Überraschender Wechsel in der Landesregierung: Umwelt- und Bauminister Olaf Lies (SPD) aus Sande (Kreis Friesland) wird das Kabinett verlassen und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) werden. Dieser Bericht, den das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zuerst verbreitete, wurde am Freitag in Regierungskreisen als „durchaus realistisch“ eingestuft.

Wechselt wohl in die Wirtschaft: Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies – Foto: Olaf Lies

Die Ankündigung der personellen Veränderung hat die Landespolitik wie ein Blitz getroffen, denn im Unterschied zu anderen Ministern, etwa Innenminister Boris Pistorius, galt Lies auch bis zuletzt als jemand, der das politische Geschäft in Hannover liebt und darin auflebt. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der Sozialdemokrat seinen Absprung planen könnte. Allerdings war neben Pistorius auch Lies ehrgeizig genug, nach Höherem zu streben. Bei einem Wechsel von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in die Bundespolitik, der nach wie vor möglich erscheint, hätte Lies zu denjenigen gehört, die Ambitionen auf die Nachfolge als Ministerpräsident gehabt hätten. Aus diesem Grunde hatte er erst vor wenigen Wochen einen neuen PR-Berater an seine Seite geholt, den pensionierten Journalisten Gunnars Reichenbachs. Gut denkbar ist, dass die jüngsten Veränderungen in der niedersächsischen SPD bei Lies die Erkenntnis haben reifen lassen, im Wettstreit mit den Genossen in Niedersachsen womöglich den Kürzeren zu ziehen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Weil immer deutlicher signalisiert, weiter Ministerpräsident in Hannover bleiben zu wollen. Damit verlässt Lies nun das Spielfeld, ohne dass es zur Kraftprobe zwischen den Machtblöcken gekommen wäre.

Keine Kraftprobe in der Niedersachsen-SPD

Der 52-jährige Lies ist Diplomingenieur für Elektrotechnik und hat vor seiner Wahl in den Landtag 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Wilhelmshaven gearbeitet und als Personalratsmitglied. 2010 wurde er zum SPD-Landesvorsitzenden gewählt und versuchte dann ein Jahr später, Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl 2013 zu werden. Dabei unterlag er in der parteiinternen Vorentscheidung gegen den jetzigen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Bis heute ist es Lies bei all seiner Popularität nicht gelungen, in der niedersächsischen SPD, der er erst seit 2002 angehört, eine starke Hausmacht aufzubauen. In der ersten Amtszeit von Weil als Ministerpräsident, einer rot-grünen Koalition, wurde Lies Wirtschaftsminister. Nach der Landtagsneuwahl 2017 beanspruchte die CDU das Wirtschaftsministerium – Lies musste sich mit dem Umweltressort begnügen, bekam aber die Zuständigkeit für die Baupolitik dazu, auch das wichtige Feld der Energiepolitik ressortiert bei ihm.

Nach allgemeiner Einschätzung kam Lies mit dem Wechsel des Ministeriums gut zurecht. Es war ihm mit seiner zugewandten und offenen Art gelungen, in vielen Bereichen Sympathien zu wecken. Auch zu den Vertretern der Wirtschaft hielt er stets guten Kontakt, das mag jetzt mit ein Grund dafür sein, dass der SPD-Politiker für das Amt des BDEW-Hauptgeschäftsführers ins Gespräch kam. Die Dienstzeit seines Vorgängers Stefan Kapferer endet bald – Kapferer war FDP-Landesgeschäftsführer in Niedersachsen und Wirtschafts-Staatssekretär in Hannover, bevor er in die Wirtschaft ging. Bei der anstehenden Energiewende und Klimapolitik, die ohne kräftige Mitwirkung der Energie- und Wasserwirtschaft nicht zu managen ist, bekommt der BDEW eine wichtige Rolle. Lies ist dafür auch als niedersächsischer Energieminister bestens vorbereitet. Ein Schönheitsfehler wäre allerdings, dass die sonst beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft notwendige Karenzzeit hier offenbar nicht vorgesehen ist.


Der Umweltminister ist auch ein Experte für Energiepolitik. Aber wird die beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft notwendige Karenzzeit eingehalten?

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Die Suche nach einem neuen Umweltminister läuft

In Hannover herrscht nun zunächst Ratlosigkeit. Wer soll neuer Umweltminister werden? Zwar hat die niedersächsische SPD einen bundesweit anerkannten Umweltexperten, es ist der Bundestagsabgeordnete und neue hannoversche SPD-Bezirksvorsitzende Matthias Miersch (50) aus Laatzen. Doch der ist in der Bundespolitik derart etabliert, dass ein Wechsel in die Landespolitik für ihn mit Einbußen an Reputation verbunden sein könnte. In der Landtagsfraktion ist Fraktionsvize Marcus Bosse (54) aus Wolfenbüttel für Umweltpolitik zuständig – aber fraglich ist, ob er den Ehrgeiz hätte, Minister zu werden. Die Reihe der SPD-Landtagsabgeordneten, die ebenfalls in Betracht kämen, sind bisher in der Umweltpolitik nicht allzu stark engagiert – das gilt etwa für Fraktionsvize Christos Pantazis aus Braunschweig oder Ulf Prange aus Oldenburg.

Als einer der wenigen im Landtag, die am ehesten umweltpolitisch ein Profil entwickeln könnten, gilt SPD-Landesgeneralsekretär Alexander Saipa aus Goslar, ein promovierter Chemiker mit Erfahrungen in der Industrie. Denkbar wäre aber auch, dass Weil jemand von außen in das Ministerium holt – etwa eine erfahrene oder kompetente Kommunalpolitikerin.

Wie es aus der Staatskanzlei heißt, erwartet Ministerpräsident Stephan Weil von Lies, dass er sich bis Montag entscheidet, ob er zum Bundesverband wechseln möchte oder nicht. Angeblich hat sich Lies allerdings jetzt schon definitiv festgelegt. Viele in der engeren SPD-Führung wurden davon allerdings am Freitag kalt erwischt.