Bislang schien es als sicher, nun aber mehren sich die Zweifel: Wenn der Landtag heute erstmals darüber berät, einen neuen Feiertag einzuführen, werden gegen den stets favorisierten Reformationstag (31. Oktober) immer mehr Stimmen laut. Aus der Mitte des Landtags, angeführt von SPD-Abgeordneten, wächst nun eine Initiative für einen neuen, bisher in der Öffentlichkeit nicht geführten Vorschlag. Dieser sieht vor, einen weltlichen Feiertag auszuwählen, nämlich den Tag der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai. Die Entscheidung darüber soll in der Landtagssitzung Mitte Juni fallen. Am 23. Mai 1949 hatte der Parlamentarische Rat die Verfassung beschlossen, dies gilt als Gründungsakt der Bundesrepublik Deutschland, die dann am 3. Oktober 1990 um die Länder der ehemaligen DDR erweitert worden war.

Kein Fraktionszwang bei der Abstimmung

Noch immer ist die wahrscheinlichste Lösung für den neuen Feiertag, dass in der Landtagssitzung vom 19. bis 22. Juni der Reformationstag als solcher beschlossen wird. Niedersachsen würde sich dann einem Votum der Länder Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern anschließen. Der Reformationstag entspricht auch dem, was die beiden Parteivorsitzenden der Großen Koalition, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) persönlich bevorzugen. Das Kabinett hatte sich dem schon angeschlossen. Allerdings hatten die SPD- und die CDU-Fraktion die Abstimmung freigegeben – das heißt, dass der sonst bei Gesetzesbeschlüssen übliche Fraktionszwang hier nicht gelten soll.

Gegen den Reformationstag werden in Niedersachsen vor allem aus kirchlichen Kreisen starke Einwände vorgetragen. Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden lehnt ihn ab, da sich Martin Luther in späten Jahren als Antisemit hervorgetan hatte, die katholische Kirche sieht im 31. Oktober ein Datum, das die Kirchenspaltung betont – und plädiert stattdessen für den Buß- und Bettag, einen Mittwoch in der zweiten Novemberhälfte.

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Bisher sind öffentlich neben dem Reformationstag noch der Buß- und Bettag und der internationale Frauentag am 8. März diskutiert worden, der letzte Vorschlag wird vor allem von Landtagspräsidentin Gabriele Andretta unterstützt. Eine starke Bewegung für den Frauentag zeichnet sich im Landtag bisher jedoch nicht ab, obwohl der SPD-Politiker Alptekin Kirci vehement öffentlich dafür um Unterstützung wirbt. Nun versuchen aber mehrere Anhänger eines weltlichen Feiertages einen neuen Weg: Indem sie den 23. Mai als Verfassungstag in die Debatte einführen, hoffen sie auf eine breite Unterstützung aus allen Fraktionen. Damit seien auch solche Abgeordnete zu gewinnen, heißt es, die eigentlich für einen kirchlichen Feiertag seien, die heftig vorgetragenen Einwände von Katholiken und Juden aber nicht einfach ignorieren wollten.

Als Zeichen für Völkerverständigung, für die Werte der Toleranz und für Verfassungspatriotismus sei der 23. Mai im Übrigen ein besonders geeignet, heißt es. Dass vor allem aus der SPD-Fraktion solche Stimmen immer vernehmbarer werden, ist noch aus einem anderen Grund interessant: Viele Abgeordnete dort warten seit langem auf eine Chance, sich einmal deutlich sichtbar gegen die Dominanz des Ministerpräsidenten zu behaupten.

Mehr als 20 befürworteten weltlichen Feiertag

Die Abstimmung über den Feiertag ist SPD-intern und auch CDU-intern ein gefahrloser Weg, dies zu tun, denn wegen des Verzichts auf den Fraktionszwang würde ein Scheitern des Reformationstages nicht automatisch eine Beschädigung der beiden Parteiführungen bedeuten. Aus Landtagskreisen heißt es, allein in der SPD hätten zeitweise mehr als 20 (der insgesamt 55) Abgeordneten einen weltlichen Feiertag befürwortet, manche seien davon aber – nach Gesprächen mit dem Vorstand – zugunsten des Reformationstages wieder abgerückt. Mit Spannung werde nun die bevorstehende Anhörung im Innenausschuss erwartet. In der gestrigen CDU-Fraktionssitzung sollen sich Karl-Heinz Bley (Cloppenburg) und Frank Oesterhelweg (Wolfenbüttel) gegen den Reformationstag ausgesprochen haben.


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Die Grünen im Landtag haben derweil einen Antrag auf zwei weltliche Feiertage angekündigt. Sie schlagen den Europatag am 9. Mai und den Internationalen Frauentag am 8. März vor. Die Fraktionsvorsitzende Anja Piel sieht den Antrag als ein „Angebot einer Befriedung“. Es gebe berechtigten Widerstand der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinden gegen den Reformationstag. Und man wisse auch vom Widerstand in der SPD-Fraktion. Den Europatag bezeichnete Piel dagegen als zeitgemäß. „Dieser Tag grenzt auch niemanden aus. Schließlich sind wir alle Europäer.“ Zwei weitere Feiertage seien durchaus möglich. „Niedersachsen ist beim bundesweiten Vergleich der Anzahl von Feiertagen so weit hinten, dass wir selbst mit zwei zusätzlichen Feiertagen nur im Mittelfeld wären“, erklärte Piel. Der Antrag solle vor allem auch dazu führen, dass über die Möglichkeiten endlich öffentlich debattiert werde und „nicht nur zwischen fünf Ministerpräsidenten in Hinterzimmern“.