Im Hintergrund wurde tage-, ja wochenlang heftig gerungen, jetzt steht aber fest: Das erste Mal in der mehr als 70-jährigen Parteigeschichte geht die niedersächsische CDU mit einer paritätisch besetzten Landesliste in die Landtagswahl. Der Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Bernd Althusmann hatte auf diese Vorgabe bestanden und alternative Modelle, die im Vorfeld diskutiert worden waren, abgelehnt. Nach mehreren Gremiensitzungen hatte sich die Parteispitze dann auf eine Reihenfolge verständigt – und diese wurde in der Landesdelegiertenversammlung am Sonnabend in Bad Nenndorf (Kreis Schaumburg) auch mit großer Mehrheit beschlossen.

Die 120 Delegierten der Landesvertreterversammlung der CDU in Niedersachsen haben die Landesliste für die Landtagswahl am 9. Oktober 2022 beschlossen. Dabei wurde die Landesliste erstmals im Reißverschluss-Verfahren aufgestellt. | Foto: Wallbaum

Auf den Spitzenplatz für Althusmann folgt Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (Bad Münder) auf Position zwei, Platz drei geht an den CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Dirk Toepffer (Hannover). Dann kommt die erste Neueinsteigerin, die 42-jährige Reisebüro-Kauffrau Melanie Rost-Reinecke aus Stade. Ihr folgt auf Rang fünf Finanzminister Reinhold Hilbers (Grafschaft Bentheim), Platz sechs geht an die JU-Spitzenkandidatin Sophie Ramdor, eine 29-jährige Lehrerin aus Braunschweig. Es folgen Wissenschaftsminister Björn Thümler aus der Wesermarsch, die 43-jährige Betriebswirtin Cindy Lutz aus Wolfsburg, CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner (Neustadt), die 41-jährige Agrarexpertin Verena Kämmerling aus Osnabrück, CDU-Fraktionsvize Uwe Schünemann aus Holzminden, die CDU-Abgeordnete Laura Hopmann aus Hildesheim, CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jens Nacke aus dem Ammerland, die CDU-Abgeordnete Veronika Koch aus Helmstedt, CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele aus Leer und die Abgeordnete Colette Thiemann aus Schaumburg. CDU-Fraktionsvize Jörg Hillmer (Uelzen) und die Agraringenieurin Katharina Jensen aus Friesland schließen sich an.

Auffällig an dieser Reihung ist, dass mit Rost-Reinecke, Ramdor, Lutz und Kämmerling gleich drei Frauen unter die ersten zehn Positionen kommen, die vorher noch nicht im Landtag waren. Über Thiele heißt es, er hätte sich einen höheren Platz gewünscht – und der Bezirk Elbe-Weser (Verden, Stade, Osterholz) hat mit Rost-Reinecke zwar weit oben einen guten Platz, danach kommt CDA-Landeschef Eike Holsten dann aber erst auf Rang 21. Auch die Mittelstandsvereinigung, heißt es, hätte sich auf höheren Plätzen gern noch einen Bewerber gewünscht – die Bundessprecherin Gitta Connemann soll das Resultat der Listenaufstellung daher eher kritisch bewerten. Einige männliche Bewerber wie die Braunschweiger Christoph Plett und Oliver Schatta landeten im Mittelfeld und hätten wohl auch auf einen besseren Platz gehofft. Doch vor der Schlussabstimmung gab es keine Diskussion in der Delegiertenversammlung darüber, eine breite Mehrheit stimmte für Althusmanns Vorschlag.

Bisher hat die CDU in Deutschland und Niedersachsen noch die Regel, dass von je drei Plätzen auf einer Liste mindestens eine Frau sein soll. Die Frauen-Union kämpft in verschiedenen Ebenen seit langem darum, diese Praxis durch eine förmliche Quote abzulösen, also ein Reißverschlussverfahren anzuwenden. Ein solches sieht vor, dass auf jeden männlichen Kandidaten eine weibliche Bewerberin folgen soll. Eine Entscheidung darüber in der Parteisatzung ist auf Bundesebene noch nicht gefallen.

Parallel gibt es auch in Niedersachsen politische Bestrebungen, die Parität auch gesetzlich festzuschreiben. In Brandenburg und Thüringen gab es schon Parlamentsbeschlüsse über Paritätsgesetze, sie wurden jedoch von Verfassungsgerichten gekippt. SPD, Grüne und Linkspartei stellen ihre Listen seit vielen Jahren paritätisch auf, nun folgt das erste Mal auch die CDU, sie zieht die Quotierung auf der Liste, die 96 Plätze hat, bis Rang 63 durch. Die FDP hat Frauen aufgestellt für die Plätze drei, sieben, acht, elf, 13 und 14 sowie auf später folgenden Plätzen. Die Reihenfolge der Landesliste ist entscheidend für die Frage, welcher Kandidat später in den Landtag einzieht. Bei der Landtagswahl 2017 hatte die CDU am Wahlabend 18 Kandidaten über die Liste ins Parlament gebracht, die Grünen zwölf und die FDP elf, bei der SPD hatte die Liste nicht gezogen – das geschah erst bei den Nachrückern.

Die CDU-Listenaufstellung hinterlässt auch einige Enttäuschungen bei Bewerbern, deren Wahlkreise nicht sicher sind und die auf eine bessere Platzierung gehofft hatten. Carina Hermann aus Göttingen kommt auf Platz 20, Esther Niewerth-Baumann aus Oldenburg landet auf 34, Diana Rieck-Vogt aus Hannover auf Rang 62.