Zum Beginn des neuen Schuljahres appelliert Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) eindringlich an alle Erwachsenen, die Schulkinder nicht durch eine Angst-Debatte zu verunsichern. Die Schule sei ein besonders sicherer Ort, versicherte der Minister gestern in Hannover vor Journalisten. Er rief dazu auf, mit Mut, Zuversicht und Vertrauen in das neue Schuljahr zu starten. Gleichwohl räumte er ein, dass der Schulstart in diesem Jahr erneut kein normaler sein werde. Man sei jedoch bestrebt, ihn so normal wie möglich zu gestalten. „Wir setzen auf maximale Präsenz und maximale Sicherheit“, erklärte Tonne.

Kultusminister Tonne blickt mit Zuversicht auf das neue Schuljahr – Foto: cwl

Nach den Sommerferien beginnt der Unterricht deshalb im Szenario A – also mit voll besetzten Klassen. Man wolle nun Bildung und Gesundheitsschutz sollen zueinander bringen, sagte der Minister. Für die Schulkinder bedeutet das konkret, dass an den ersten sieben Schultagen vom 2. bis zum 10. September täglich vor Schulbeginn Corona-Selbsttests durchgeführt werden müssen. Tonne erklärte, dass die vermehrten Tests sehr wahrscheinlich zu einem Anstieg der Inzidenz-Zahlen führen werden. „Die Schulen haben an den Infektionen aber keinen Beitrag, denn die waren ja in den letzten sechs Wochen geschlossen. Die Schulen decken die Infektionen lediglich auf und haben deshalb einen Beitrag für mehr Sicherheit.“

Maskenpflicht grenzt Quarantäne-Fälle ein

Außerdem wird vorerst eine Maskenpflicht in der Schule gelten, die durch regelmäßige Maskenpausen (etwa auf dem Schulhof, beim Lüften oder für gewisse Einheiten der Sprachbildung sowie im Sportunterricht) unterbrochen werden muss. Die aktuelle Corona-Verordnung sehe diese bis zum 22. September vor. Bis dahin werde man genau beobachten, wie sich das Infektionsgeschehen nach den großen Ferien in den Schulen entwickelt und daraus dann Schlüsse bezüglich der Fortsetzung oder Beendigung der Maskenpflicht ableiten.

Ein Wechsel in die Szenarien B und C ist derweil nicht mehr vorgesehen. Das bedeutet, dass Unterricht in geteilten Klassen oder gänzlicher Distanz-Unterricht ab einer gewissen Inzidenz-Zahl nicht mehr geplant ist. Tonne betonte, dass jedwede Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie von den Gesundheitsämtern vor Ort genau geprüft und schließlich präzise für jede Schule verhängt werden soll. So hat das Infektionsgeschehen eines Landkreises nicht mehr automatisch Einfluss auf den Präsenzunterricht. Einzelne Corona-Fälle können aber sehr wohl Auswirkungen auf die betroffene Klasse, den Jahrgang oder die Schule haben. Durch die Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske erhofft sich Minister Tonne allerdings, dass Quarantäne-Maßnahmen gar nicht mehr für eine gesamte Klasse gelten müssen, sondern eventuell nur für die Sitznachbarn eines betroffenen Kindes.

Darüber hinaus setzt das Land zum einen auf die Anschaffung von Luftfilteranlagen, die vom Land mit 20 Millionen und vom Bund mit zusätzlichen rund 19 Millionen Euro gefördert wurden. Zum anderen hofft der Kultusminister auf einen weiteren Impf-Fortschritt auch bei den jüngeren Menschen. Niedersachsens Impfquote liege in dieser Bevölkerungsgruppe über dem Bundesschnitt, lobte er.

Viel Beinfreiheit beim Startklar-Förderprogramm

Insgesamt 222 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln sollen in Niedersachsen in den kommenden Schuljahren für das Aktionsprogramm „Startklar in die Zukunft“ fließen. Ziel dieses Programms ist nach Angaben von Kultusminister Tonne, das soziale Lernen zu fördern. „Wir können nicht so tun, als hätte es das vergangene Schuljahr nicht gegeben“, sagte er.  Durch individuell erstellte Projekte und Programme sollen Folgen des Corona-Schuljahres aufgearbeitet und Rückstände aufgeholt werden. Ein Drittel der Mittel soll noch in diesem Jahr an die Schulen fließen, der Rest dann in 2022. Bei der Ausgestaltung will man den Schulen „viel Beinfreiheit“ lassen, um ein „eigenes, individuelles Startklar-Programm“ zu entwickeln.

Vorgesehen ist etwa eine Einstiegsphase zu Beginn des Schuljahres, in der die Lehrkräfte gemeinsam mit den Schulkindern erst einmal wieder ankommen und herausfinden sollen, wie es den ihnen mit der Situation geht. Die Schulen können eigenständig festlegen, ob diese Phase eine oder bis zu vier Wochen lang sein soll. Bei einer kürzeren Phase zu Beginn des Schuljahres können später alternativ Projekttage durchgeführt werden. Schriftliche Klassenarbeiten sind bis zum 24. September ausgesetzt, außerdem wurde die Gesamtzahl der Arbeiten verringert. In Mathematik, Deutsch und ab der fünften Klasse bei der zweiten Fremdsprache sollen Lernausgangslagen ermittelt werden. Dazu bietet das Kultusministerium über die Bildungscloud extra Computerprogramme an, die dabei unterstützen sollen.

Positiver Saldo bei den Lehrerstellen:

Entgegen der Darstellung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeichnet das Kultusministerium ein recht positives Bild bei der Unterrichtsversorgung. Man komme in etwa auf einen Wert wie im Vorjahr, als rund 99 Prozent. 1996 Stellen habe man ausgeschrieben, wovon bislang etwa 1600 Stellen besetzt worden seien – Tendenz steigend. Auf das bisherige Kalenderjahr gerechnet, kommt das Ministerium auf einen positiven Saldo für 2021. So kämen auf 2290 Lehrkräfte, die aus dem Dienst ausgeschieden sind, 2630 Neueinstellungen – mithin also ein Zugewinn von 340 Personen.