Die niedersächsische Land- und Forstwirtschaft muss sich aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen auf immer neue Schädlinge einstellen. Das sagt ein Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick. „Durch die globale Erwärmung entsteht hier ein Klima, in dem immer mehr Schädlinge Platz greifen“, sagt Kammer-Sprecher Walter Hollweg.

Wühlmäuse werden auf Niedersachsens Grünland zur Plage – Foto: GettyImages/CreativeNature_nl

Erst am Mittwoch informierte die Landwirtschaftskammer in einer Pressemitteilung über eine Mäuseplage auf Grünlandflächen, also auf landwirtschaftlich genutzten Weiden und Wiesen. Zusätzlich zur langanhaltenden Trockenheit hätten viele Grünlandbetriebe eine „massive Mäuseplage“ zu beklagen, heißt es darin. Offenbar hängt die Überpopulation von Wühlmäusen eng mit dem Klimawandel zusammen. „Es liegt auch an der Witterung, weil die richtig harten Winter fehlen. Ohne Frost werden die Populationen nicht dezimiert.“ Außerdem würden die starken Regenfälle ausbleiben, die sonst dazu geführt hätten, dass große Teile der Mäusepopulation ertrinken.

Das ist ein landesweites Problem. Es kann überall auftreten, wo Grünland ist.

Wo genau die Mäuseplage auftritt, lasse sich nicht lokal eingrenzen, sagt Hollweg. „Das ist ein landesweites Problem. Es kann überall auftreten, wo Grünland ist.“ Auch der Schaden lasse sich bislang nicht beziffern. Jede Wühlmaus würde täglich 120 Gramm Wurzelmasse fressen, heißt es in der Pressemitteilung der Landwirtschaftskammer. Dadurch könne die Grasnarbe beschädigt werden und die Wiesen würden nicht mehr grün und saftig. War dieses Gras eigentlich als Silofutter für Rinder gedacht, beziffern Fachleute den durch die Mäuse verursachten Schaden auf drei Euro pro Tier, berichtet die Landwirtschaftskammer.

Wühlmäuse beschädigen die Grasnarbe – Foto: LWK Niedersachsen/Kalzendorf

Als Reaktion auf den Schädlingsbefall empfehlen die Experten den Landwirten, sie sollten Sitzstangen für Greifvögel aufstellen und das Grünland möglichst intensiv nutzen, also zum Beispiel Kühe dort grasen lassen. Diese würden die Schädlinge vertreiben. Sachkundige könnten außerdem auch mit Fallen oder Giftködern dafür sorgen, dass die Zahl der unerwünschten Nagetiere dezimiert werde, schreibt die Landwirtschaftskammer.

Nabu fordert: Landwirtschaft muss wieder Lebensräume schaffen

Der Naturschutzbund (Nabu) sieht im Einsatz von Gift auf den Feldern keine dauerhafte Lösung. „Das Problem ist in Teilen hausgemacht. Monokulturen und das Fehlen von Brut- und Rückzugsräumen für Greifvögel haben die Verbreitung von Mäusen begünstigt“, erklärt Nabu-Sprecher Philip Foth auf Rundblick-Anfrage. Landwirtschaftliche Flächen in Niedersachsen müssten wieder verstärkt zu Lebensräumen umgewandelt werden, fordert der Nabu. Man müsse weg von riesigen Monokulturen und die industrialisierte landwirtschaftliche Produktion solle heruntergefahren werden, um die natürlichen Regelmechanismen zu fördern. Niedersachsens Agrarministerium reagiert auf die Klimawandelfolgen mit der sogenannten „Ackerbaustrategie“. Diese soll in Zukunft Landwirten Hilfestellungen geben, um mit den neuen Herausforderungen besser umzugehen. Weitere materielle Hilfen sind aktuell vonseiten des Ministeriums aber nicht vorgesehen, wie eine Sprecherin auf Rundblick-Anfrage erklärte.

Das Problem ist in Teilen hausgemacht. Monokulturen und das Fehlen von Brut- und Rückzugsräumen für Greifvögel haben die Verbreitung von Mäusen begünstigt.

Die Mäuseplage ist allerdings weder der erste noch der einzige Schädlingsbefall, der durch den Klimawandel bedingt oder befördert wird. Seit dem vergangenen Jahr kämpft die Forstwirtschaft mit einem massiven Borkenkäferaufkommen. Die lange Warmwetterphase ermöglicht es dem Schädling mittlerweile sogar bis zu drei Generationen pro Jahr auszubilden. Ganze Fichtenbestände werden dadurch vernichtet. Doch noch andere Insekten profitieren von den milden Wintern und den trockenen Sommern, sagt Hollweg von der Landwirtschaftskammer. Bereits seit den Neunzigern breitet sich in Europa der aus Nordamerika stammende Maiswurzelbohrer aus. Eine andere Insektenart, die der hiesigen Landwirtschaft Probleme macht, sei die Kirschessigfliege, sagt Hollweg. Diese stammt eigentlich aus Südostasien und breitet sich in Deutschland seit 2011 aus.

Temperaturanstieg: Austern verdrängen Miesmuscheln in der Nordsee

Nicht nur die Landwirtschaft muss sich mit Tierarten auseinandersetzen, die eigentlich in Niedersachsen nicht beheimatet waren. Auch die Fischerei hat damit zu kämpfen und auch hier handelt es sich um Folgen des Temperaturanstiegs. Seit mehreren Jahren breitet sich in der Nordsee etwa die Pazifische Auster aus, berichtet eine Fischerei-Expertin aus der Landwirtschaftskammer. Ursprünglich hatte man die vom Aussterben bedrohte Art extra gezüchtet. Da sei man noch nicht davon ausgegangen, dass sich diese Austern-Art in der Nordsee von selbst vermehren kann. Dazu war es nämlich zu kalt. Doch aufgrund der gestiegenen Temperaturen hat sich vor allem in Küstennähe ein geradezu hervorragendes Klima für die Muschelart gebildet. Das hat allerdings dazu geführt, dass ganze Muschelbänke von den Austern belagert werden und die heimische Miesmuschel verdrängt wird, erklärt die Expertin. Wirtschaftlich seien die Austern nicht zu verwerten. Den Fischern bleibe allerdings nur die Hoffnung auf kalte Winter, denn Bekämpfung sei nicht möglich.


Lesen Sie auch:

Waldbesitzer raten Toepffer: Kampf gegen den Borkenkäfer muss unbürokratischer werden

Otte-Kinast gibt Startschuss für Ackerbaustrategie