Vier Monate lang hatten sie verhandelt – die Umwelt- und Naturschutzverbände hier, die Agrarverbände, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium dort. Das Ziel war, eine Vereinbarung über mehr Artenschutz in der niedersächsischen Landwirtschaft hinzubekommen. Eigentlich sollte in diesen Tagen das Ergebnis formell besiegelt werden, doch nun herrscht auf einmal große Verwirrung. Weil der Naturschutzbund (Nabu) gemeinsam mit einigen Imkern und dem Landesverband der Grünen in den letzten Apriltagen ein „Volksbegehren“ in dieser Sache gestartet hat, sind mehrere andere Akteure nachhaltig verärgert.


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Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke sprach gegenüber dem Politikjournal Rundblick von einem „Vertrauensbruch“ des Nabu. Der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL), Ottmar Ilchmann, kritisierte: „Jetzt ist nicht die Zeit für partei- oder verbandspolitische Profilierungsversuche.“ Ein anderer großer Umweltverband, der BUND, hat sich anders als der Nabu ganz bewusst dem Volksbegehren nicht angeschlossen.

Abkommen sollte Alternative zum Volksbegehren sein

Die Irritationen haben auch die Große Koalition in Hannover erreicht. So weist der CDU-Agrarexperte Helmut Dammann-Tamke darauf hin, dass das angestrebte Abkommen als Alternative zu einem Volksbegehren gedacht war. Mit anderen Worten: Die Politik will Investitionen für den Artenschutz und Initiativen für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft zusichern, erwartet dafür aber, dass die Verbände auf das Plebiszit verzichten.

Nach den gesetzlichen Regeln für das Volksbegehren haben die Organisatoren insgesamt ein Jahr Zeit, knapp 610.000 Unterschriften volljähriger Niedersachsen zu sammeln. Das ist für diejenigen, die das meistern müssen, mit der Hoffnung auf eine riesige Mobilisierungswelle verbunden. Führt diese zu einem Erfolg, so hätte der Landtag am Ende nur die Wahl, den vorbereiteten Gesetzentwurf der Initiatoren anzunehmen – oder aber einen Volksentscheid anzusetzen. Dieser könnte parallel zur Kommunalwahl im Spätsommer 2021 stattfinden. Da die Grünen Mitveranstalter der Sammlung sind, könnten sie ihren Wahlkampf darauf ausrichten.

Nun war die Überlegung der SPD/CDU-Koalition, die Forderungen der Initiatoren (etwa Einschränkungen der Grünlandnutzung, Begrenzung von Düngung und Pflanzenschutzmitteln, Sicherung von Gewässerrandstreifen) teilweise zu erfüllen und mit Investitionen zu begleiten, sofern die Umweltverbände das Plebiszit abblasen. Das schien auf gutem Weg zu sein, bis der Nabu Ende April ausscherte und gemeinsam mit den Grünen das Volksbegehren in Gang setzte.

Wenn ein wesentlicher Partner, der mitverhandelt hat, plötzlich die Runde verlässt und eigene Wege geht, dann müssen wir neu verhandeln.

Dammann-Tamke sagt nun auf Rundblick-Anfrage: „Wenn ein wesentlicher Partner, der mitverhandelt hat, plötzlich die Runde verlässt und eigene Wege geht, dann müssen wir neu verhandeln.“ Denkbar wäre, fügt er hinzu, eine Präambel an die Spitze der Vereinbarung zu setzen, in der ausdrücklich „der Vorrang von Anreizsystemen gegenüber dem Ordnungsrecht“ betont wird. Im Raum steht nämlich auch, dass die Landesregierung 120 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss aus 2019 für Investitionen für den Naturschutz einsetzen will.

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Aus der Landesregierung heißt es dazu nun: „Das Geld fließt nur, wenn es kein Volksbegehren gibt.“ Daneben soll in dem 20 Seiten starken Programm, das die beiden Ministerien, die Umwelt- und die Agrarverbände ausgehandelt haben, wichtige Ziele angepeilt werden: Verdoppelung der Zahl der Öko-Betriebe bis 2025, weitere Öko-Modellregionen und besserer Schutz der Gewässerrandstreifen beispielsweise.

Jetzt richten sich die Hoffnungen auf ein Gespräch, das Ministerpräsident Stephan Weil demnächst mit dem Nabu-Vorsitzenden Holger Buschmann führen soll. Falls sich der Nabu nicht davon abbringen lassen sollte, das Volksbegehren zu unterstützen, könnte dies die angekündigten 120-Millionen-Euro-Investitionen in die ökologische Landwirtschaft gefährden. Landvolk-Präsident Schulte to Brinke jedenfalls betont: „Wir haben ein großes Interesse, dass diese Vereinbarung zustande kommt.“