Dem niedersächsischen Agrarministerium fehlen im kommenden Doppelhaushalt nach aktuellem Stand rund 25 Millionen Euro, um künftig Bundesmittel in Höhe von knapp 38 Millionen Euro abrufen zu können. Wie Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) am Mittwoch im Agrarausschuss des Landtags berichtete, könne die Co-Finanzierung der sogenannten ELER-Mittel derzeit nicht sichergestellt werden. Diese Gelder seien beispielsweise zur Unterstützung bei der Dorferneuerung wichtig.

„Sollte es in der parlamentarischen Beratung nicht gelingen, diese Finanzierungslücke zu schließen, wird das erhebliche Einschnitte in der Förderung des ländlichen Raums bedeuten“, sagte Otte-Kinast. Es sei ihrer Ansicht nach nicht möglich, sich diese Summe Jahr für Jahr „aus den Rippen zu schneiden“ zumal die Summe in der mittelfristigen Planung auf bis zu 18 Millionen Euro jährlich anwachsen werde.

Insgesamt sei ihr Einzelplan mit 1,2 Prozent der kleinste Posten im Gesamthaushalt, führte die Ministerin aus. Angesichts der Herausforderungen etwa durch den Klimawandel oder durch die gestiegenen Erwartungen der Verbraucher könne sie dies nicht nachvollziehen. „Es gibt keine Landtagssitzung ohne eine Debatte zur Landwirtschaft.“ Das mache deutlich, wie relevant ihr Ministerium sei. „Ich fühle mich schon als Verliererin im Kabinett“, sagte Otte-Kinast im Agrarausschuss, woraufhin sie fraktionsübergreifend Rückendeckung erhielt für weitere Gespräche mit dem Finanzressort.

Gesellschaftsvertrag wird finanziell unterfüttert

Agrarministerin Barbara Otte-Kinast. – Foto: ML/Timo Jaworr

Als besonderes Projekt für die kommenden Jahre kündigte die Landesministerin das Maßnahmenpaket mit dem Titel „Stadt.Land.Zukunft“ an. Dieses soll die Fortführung und vor allem finanzielle Unterfütterung des von Otte-Kinast seit einigen Jahren vorangetriebenen Gesellschaftsvertrags darstellen. „Der Vertrag basiert auf einem breit angelegten Dialogprozess, den wir in dieser Woche starten und mit konkreten Projekten unterfüttern“, erläuterte sie. Veranschlagt werden dafür 31,5 Millionen Euro, die dem „Wirtschaftsförderfonds ökologischer Bereich“ entnommen werden sollen. Zu den konkreten Projekten, die damit angestoßen werden sollen, gehören laut Ministerin etwa ein „Klima-Label“, das analog zum „Nutri Score“ den Verbrauchern übersichtlich deutlich machen soll, welche Klimabilanz bestimmte Lebensmittel haben. Dadurch soll die Marktsituation von saisonalen und regionalen Lebensmitteln gestärkt werden. Darüber hinaus sollen Partnerschaften zwischen Produzenten und Einzelhandel aber etwa auch Gemeinschaftsverpflegungen unterstützt werden. Finanzielle Förderung soll es zudem für mobile Molkereien und Schlachtereien geben. Auch der Öko-Landbau soll über das Maßnahmenpaket gefördert werden, dabei setzt die Ministerin weiterhin auf ihre Strategie der Öko-Modellregionen.

Den Grünlandbetrieben wird es kaum möglich sein, von den geplanten Öko-Regelungen zu profitieren.

Nach der Einbringung des Haushaltsplan-Entwurfs ging es für die Ministerin weiter nach Dresden: Bei der am heutigen Donnerstag beginnenden Agrarministerkonferenz (AMK) möchte sie die Situation der tierhaltenden Betriebe in den Fokus rücken. Gleich zwei Anträge wird sie dazu einbringen, einen davon hat sie bereits im Vorfeld mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geeint. Bei diesem Gemeinschaftsantrag geht es um die sogenannten Öko-Regelungen, die in der neuen Förderperiode der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eine wichtige Rolle spielen.

Niedersachsen möchte in der AMK durchsetzen, dass weitere dieser Öko-Regelungen für Milchviehbetriebe eingeführt werden. „Den Grünlandbetrieben wird es kaum möglich sein, von den geplanten Öko-Regelungen zu profitieren. Sie verlieren damit Direktzahlungen. Das erzeugt eine Unwucht, die wir so nicht hinnehmen können, zumal den Betrieben auf reinen Grünlandstandorten die Alternativen fehlen“, erklärte Otte-Kinast.

Weiterer Antrag zum Schweinemarkt

Der zweite Antrag aus Niedersachsen beschäftigt sich mit der dramatischen Lage auf dem Schweinemarkt. Die Landwirte in diesem Sektor befinden sich derzeit in einer angespannten Situation, weil zum einen der Absatzmarkt eingebrochen ist. Dabei spielen die Corona-Pandemie aber auch die „afrikanische Schweinepest“ eine wesentliche Rolle. Zum anderen steigen die Kosten für Futtermittel. Otte-Kinast möchte nun verhindern, dass es zu Strukturbrüchen kommt und allzu viele Betriebe in die Pleite steuern. Mit ihren Ministerkollegen der anderen Länder möchte sie dafür werben, die finanziellen Folgen der neugeregelten Umsatzsteuer für schweinehaltende Betriebe abzufedern. Es soll gemeinsam zum Ausdruck gebracht werden, dass die Minister die gängige Praxis am freien Markt, die schlechte Marktlage der Betriebe wirtschaftlich auszunutzen, rügen.

Außerdem drängt Otte-Kinast erneut darauf, dass die Vorschläge der sogenannten Borchert-Kommission zur tierwohlgerechten Umgestaltung der Nutztierhaltung zügig umgesetzt werden. Im Baurecht soll geprüft werden, ob hier eine Anpassung vorgenommen werden kann, damit Ställe von Betrieben, die aus der Schweinehaltung aussteigen, dauerhaft stillgelegt werden können. Zudem pocht die Ministerin auf ein Bekenntnis der Unternehmen zum Standort Deutschland. In der niedersächsischen Landwirtschaft ist derzeit die Forderung nach der „5D“-Regel populär. Diese besagt, dass nur Produkte verwendet und vertrieben werden sollen, die von der Geburt bis zur Ladentheke in Deutschland erzeugt und verarbeitet worden sind.