Foto: alvarez/Getty Images

Von September an wird es ernst, dann dürfen die Krankenkassen nur noch mit solchen Pflegediensten oder Pflegeheimen Verträge abschließen, die auch Tariflohn zahlen. Für die Masse der Einrichtungen heißt das: Größere Umstellungen stehen bevor. Die niedersächsischen Pflegekassen, darunter AOK, VdEK, BKK und IKK Classic, haben am Montag eine erste Übersicht vorgelegt. Daraus wird zunächst noch einmal klar, wie die Situation ist.

3594 Pflegedienste und Pflegeheime gibt es in Niedersachsen, und ein Drittel davon lehnt sich bereits sehr stark an den Tariflohn an oder zahlt schon Tariflohn. Konkret sind es 462 Heime und Dienste, die sich auf einen geltenden Tarifvertrag beziehen, dann noch einmal rund 720, die sich bereits in diese Richtung begeben haben. Mehr als 2400 Einrichtungen indes sind bisher noch weit von einer tarifvertraglichen Grundlage entfernt, wie AOK-Sprecher Johannes-Daniel Engelmann erläutert.

Der weitere Weg ist nun so: Bis Ende März haben die noch tariffreien Heime und Dienste zu entscheiden, ob sie unter einen Tarifvertrag schlüpfen wollen – und, wenn ja, unter welchen. Es gibt nun mehrere kirchliche Verträge, die von Caritas und Diakonie mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen geschlossen wurden, aber auch Verträge des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), deren Vertragspartner dann die Gewerkschaft Verdi war. Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat mit Verdi Verträge vereinbart. Auf der kirchlichen Seite stehen Verträge für die evangelische Kirche Oldenburg, die Evangelische Landeskirche Hannover und ein EKD-Tarifvertrag zur Disposition.

Zur Auswahl stehen in Niedersachsen zwölf unterschiedliche Regelwerke, darunter wenige bundesweite – so der Vertrag zwischen AWO und Verdi, aber auch Caritas- und Diakonie-Verträge, die bundesweit anwendbar sind. Gleiches gilt für ein Vertragswerk der Diakonie in Bayern, das auch außerhalb Bayerns Anwendung finden darf. Diese möglichen Grundlagen, die nun von der AOK mitgeteilt werden, überschreiten eine Obergrenze von 21,22 Euro je Stunde nicht. Sie werden nun „zur Orientierung“ den noch nicht tarifgebundenen Pflegediensten und -heimen übermittelt. 

Niedersachsens Pflegekräfte bekommen 35 Cent mehr pro Stunde

Was die Bestandsaufnahme bei den 462 Altenpflege-Einrichtungen mit Tarifvertrag angeht, fällt die Übersicht der Pflegekassen sehr freundlich aus: Die durchschnittliche Bezahlung der Pflegekräfte liegt in Niedersachsen je Stunde brutto bei 19,29 Euro – das ist mehr als der Bundesdurchschnitt, der 18,95 Euro ausmacht. Beim Pflegefachpersonal (mindestens dreijährige Ausbildung) sind es 22,15 Euro (Bundesdurchschnitt 21,66 Euro), bei Pflegeassistenzen (mindestens einjährige Ausbildung) 18,48 Euro (Bundesdurchschnitt 17,52 Euro), bei den Hilfskräften 16,16 Euro (Bundesdurchschnitt 15,95 Euro). 

Dass die Tarifbindung für den Altenpflegebereich ab Herbst verbindlich ist, geht noch auf ein von der Großen Koalition im Juni 2021 beschlossenes Gesetz zurück. Aus der bundesweiten Übersicht der Entgeltniveaus ergeben sich einige Unterschiede. So liegt der Durchschnittslohn vor allem in den ostdeutschen Bundesländern niedriger, im Westen aber knacken Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein die 20-Euro-Marke, während Niedersachsen zu der Gruppe zählt, die noch darunter bleiben.

Verdi fordert Gehaltsplus von 5,9 Prozent

Verdi ruft zu Arbeitsniederlegungen auf: Zeitgleich mit der Pflege-Übersicht, die am Montag von den Kassen übermittelt wurde, meldete sich die Gewerkschaft Verdi in einem anderen Tarifkonflikt. Was die Mitarbeiter der gesetzlichen Kassen AOK und Barmer angeht, startet Verdi heute Streikaktionen. Verdi fordert bei der AOK ein Gehaltsplus von 5,9 Prozent, mindestens aber 200 Euro – für die Auszubildenden 150 Euro. Die Arbeitgeber hätten bisher lediglich eine einmalige Zahlung im März 2022 von 800 Euro und eine Anhebung ab Jahresbeginn 2023 von 1,2 Prozent angeboten. Für die Barmer-Beschäftigten fordert Verdi ein Plus von 3,8 Prozent.