Auch wenn das Ende der Förderschule Lernen bereits in greifbare Nähe gerückt ist, wollen die Freien Demokraten versuchen, dieses Schicksal doch noch abzuwenden. Passend zum Volksbegehren, das die FDP kürzlich initiiert hat, regte die Landtagsfraktion gestern im Plenum eine Debatte zur Notwendigkeit der Förderschule an. Doch die übrigen Abgeordneten und auch die Landesregierung wollten sich auf diese Diskussion nicht so recht einlassen. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) warnte gar davor, in eine Debatte zu verfallen, die in ein Für und Gegen die Inklusion führe.

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Zuvor hatte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Björn Försterling gefragt, ob die Eltern der 809 Kinder, die im vergangenen Schuljahr ihre Kinder von der Regel- zur Förderschule umgemeldet haben, eine Entscheidung gegen die Inklusion getroffen hätten. Tonne sagte daraufhin, dass jede einzelne Entscheidung zu respektieren sei, die Landesregierung diese aber nicht weiter kommentiere. Eine solche Debatte, die Förderschule und Inklusion gegeneinander ausspiele, halte er für „hoch gefährlich“. Hinter den Konsens der Inklusion solle man nicht mehr zurückfallen. Es gehe nun darum, alles dafür zu tun, dass die Ausstattung und die Rahmenbedingungen für die Inklusion bestmöglich ausgestaltet würden, so der Minister.


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Auf Försterlings Frage, ob die Landesregierung eine Garantie geben könne, dass die Inklusion gelinge, wenn die Förderschule Lernen abgeschafft wird, antwortete Tonne, dass die Inklusion mit den Förderschulen per se schwer vereinbar sei – schließlich gehe es bei dem Prinzip der inklusiven Schule darum, voneinander und miteinander zu lernen, was die Förderschulen eben gerade nicht leisteten.

SPD und Grüne verteidigen die inklusive Beschulung

Assistiert wurde dem Kultusminister von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Julia Willie Hamburg, die durch ihre Nachfragen innerhalb der „dringlichen Anfrage“ der FDP zu erkennen gab, dass sie beim Thema Inklusion und Förderschule eindeutig an der Seite der Sozialdemokraten steht. So fragte sie etwa, wie die Landesregierung die Vielzahl von Studien zur Inklusion bewerte, aus denen hervorgehe, dass Förderschulen weder eine kompensatorische Wirkung hätten noch als Schutzraum für Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf taugten. Tonne nutzte diese Vorlage um zu bekräftigen, dass es das Ziel sein müsse, die Schüler bestmöglich auf einen guten Schulabschluss vorzubereiten und im späteren Leben zur Teilhabe zu befähigen. „Die Studienergebnisse sind sehr eindeutig: Im inklusiven Schulsystem gelingt das sehr gut“, stellte Tonne fest.


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Auch eine weitere Nachfrage der Grünen-Politikerin lieferte dem Minister Gelegenheit, für die Abschaffung der Förderschule zu argumentieren. Hamburg fragte, wie viele Lehrerstunden durch die Förderschulen gebunden seien, die dann wiederum für die inklusive Beschulung fehlten. Tonne antwortete, dass es rund 12.000 Ist-Stunden seien, die etwa 416 Vollzeit-Lehrerstellen entsprächen.

4434 Schüler besuchten Förderschule Lernen

Mit ihrer „dringlichen Anfrage“ wollten die Freien Demokraten die Sinnhaftigkeit des Weiterbetriebs der Förderschule Lernen herausstellen. Als Hauptargument sollte ihnen dienen, dass die Schulform noch immer nachgefragt werde. Obwohl sie sich im Auslaufen befindet, wählten zahlreiche Eltern dieses Angebot für ihre Kinder. Die FDP wollte deshalb wissen, wie viele Schüler im aktuellen Schuljahr an dieser Schulform angemeldet sind. Das Kultusministerium konnte allerdings nur die Zahlen des vergangenen Schuljahres liefern, da die aktuellen Schülerzahlen noch nicht vorliegen.

Nach Auskunft des Ministers gingen im vergangenen Jahr 4434 Schüler in Niedersachsen zu einer der noch 55 verbliebenen Förderschulen Lernen. Pro Jahrgang variierte die Schülerzahl zwischen 436 Schülern im Jahrgang 9 und 828 Schülern im Jahrgang 7. Auf Nachfrage Hamburgs erläuterte Tonne, dass generell 13 Schüler benötigt werden, um eine neue Klasse einzurichten, in der Klassenstufe 10 reichten bereits zehn Schüler aus. Im vergangenen Schuljahr habe es insgesamt 379 Klassen an den Förderschulen gegeben, 68 Klassen waren es in der Stufe 10, wovon 18 unter die Marke von zehn Schülern gerutscht seien. 511 Klassen habe es in den übrigen Klassenstufen 5 bis 9 gegeben, wobei 244 weniger als 13 Schüler gehabt hätten, erläuterte Tonne.



Tonne ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass er den Weg der inklusiven Beschulung für den richtigen hält. In seiner Vorbemerkung führte er aus, dass es Aufgabe der inklusiven allgemeinbildenden Schulen sei, „eine planvolle und umfassende Förderung auch der Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf Lernen zu gewährleisten.“ Nur an den inklusiven Schulen und nicht an den Förderschulen entstünden dazu „Schritt für Schritt multiprofessionelle Teams“, um die Schüler bei ihrer Lernentwicklung individuell zu begleiten.