Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat nun doch noch einen Weg gefunden, Weidetierhaltern eine möglichst unkomplizierte Förderung von Herdenschutzmaßnahmen anzubieten. Zu Beginn der Weidesaison 2025 soll das neue Regelwerk greifen, wie Umweltminister Christian Meyer und Agrarministerin Miriam Staudte (beide Grüne) am Mittwoch nach einer weiteren Runde des „Dialogforums Weidetierhaltung und Wolf“ erklärten. Statt einer Kopfpauschale für Schafe und Ziegen, die noch im vergangenen Jahr mit Weidetierhaltern und Naturschutzverbänden diskutiert worden war, wird es nun allerdings eine Schaf- und Ziegenprämie geben, die sich an der Weidefläche bemisst. Tierhalter mit mehr als elf Tieren sollen künftig eine Förderung in Höhe von 260 Euro pro Hektar und Jahr bekommen können. Bei Deichflächen beträgt der Hektarfördersatz 325 Euro. Rechnet man diese Summe anhand der durchschnittlichen Beweidungsdichte von 6,5 Tieren pro Hektar um, komme man auf eine Prämie in Höhe von 40 beziehungsweise 50 Euro pro Tier, erklärte Umweltminister Meyer. Die Förderhöhe soll unabhängig von der Haushaltslage vollständig ausgezahlt werden, erklärte Meyer und versicherte: „Selbst dann, wenn alle Schaf- und Ziegenhalter einen Antrag stellen würden, gäbe es genug Geld.“ Auf Nachfrage erläuterte der Minister, dass diese flächenbezogene Herangehensweise nur deshalb gewählt worden sei, um eine langwierige beihilferechtliche Notifizierung der Maßnahme umgehen zu können. Als Flächenförderung könne die Prämie bei den geltenden EU-Regeln auch ohne Zustimmung der EU-Kommission umgesetzt werden, die Behörde habe lediglich eine zweiwöchige Widerspruchsfrist.

Wollen den Herdenschutz einfacher fördern: Umweltminister Christian Meyer und Agrarministerin Miriam Staudte. | Foto: Kleinwächter

Neben der Größe der Herde soll eine weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Pauschalförderung auch sein, dass bereits ein wolfsabweisender Grundschutz vorhanden ist. Die Idee der Schaf- und Ziegenprämie sei es, nicht mehr nur den Bau eines Zauns oder die Anschaffung eines Herdenschutzhundes zu fördern, sondern auch die Unterhaltung und Instandhaltung zu finanzieren. Künftig will man den Weidetierhaltern damit mehr Freiraum bei der konkreten Verwendung der Fördergelder lassen. Kleine Betriebe sollen aber auch weiterhin noch eine hundertprozentige Unterstützung beim Zaunbau bekommen, erklärte Agrarministerin Staudte. Zudem werde man die Fördersätze insgesamt anheben und die Grenze, ab der drei Vergleichsangebote eingeholt werden müssen, will man auf 1000 Euro hochsetzen. In den Gesprächen mit den Praktikern sei herausgekommen, dass beide Gruppen von Tierhaltern unterschiedlich unterstützt werden müssten, erklärte Staudte.

Neue Regeln soll es außerdem bei der Förderung von Schutzmaßnahmen für Pferde und Rinder geben. Bisher war man davon ausgegangen, dass die großen Tiere durch ihre Herde bereits ausreichend geschützt wären. Staatliche Unterstützung für den Bau wolfsabweisender Zäune hat es deshalb nur in Ausnahmefällen gegeben. Ein Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr drängt die Regierung nun zum Nachsteuern. Halter von Pferden und Rindern sollen künftig bis zu 80 Prozent ihrer Kosten für den Bau eines wolfsabweisenden Zauns erstattet bekommen, wenn ihre Betriebe in einer entsprechenden Risikoregion liegen. Die definiert sich künftig so: Reißt ein Wolf innerhalb eines Jahres mindestens zwei Rinder oder zwei Pferde oder ein Rind und ein Pferd, wird das Territorium des Wolfsrudels für die entsprechende Tierart zur Förderkulisse erklärt. Diese soll dann für ein Jahr gelten, wobei sich der Zeitraum mit jedem weiteren Riss verlängert. Eine entsprechende Karte soll das Wolfsbüro des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bereitstellen und regelmäßig aktualisieren. Agrarministerin Staudte erklärte zudem, die Billigkeitsleistungen auf 10.000 Euro anheben zu wollen, damit künftig auch Pferdehalter nach einem Riss angemessen entschädigt werden können.

Beim Landesschafzuchtverband Niedersachsen kommt das neue Förderprogramm gut an. Die Richtung stimme, sagte Verbandschef Joachim Rehse. Es sei wichtig, dass Geld in die Betriebe komme, die seit Jahren schon auf eigene Kosten Herdenschutz umgesetzt hätten. Frederik Eggers vom Naturschutzbund Nabu Niedersachsen betonte, der Herdenschutz sei die einzige Möglichkeit, die Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung zu garantieren. Für den Schafhalter Rehse gibt es allerdings noch eine andere Option: Die Herden vor dem Wolf zu schützen, sei ein Mehraufwand, der zwar gesellschaftlich gewollt sei. Wenn ein Wolf diesen Herdenschutz aber dennoch überwindet, müsse das Tier auch geschossen werden dürfen. „Wir können das Wettrüsten nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortführen“, sagte Rehse.

  • Gespräche in Brüssel: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) traf am Mittwoch in Brüssel unter anderem EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall. Dabei sprach er sich dafür aus, die Absenkungen des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention rasch in der FFH-Richtlinie der EU nachzuvollziehen. Er sehe die Not der Weidetierhalter, erklärte Regierungssprecherin Anke Pörksen. Ziel der Landesregierung sei es deshalb, ein regional differenziertes Bestandsmanagement für den Wolf einzuführen. Gegenüber der Deutschen Presseagentur sagte Weil, das Verhältnis von Wölfen und Wildtieren in einer Region müsse ausgewogen sein. „Werden es zu viele, steigt das Risiko von Nutztierrissen.“ Der Ansatz, für die Festlegung von Problemregionen die Wolfszahlen in Relation zu den Wildbeständen zu setzen, ist allerdings neu und stieß in Hannover auf Verwunderung. Laut Agrarministerium gebe es zwar eine Wildtiererfassung von der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Landesjägerschaft. Der Rehwild-Bestand ließe sich allerdings in einem Revier kaum zuverlässig erfassen. Ministerin Staudte berichtete, ein solcher Ansatz sei in der Regierung nicht abgestimmt.