Hat Facebook die US-Wahl entschieden? Die These, dass es so gewesen sein könnte, war in den vergangenen Tagen vielfach zu lesen. Fakt ist: Rund zwei Drittel der Amerikaner informieren sich inzwischen über soziale Medien, fast die Hälfte holt sich die Informationen ausschließlich über Facebook. Auch in Niedersachsen spielen soziale Medien eine große Rolle. Vermutlich etwa drei Millionen Menschen nutzen hier Facebook. Das ist rein von der Zahl her etwa die Hälfte der Wahlberechtigten.

Kümmern sich die Parteien in Niedersachsen adäquat um diese große Zielgruppe? Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs sieht das eher nicht. „Grundlegende Hausmannskost“, so nennt er die Aktivitäten der niedersächsischen Fraktionen und Parteien in den sozialen Medien. „Große Textlöcke, keine audiovisuellen Anker: Es werden nur Erfolgsmeldungen herausposaunt, die man zusammengestückelt hat“, kritisiert Fuchs im Gespräch mit dem Rundblick. Auf Facebook finde sich nur eine Replikation dessen, was die Parteien in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hätten.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Das Gegenbeispiel ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil. Ihn kann man kennen, ohne ihn je persönlich kennengelernt zu haben. 6000 Facebook-Fans, 15.000 Twitter-Follower und 2000 Instagram-Abonnenten hat er. Sogar eine Fragestunde per What’s App bot Klingbeil kürzlich an. „Ich habe als junger Abgeordneter eine Affinität dazu“, erklärt er dem Rundblick und sieht eine massive Entwicklung im Bereich der sozialen Medien. „Eine Bundestagswahl kann 2017 nicht mehr ohne social media gewonnen werden“, ist Klingbeil überzeugt. „Vor zwei Wahlkämpfen war es noch ein bisschen Dekoration, und im letzten Wahlkampf hieß es, man müsse es machen, weil es wichtig sei. Die Wahl 2017 wird nun wahrscheinlich im Netz entschieden.“ Dafür müssten die Parteien auch ihre Sprache verändern. „Bei aller inhaltlichen Kritik, die ich am künftigen US-Präsidenten Trump habe, so hat er doch verstanden, wie man Menschen anspricht. Es geht um einfache Worte, einfache Bilder und darum, die Menschen emotional abzuholen“, sagt Klingbeil.

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Mit dem „emotionalen Abholen“ hat Niedersachsens CDU-Generalsekretär Ulf Thiele so seine Schwierigkeiten. Am wichtigsten sei, dass man als Partei authentisch bleibe. „Wir wollen uns in sozialen Medien nicht völlig verbiegen“, meint Thiele. Man müsse zwischen Parteien und einzelnen Politikern unterscheiden. „Als Person kann ich anderes agieren. Für Parteien ist das alles etwas komplexer: Die wollen informieren und diskutieren.“

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Thiele ist das personifizierte ostfriesische Gegenstück zu den atemlosen Hypes im Internet. Das Phänomen der erstaunlichen Zahl von AfD-Fans auf Facebook sieht Thiele deshalb ebenfalls gelassen. In Niedersachsen folgen der AfD mehr als 10.000 Menschen auf Facebook. Die Landesparteien von CDU und SPD kommen jeweils auf 8.600 beziehungsweise 7.300 Facebook-Fans. „Bei der AfD sind das immer die gleichen Leute und es sieht nach mehr aus als es in Wirklichkeit ist. Die Anhänger halten sich vor allem in Filterblasen auf“, konstatiert Thiele. Auf der anderen Seite gebe es schließlich auch hunderte Facebook-Seiten von CDU-Persönlichkeiten. Die Zahl der vermeintlichen AfD-Anhänger im Netz macht Thiele keine Sorge, wohl aber die Tonalität. Dem CDU-Generalsekretär missfällt, dass das „Umfeld der AfD zum Teil sehr aggressiv unterwegs“ ist.

Dagegenhalten – darum geht es SPD-Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer. Diese Hassgeschichten seien früher am Stammtisch vermutlich auch ausgetauscht worden, meint er. „Aber da hat dann irgendwann der stellvertretende Chef der Freiwilligen Feuerwehr im Wirtshaus gesagt: ‚So Freunde, jetzt kriegt Euch mal wieder ein‘- das fehlt in den von der Leine gelassenen sozialen Medien“, bemängelt er und fordert: „Wir müssen das Dagegenhalten in der Echokammer wieder organisieren.“ Das meint auch Klingbeil: „Man unterstützt sich zu wenig im Netz. Populisten stützen sich viel stärker und kommentieren ständig. Das schauen sich etablierte Parteien allerdings derzeit genau an und versuchen auch, darauf zu reagieren.“

Auch Politikberater Martin Fuchs rät davon ab, sich von den reinen Zahlen auf der Facebook-Seite der AfD Niedersachsen blenden zu lassen: „Sie ist mit 10.000 Fans auf den ersten Blick eine erfolgreiche Facebook-Partei – aber sie ist nicht wirklich erfolgreich. Da klicken auch viele Leute, die keine Wähler in Niedersachsen sind.“ Die AfD-Anhänger seien bundesweit untereinander einfach gut vernetzt.

Dennoch müssten die etablierten Parteien umdenken und aktiver werden. Fuchs zweifelt allerdings daran, ob die Parteien für eine Kultur des Diskurses überhaupt offen sind. „Meine These: Gerade die Volksparteien sind dafür nicht gemacht“, meint der Blogger. „Die haben gewachsene hierarchische Strukturen. In sozialen Medien geht es aber darum, reaktionsschnell zu sein und auch einmal öffentlich einen Fehler zuzugeben. „Ich sehe nicht, das bei vielen Entscheidern an der Spitze der Parteien der Wille dazu da ist.“

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Allerdings hat man bei CDU und SPD verstanden, dass mehr Ressourcen für soziale Medien nötig sind. Die Politik in Deutschland fremdelt ein wenig mit den sozialen Medien, gibt SPD-Landesgeschäftsführer Brockmeyer zu. „Gerade die etablierten Parteien sind vielleicht ein bisschen schwerfällig und machen oft Öffentlichkeitsarbeit wie vor 15 Jahren.“ Für die SPD Niedersachsen stellt Brockmeyer fest: „Ich bin noch nicht zufrieden, wo wir sind. Aber wir arbeiten daran und wollen auch noch mehr tun.“ Thiele erklärt, dass die CDU sich nun auch auf Bundesebene für den Bereich der sozialen Medien personell verstärken möchte. Bundesgeneralsekretär Peter Tauber „schaufele dafür gerade Ressourcen frei“. Und die CDU Niedersachsen wollen sich hier ebenso verstärken.

Thiele macht aber auch deutlich, wo für ihn die Grenzen liegen. „Die Strategie, es muss alles hip und toll und neu sein, funktioniert nur so lange, wie es am Ende von den Botschaften her noch die CDU ist. Und die ist eben auch bürgerlich und konservativ.“ Es gehe nicht nur darum, „superhip“ zu sein, sondern auch darum, weiter Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit auszustrahlen. (MB.)

Hier finden Sie den Rundblick in den sozialen Medien: 

Facebook      Twitter      soundcloud