil nicht einmal in der Vorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz“ beklagt Sven Ambrosy, Präsident des NLT. 85 Prozent der niedersächsischen Krankenhäuser hätten schon massive Probleme. Was die Fortführung der schon gestarteten Baumaßnahmen angeht, hat das Land 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt, für den laufenden Betrieb aber seien der Bund und die Krankenkassen zuständig. Klingebiel vom NST ergänzt, auch die Stadtwerke bräuchten dringend einen Schutzschirm. Falls der Bund das nicht leiste, müsse das Land schnell helfen – über Liquiditätshilfen oder Bürgschaften. Es gehe um einen dreistelligen Millionenbetrag, der im Nachtragsetat des Landes nötig werde, falls das Land sich nicht vorher schon zu Bürgschaften bereiterkläre. Vorübergehend könnten Stadtwerke von ihren Kommunen über Kredite gestützt werden, doch die Kommunen erwarteten vom Land oder auch vom Bund, dafür mittelfristig entlastet zu werden.


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Flüchtlingswelle: Im Vorfeld eines großen Gipfeltreffens zwischen den Kommunen und dem Innenministerium am 13. Oktober, also vier Tage nach der Landtagswahl, pochen die Kommunen auf mehr Platz in Erstaufnahmelagern des Landes. „Das würde den Kommunen dann Luft verschaffen, bevor sie im zweiten Schritt die Menschen aufnehmen“, sagt Ambrosy. Er erinnert an die Situation in der Flüchtlingskrise 2015, als das Land 20.000 Plätze in seinen Aufnahmestellen geschaffen habe. Von dieser Größenordnung sei das Land jetzt weit entfernt.