Bei den Grünen in Niedersachsen gibt es große Vorbehalte gegen den sogenannten Islamvertrag. Auf dem Landesparteitag in Oldenburg löste am Sonntag ein Antrag des Ortsverbands Lehrte eine heftige Debatte aus. In dem Antrag wurde gefordert, die Verhandlungen mit dem Verband Ditib einzustellen. „Es ist keine Politik der Grünen, mit Verbänden, die für eine Diktatur werben, Verträge zu schließen“, sagte der Delegierte Dündar Kelloglu aus Lehrte. Ditib sei der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Erdogan, die Türkei habe sich zu einer Diktatur entwickelt. Abdulselam Dogan aus Barsinghausen beklagte, er könne einen Vertrag mit Ditib nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Der Verband agiere in den Moscheen religiös und politisch. Weitere Delegierte kritisierten, mit den Ditib-Verhandlungen werde eine Diktatur unterstützt. Sie forderten ein Moratorium.

Der neue Vorstand der Landesgrünen nach der Wahl - Foto: MB.

Der neue Vorstand der Landesgrünen nach der Wahl – Foto: MB.

Landtagsabgeordnete verteidigten wiederum den Kurs der Fraktion und stellten sich hinter einen Antrag des Landesvorstands, der eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Ditib vorsah. „Wir verurteilen den Weg in die Diktatur“, sagte der Landtagsabgeordnete Volker Bajus unter Bezug auf die Türkei. Die Antwort auf Verfolgung und Unterdrückung dürfe jedoch nicht Ausgrenzung sein. „Es kann nicht die Antwort sein, den Integrationsprozess in Deutschland zu stoppen. Hauen wir hier nicht eher etwas kaputt, was uns hilft?“ , fragte Bajus. Der Abgeordnete Belit Onay meinte, der Vertrag sei kein Ritterschlag für diese Verbände. Am Ende der lebhaften Debatte stimmte eine deutliche Mehrheit der Delegierten dem Antrag des Landesvorstands zu. Die Grünen lehnen „trotz der schwierigen politischen Rahmenbedingungen einen Abbruch der Vertragsverhandlungen ab“, heißt es darin.

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Am Samstag hatte die Partei ihre Doppelspitze im Amt bestätigt. Meta Janssen-Kucz und Stefan Körner wurden auf dem Parteitag in Oldenburg wiedergewählt. Janssen-Kucz lag mit 77,1 Prozent rund fünf Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis vom Februar 2015. Körner erhielt 70,8 Prozent der Delegiertenstimmen. Beim letzten Mal waren es etwa zwei Prozentpunkte mehr. In seiner Bewerbungsrede ging Körner auf Vorwürfe ein, er sei in der Öffentlichkeit zu wenig präsent. „Ich bin nicht profilierungssüchtig und nicht der lauteste Mensch auf der Welt“, sagte Körner vor den rund 160 Delegierten. Er sehe sich eher in der Rolle des Vermittlers. Janssen-Kucz warb in ihrer Rede für eine offene und tolerante Gesellschaft. „Meine grüne DNA lässt gar nichts anderes zu. Die Grünen müssen sichtbar links sein“, so die Vorsitzende.

https://soundcloud.com/user-385595761/3-fragen-3-antworten-grunen-chefin-meta-janssen-kucz

Zuvor hatten die Grünen einen Leitantrag zur inneren Sicherheit beschlossen. Darin fordern sie unter anderem, die Polizei von Bürokratie zu entlasten. Zudem sollen die Staatsanwaltschaften einen stärkeren Fokus auf das Thema Computer-Kriminalität legen. Zumindest ansatzweise kontrovers diskutiert wurde die Forderung, die Lagerung von Schusswaffen in Privathaushalten zu verbieten. Ein Teil der Delegierten befürchtete Nachteile, zum Beispiel für Jäger. Schon jetzt gebe es für Jäger klare Vorgaben und Kontrollen, sagte der Delegierte Marcus Jordan aus Uelzen: „Wir halten ein Verbot deshalb nicht für eine sinnvolle und angemessene Entwicklung.“ Parteichefin Janssen-Kucz widersprach: „Ich plädiere sehr leidenschaftlich für eine starke und harte Verschärfung des Waffenrechts.“ Sie frage sich, ob die Kontrollen in den Landkreisen wirklich so regelmäßig stattfänden. „Eigentlich sind unsere Kommunen damit überfordert“, so Janssen-Kucz. Der Vorschlag des Vorstands bekam am Ende eine breite Mehrheit. Demnach dürfen Schusswaffen nicht mehr in privaten Haushalten gelagert werden. Dies soll nur unter behördlicher Kontrolle möglich sein, sofern ein öffentliches Interesse besteht. Diese Einschränkung soll zum Beispiel Jägern und Förstern das Leben leichter machen.

https://soundcloud.com/user-385595761/claudia-roth-beim-landesparteitag-der-grunen

Den politischen Standort der Grünen verdeutlichte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die als Gastrednerin nach Oldenburg gekommen war. „Die Zeiten sind irre geworden“, sagte Roth. Was sei nur in einer Welt los, in der vielen Menschen das Prinzip Putin attraktiver erscheine als das Prinzip der Freiheit. Roth hielt ein Plädoyer gegen zunehmenden Populismus. „ Nötig sind Haltung, Gesicht zeigen, Mut und Empathie“, das gab sie den rund 160 Delegierten in der Weser-Ems-Halle mit auf den Weg. Die Grünen müssten weiter Benachteiligte in der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen. Roth nannte dabei exemplarisch Frauen und Menschen ohne Arbeit oder mit prekären Jobs. Man dürfe sich nicht die Themen von den Rechtspopulisten aufdrängen lassen. „Wir befeuern keine AfD. Dieser Vorwurf ist aberwitzig“, sagte Roth und griff damit Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von der Grünen an. Dieser hatte in einem Gastbeitrag geschrieben, die „kulturelle Hegemonie“ der Grünen habe indirekt zum Aufstieg der AfD beigetragen habe. „Wir sollten das Moralisieren lassen“, so Kretschmann. Roth wünschte sich Oldenburg dagegen, dass in den nächsten Wahlkämpfen viel Moral im Spiel sei. „Eine Politik ohne Moral führt automatisch zu einer unmoralischen Politik“, so Roth.