Das Innenministerium will das Kommunalwahlgesetz ändern – aber ein Detail im entsprechenden Entwurf stellt die unabhängigen Landtagsjuristen überhaupt nicht zufrieden. Es geht um die Möglichkeit, bei einem Wiederanstieg der Corona-Infektionen die anstehenden Wahlen auf unbestimmte Zeit verschieben zu können, auch die Kommunalwahlen, die für den 12. September geplant sind. „Wir sehen das skeptisch und schlagen daher vor, die geplante Reform des Kommunalwahlgesetzes erst zum 1. November in Kraft treten zu lassen – also mit Beginn der neuen Kommunalwahlperiode“, sagte eine Vertreterin des „Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes“ (GBD), jetzt im Landtags-Innenausschuss.

Frank Ruge, für Wahlen zuständiger Referatsleiter im Innenministerium, lenkte ein: Man habe lediglich „Vorsorge für die Zukunft und eine mögliche neue Epidemie“ treffen wollen. Die Große Koalition will das Gesetz in der nächsten Landtagssitzung, die am 9. Juni beginnt, endgültig beschließen. Heute wird die Vorlage im Innenausschuss ein letztes Mal beraten.

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Der Entwurf des Innenministeriums sieht vor, dass bei höherer Gewalt, wie sie im Fall einer Corona-Pandemie herrschen kann, Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Diese Vorschrift haben die Landtagsjuristen nun intensiv geprüft und dabei festgestellt, dass die geplante Festlegung „mit verfassungsrechtlichen Fragestellungen behaftet“ sei. Die überwiegende Auffassung der juristischen Fachexperten gehe zunächst davon aus, dass Bundestags- und Landtagswahlen von einer Pandemie nicht verhindert werden dürften. Hier wiege das Demokratieprinzip so stark, dass die Landesverwaltung nicht aus Infektionsschutzgründen die Wahlperiode einfach ausweiten dürfe, in dem ein Wahltermin hinausgezögert wird. Bei Kommunalwahlen, die in der Bedeutung unterhalb von Bundes- und Landtagswahlen rangieren, könne die Situation anders beurteilt werden. Das lege etwa ein aktuelles Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Nordrhein-Westfalen nahe. Allerdings hätten die Richter in Nordrhein-Westfalen gleichzeitig offen gelassen, ob die Corona-Pandemie überhaupt ein triftiger Grund darstelle, Wahlen generell abzusagen.

Nun schlagen die Landtagsjuristen vor, dass die flächendeckenden Wahlen der Kommunalvertretungen einen ähnlichen Rang bekommen sollten wie die Bundestags- und Landtagswahlen, dass also ihre Verschiebung nicht möglich werden soll. Bei den Direktwahlen der Verwaltungschefs in Kreisen und Städten, die regional begrenzt sind, solle das schon möglich sein – allerdings nur um maximal ein Jahr. Die Frage sei dann noch, wer die Voraussetzung für die Verschiebung feststellt, ob dies der Landtag sein müsse oder der Bundestag – oder ob die Kommune in eigener Verantwortung die Festlegung treffen könne. Auch die Anordnung einer Wahl als reine Briefwahl bleibe möglich, sagte die GBD-Vertreterin. Allerdings bleibe hier „ein Restrisiko“, denn Rechtsprechung zu diesem Thema liege bislang noch nicht vor.

Einflussnahme auf Wähler mit Behinderungen:

Vor wenigen Jahren hat der Landtag entschieden, dass künftig auch Menschen mit psychischen Behinderungen an Wahlen teilnehmen dürfen. Wie aber wird geregelt, dass sie auch ihren Willen zum Ausdruck bringen können? Im neuen Kommunal- und Landtagswahlgesetz wird nun vorgeschlagen, dass Betreuer oder Hilfspersonen, die Behinderte zum Wahllokal begleiten, „keine missbräuchliche Einflussnahme“ ausüben dürfen. Dieser Begriff ist nun aber auslegungsbedürftig, und so kam schon vom Verband der Betreuer der kritische Hinweis, man solle doch die Formulierung anpassen. Jegliche Beeinflussung zu verbieten, wäre irreal, stellten in einer Anhörung des Landtags-Innenausschusses vor wenigen Wochen Vertreter mehrerer Fraktionen fest. Die Landtagsjuristen regten jetzt an, man solle es konkreter fassen und auf das Strafgesetzbuch verweisen. Dort ist verboten, wenn die Hilfsperson eine Stimmabgabe vornimmt, die gegen die Wahlentscheidung des Behinderten gerichtet ist – oder die vorgenommen wird, obwohl der Behinderten keine Wahlentscheidung geäußert hat.

Videoaufnahmen werden erleichtert:

Die SPD/CDU-Koalition plant, Video-Übertragungen von Ratssitzungen künftig zu erleichtern. Ein einfacher Ratsbeschluss soll künftig reichen – bisher war vorgesehen, dass die Möglichkeit direkt in der Hauptsatzung der Kommune vorgesehen sein muss. Außerdem senkt die Koalition das Quorum für die Unterstützer-Unterschriften, die neue Parteien aufbieten müssen, um zur Kommunalwahl antreten zu müssen. Bernd Lynack (SPD) und Sebastian Lechner (CDU) unterstützten das Vorhaben.