Mit Beschluss des niedersächsischen Landtags wird die Ausbildung der Juristen im Land künftig in drei Punkten geändert. Die regierungstragenden Fraktionen von SPD und CDU haben gestern ein entsprechendes Gesetz beschlossen, ergänzende Änderungswünsche der FDP wurden allerdings trotz prinzipieller Zustimmung auf die Zeit nach der Landtagswahl vertagt. Zuerst wird nun die Regelstudienzeit von heute neun auf dann zehn Semester verlängert. Diese Grenze ist relevant zur Bemessung von Bafög-Ansprüchen oder der Erhebung von Langzeitstudiengebühren.

Justizministerin Barbara Havliza spricht im Landtag. | Screenshot: Plenar-TV

Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, das juristische Referendariat künftig auch in Teilzeit zu absolvieren, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern soll. Und zuletzt wird die Auseinandersetzung mit den Unrechtsregimen des Nationalsozialisten und der SED zum Pflichtbestandteil des Grundstudiums gemacht. Justizministerin Barbara Havliza (CDU) erklärte dazu: „Recht kann man nicht lehren und lernen, wenn einem nicht bewusst ist, dass das Recht auch pervertiert werden kann, wie das in diesem System geschehen ist.“ Insgesamt betonte sie, das oberste Ziel müsse bleiben, kompetente Juristen auszubilden.  Es sei aber auch wichtig, die häufig trockene Ausbildung so auszugestalten, dass sie für junge Menschen attraktiv sei.

Die Reform wurde von den Abgeordneten allerdings abschätzig als „Reförmchen“ beschrieben, denn tatsächlich vollzieht der Landtag mit seinem gestrigen Beschluss lediglich Bundesrecht nach. Die Enttäuschung darüber, dass man nicht weitergegangen sei, könne er nachvollziehen, erklärte der CDU-Abgeordnete Thiemo Roehler. Den Antrag der FDP-Landtagsfraktion finde er nämlich eigentlich „richtig und gut“. Doch die darin angedachten Veränderungen seien zu tiefgreifend, um sie nun noch vor Ende der Legislaturperiode beschließen zu können, meinte er. Der prinzipiellen Stoßrichtung des FDP-Antrages stimmte auch Sebastian Zinke (SPD) zu. „Wir müssen uns auf den Weg machen und das, was die FDP angebracht hat, anpassen“, sagte er – doch noch nicht jetzt.

FDP kritisiert „Mini-Reform ohne Gestaltungsanspruch“

Bei der FDP-Fraktion stieß diese Ablehnung derweil auf wenig Verständnis. Ihr rechtspolitischer Sprecher Marco Genthe sprach von einer „Mini-Reform ohne Gestaltungsanspruch und ohne Reaktion auf die Bedarfe einer modernen Juristenausbildung“. Er warf der Großen Koalition „Arbeitsverweigerung“ und „juristischen Realitätsverlust“ vor. Seiner Auffassung nach sei genug Zeit vorhanden gewesen, um den Antrag vollständig zu beraten und umzusetzen.

Auf der Strecke bleiben nun vorerst die FDP-Ideen zur Digitalisierung der Juristenausbildung. In einem Entschließungsantrag haben die Freien Demokraten eine digitale Staatsexamensprüfung, digitale Lernangebote und eine Modernisierung der Lerninhalte angesichts einer immer digitaler werdenden Welt vorgeschlagen. Darüber hinaus möchte Genthe auch die Vergütung der Rechtsreferendare noch einmal auf die Agenda setzen. Unterstützung erhielt Genthe bei diesen Punkten auch von der Grünen-Abgeordneten Marie Kollenrott, die sagte, dass sich die Fachpolitiker doch eigentlich einig gewesen seien.



Große Einigkeit drückten die Abgeordneten noch bei einem anderen derzeit viel diskutierten Aspekt der Juristenausbildung aus. Dass künftig in das juristische Staatsexamensstudium auch noch ein Bachelor-Studiengang integriert werden sollte, findet im Landtag zumindest bei Grünen, FDP und SPD offenbar Zustimmung. Kollenrott forderte, das Justiz- und das Wissenschaftsministerium sollten den integrierten Jura-Bachelor zulassen – und wenn nicht mehr jetzt, dann doch als Sofortmaßnahme nach der Wahl.


Lesen Sie auch:

Drei Dekane aus Niedersachsen wollen offen über integrierten Jura-Bachelor debattieren

Jodeldiplom oder sinnvoller Weg? Professoren streiten über den integrierten Jura-Bachelor


Genthe erinnerte an den offenen Brief der drei Dekane Juristischer Fakultäten, Prof. Hans Michael Heinig (Göttingen), Prof. Ronald Schwarze (Hannover) und Prof. Oliver Dörr (Osnabrück), die eine offene Debatte über die Einführung dieses Studienmodells forderten. Zinke meinte, auch in der Juristenausbildung müsse der Bologna-Prozess ankommen und Bachelor und Master sollten in die bestehende juristische Ausbildung integriert werden.

Entlastung für Osnabrück

Auf Wunsch der Universität Osnabrück wird das Gesetz zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen an einer Stelle korrigiert. Dieses hatte eine Zeitlang eine Sonderstellung des dortigen Jurastudiums vorgesehen, wonach die Studenten eine wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung erhalten konnten. Thiemo Roehler erklärte für die CDU-Fraktion, dass er die Abschaffung dieser Fächer-Kombination bedauere, zumal die Fachrichtungen des Wirtschaftsstrafrechts und Compliance eine zunehmend besondere Bedeutung erführen. Da sich das „Alleinstellungsmerkmal“ Osnabrücks aber zu einer Belastung der Universität entwickelt habe, wolle man dem Wunsch dennoch nachkommen.