Sollen die Vereine für die teils horrenden Kosten für den Polizeieinsatz bei Fußballspielen aufkommen müssen? Innenminister Boris Pistorius lehnt diesen Weg, den Bremen mit seiner Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erreichen will, für Niedersachsen bisher ab. Aber es könnte eine Alternative geben. Aus der Polizei kommt der Vorschlag, die gewaltbereiten Fans selbst stärker an den Kosten zu beteiligen – durch eine verpflichtende Verursacherhaftung. „Wer sich vorsätzlich gefährdend verhält, muss für den dadurch ausgelösten Einsatz zahlen. Dieses Prinzip ist in der allgemeinen Gebührenordnung schon lange verankert und in der öffentlichen Verwaltung gang und gäbe“, sagt Markus Kiel, Leiter des Kriminal- und Ermittlungsdienstes der Polizeiinspektion West in Hannover. Die Gebührenordnung kennt einige Fälle, bei denen die Behörde den Einsatz in Rechnung stellen kann. Mutwillig ausgelöster Feueralarm zum Beispiel oder das Ausnüchtern in einer Gewahrsamszelle. Aus Kiels Sicht aber gibt es einige Extremfälle von vorsätzlicher Gefährdung, die in der allgemeinen Gebührenordnung bislang fehlen.


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Ein Beispiel habe es am vergangenen Sonnabend beim Fußballspiel von Hannover 96 gegen Hertha BSC gegeben. Neun Hertha-Fans waren aus Berlin nach Hannover gekommen und hatten schon auf der Fahrt reichlich Alkohol zu sich genommen. In Hannover angekommen, pöbelten sie Passanten an, grölten rechte Parolen und reagierten nicht auf mehrmalige Ansprachen der Polizei. Die Polizei sprach der Gruppe schließlich ein Aufenthaltsverbot aus, geleitete sie zum Bahnhof und setzte sie dort in einen Zug zurück in die Heimat. „Mit der Gefährderansprache, dem Ausfüllen der Formulare zur Identitätsfeststellung, dem Geleiten zum Bahnhof und der Organisation der Rückreise waren mehrere Beamten gut eine dreiviertel Stunde lang beschäftigt“, sagt Kiel. Die Kosten dafür trägt der Steuerzahler. „Das ist bei diesem mutwillig provozierten Verhalten kaum vermittelbar.“ Mit einer Änderung der allgemeinen Gebührenordnung würde längst nicht der ganze Polizeieinsatz gedeckt. Aber es wäre aus Sicht der Befürworter ein Zeichen der Fairness. „Schließlich lässt sich ganz genau berechnen, wie viel Personal und Material das Festsetzen von 200 Fußball-Randalierern gekostet hat“, sagt Kiel.  Umgelegt auf jeden der 200 festgesetzten Randalierern ist für den Einzelnen die Aktion bezahlbar, schmerzt aber im Wiederholungsfall. „Eine abschreckende Wirkung würde durch die Erhebung von Gebühren also auch erreicht.“

Bei den Abgeordneten des Innenausschusses stößt der Vorschlag auf Interesse. „Die Überlegung, gewaltbereite Fußballfans stärker an den Kosten der von ihnen verursachten Polizeieinsätze zu beteiligen, finde ich im Grundsatz interessant und diskussionswürdig“, sagt Thomas Adasch, polizeipolitischer Sprecher der CDU. Er sieht darin eine Alternative zum „Bremer Weg“, die Vereine für ihre randalierenden Fans in Regress zu nehmen. Auch der Innenexperte der Grünen, Belit Onay, findet den Vorschlag gut. „Wir haben ja immer wieder darüber gesprochen, wie Verursacher von Krawallen bei Fußballspielen haftbar gemacht werden können. Im Sinne der Fairness gegenüber den friedlichen Fans ist diese Variante nicht verkehrt.“

Karsten Becker, polizeipolitischer Sprecher der SPD, hat jedoch Bedenken, wenn die Polizei künftig zahlreiche Gebührenbescheide ausstellen soll. „Das leistet einer Kommerzialisierung der Polizei Vorschub.“ Die Polizei habe den Auftrag, Sicherheit und Ordnung zu wahren sowie Straftaten zu verfolgen. Den Aufwand zur Ermittlung einer Straftat dürfe sie deshalb schon mal nicht berechnen. Auch der AfD-Abgeordnete Klaus Wichmann teilt diese Ansicht. „Prinzipiell sind kreative Vorschläge wie dieser gut, aber daraus darf kein Schnellschuss werden.“ Man müsse genau definieren, wo, wann und in welchem Rahmen solche Gebühren erhoben werden können. Marco Genthe, innenpolitischer Sprecher der FDP, hält von Gebühren dagegen gar nichts. „Es wird sehr schwer sein, eine Grenze zu ziehen zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Leistungen.“ Aus seiner Sicht wäre es zielführender, wenn die gewaltbereiten Fußballfans für die Einsätze der Feuerwehr und des Rettungswagens aufkommen müssten, die wegen ihrer Taten gerufen werden müssen. Auch im Innenministerium steht man dem Vorschlag noch skeptisch gegenüber: „Dieser Gedanke der besonderen Inanspruchnahme ist auf Leistungen, wie etwa die Identitätsfeststellung, nur schwer zu übertragen. Die Feststellung von Personalien dürfte in den meisten Fällen nur kurz dauern, sodass die Höhe der Kosten, die erhoben werden könnten, in keinem Verhältnis zu dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand stehen dürfte“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.