Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und Innenminister Boris Pistorius (SPD) wollen Medien- und Verlagshäuser dazu ermutigen, Hasskommentare aus dem Internet häufiger zur Anzeige zu bringen. Zu diesem Zweck haben die beiden Ministerien am Freitag eine Kooperationsvereinbarung mit der niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) unterzeichnet. Ministerin Havliza sagte bei der Gelegenheit: „Die Botschaft muss sein: Hatespeech bleibt nicht folgenlos.“ Wer strafbar Hetze betreibe, solle auch die Konsequenzen spüren.

Wir setzen mit dieser Kooperation ein weiteres wichtiges und notwendiges Zeichen gegen Hasskriminalität.

Minister Pistorius erläuterte, dass das Internet zunächst viele positive Effekte gebracht habe, sich inzwischen allerdings immer häufiger auch die Schattenseiten zeigten: Benehmen, Anstand und Respekt fehlten häufig in den Online-Kommentarspalten, zudem entstünden Echokammern politischer Agitation. Er erklärte: „Wir setzen mit dieser Kooperation ein weiteres wichtiges und notwendiges Zeichen gegen Hasskriminalität. Hass, Hetze und Extremismus jeglicher Couleur haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und keine Berechtigung.“ Gemeinsam betonten sie, dass die digitalen Räume, in denen gesellschaftliche Debatten und Meinungsbildung stattfinden, dringend geschützt werden müssten.

Innenminister Boris Pistorius, Justizministerin Barbara Havliza und NLM-Direktor Christian Krebs unterzeichnen die Kooperationsvereinbarung gegen Hatespeech im Netz – Foto: nkw

Das neue Verfahren, das die Anzahl der Strafanzeigen signifikant erhöhen soll, ist ein zweigeteiltes. Zunächst ist ab sofort eine neue Internetplattform freigeschaltet, auf der Fälle von vermeintlicher Hasskriminalität auf den Internetseiten und Social-Media-Präsenzen niedersächsischer Medien einfach gemeldet werden können. Bereitgestellt wird die neue Plattform von der Staatsanwaltschaft Göttingen, bei der die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet angesiedelt ist. Wird ein Verdachtsfall über die Plattform an die Staatsanwaltschaft gemeldet, prüft diese, ob es sich dabei um einen strafrechtlich relevanten Fall handelt. Falls diese Prüfung positiv ausfällt, reicht die Staatsanwaltschaft den Vorgang an das Landeskriminalamt weiter.

Das neue Meldeportal richtet sich allerdings nicht an Privatpersonen, sondern gezielt an Medien- und Verlagshäuser. Diese wurden bereits oder werden in den kommenden Tagen vom zuständigen Ministerium kontaktiert und auf das neue Angebot hingewiesen, können sich ab sofort aber auch eigenständig auf der Seite akkreditieren. Zudem soll sich das Angebot auch an Beratungsstellen und Nichtregierungsorganisationen richten, die sich bei Interesse ebenfalls eigenständig registrieren können.

Medienanstalt unterstützt gezielt kleine Verlage

Die Landesmedienanstalt übernimmt nach Angaben von Justizministerin Havliza eine Filterfunktion für kleinere Medienhäuser, die sich häufig keine eigenen Rechtsabteilungen leisten. Niedersachsen folgt mit dieser Art der Zusammenarbeit dem Beispiel anderer Länder wie Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Medienanstalt bietet diesen Unternehmen an, die erste Prüfung von Verdachtsfällen zu übernehmen, bevor sie an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden.

Christian Krebs, Direktor der NLM, verwies dabei auf die langjährige Erfahrung seiner Anstalt in der Auseinandersetzung mit Hasskommentaren. „Beleidigung, Bedrohung und Diskriminierung sind keine Bagatelle, sondern eine Gefährdung der Meinungsfreiheit und eine Gefährdung der Demokratie“, sagte Krebs am Freitag. Wo jedoch die Grenze verlaufe zwischen der Freiheit zur Meinungsäußerung und einem Straftatbestand, sei nicht immer ganz einfach zu erkennen. Die NLM habe allein in 2020 von ihren Juristen rund 700 Fälle prüfen lassen. Zusätzlich zum Einsatz der Hausjuristen wird die NLM künftig auch eine Software einsetzen, um Verdachtsfälle prüfen zu lassen.

Ich bringe inzwischen jeden Hasskommentar und jede Hassmail konsequent zur Anzeige.

Justizministerin Havliza und Innenminister Pistorius raten allerdings allen Unternehmen wie Privatpersonen, nicht zu zögerlich zu sein mit einer Anzeige. Pistorius versicherte: „Ich bringe inzwischen jeden Hasskommentar und jede Hassmail konsequent zur Anzeige.“ Seit November 2019 seien dabei allein auf seine Person bezogen 121 Fälle zustande gekommen, die er hat prüfen lassen. 46 davon habe er zur Anzeige gebracht, 36 davon seien aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, einer davon gegen eine Geldstrafe, nur zehn befänden sich noch im Verfahren. „Da muss man schon tapfer sein“, räumte Pistorius ein, und Havliza ergänzte, man dürfe sich dadurch nicht frustrieren lassen. Es sei nicht immer einfach, im Vorfeld zu erkennen, ob die Grenze zur Strafbarkeit tatsächlich überschritten wurde. Sichergehen könne man aber nur, wenn man den Sachverhalt von der zuständigen Staatsanwaltschaft hat überprüfen lassen.