Tut das Land zu wenig, um die angespannte Situation in den Kinderkliniken abzuwenden? Zu dieser Frage haben sich CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner und Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) am Dienstag im Landtag einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Lechner begann seine Ausführungen in der von der CDU-Fraktion beantragten aktuellen Debatte mit Schilderungen eines Klinikbesuchs, den er kürzlich absolviert hatte. Er führte aus, wie eine verzweifelte Mutter ihm ihr Leid geklagt habe, weil es nicht ausreichend Personal für ihr erkranktes Kind gebe. Die Klinik habe zwei Stationen schließen müssen. An Ministerin Behrens gewandt sagte er dann anklagend: „Eine sehr ernsthafte Überlastung unserer Kindermedizin braucht engagiertes und anpackendes Krisenmanagement.“

Gesundheitsministerin Daniela Behrens und Oppositionsführer Sebastian Lechner haben sich im Landtag einen Schlagabtausch geliefert. | Screenshots: NDR/Plenar-TV

Konkret richtete Lechner drei Forderungen an die rot-grüne Landesregierung, wie diese auf die akute Notlage reagieren sollte. So forderte er, dass auch die Pflegekräfte in den Kinderkliniken einen Pflegebonus erhalten sollten. Sie seien bei der Auszahlung der Corona-Boni schließlich leer ausgegangen, weil sie sich nicht um erwachsene Patienten zu kümmern hatten. Außerdem forderte Lechner, die Pflegekräfte in diesem Winter vorübergehend von Dokumentationspflichten zu entlasten. Diesen Schritt sei man in der Corona-Pandemie bereits einmal gegangen, erinnerte er. Zuletzt sollte die Landesregierung die Kliniken kurzfristig finanziell unterstützen, damit diese mehr Personal einstellen können. Konkret solle die N-Bank Kredite als Überbrückungshilfen gewähren, bis die zugesagten Gelder des Bundes Ende des Jahres ausgezahlt werden können. Dafür reiche ein einfacher Kabinettsbeschluss aus.

Die Gesundheitsministerin wies die Vorwürfe unterdessen vehement zurück und warf Lechner Populismus vor, auch weil er die Forderung nach Bonuszahlungen nicht mit einer konkreten Summe hinterlegt habe. Solange ein CDU-Politiker das Finanzministerium geführt hatte, hätte die CDU-Fraktion eine solche Forderung zudem nicht aufgestellt, mutmaßte Behrens. Zur konkreten Notsituation erklärte die Ministerin, dass laut Robert-Koch-Institut derzeit bundesweit zehn Millionen Menschen erkrankt seien – dies zeige sich auch in den Kliniken. „Es ist gut, dass wir auch heute über das Gesundheitswesen sprechen, denn wir haben eine ernste Situation. Die Pandemie wandelt sich zwar langsam zur Endemie, hinterlässt aber eine gesundheitlich stark angegriffene Gesellschaft“, führte Behrens weiter aus.

„Lage ist ernst, aber wir können die Kinder gut versorgen.“

Das RS-Virus, das in diesem Jahr früher grassiert als üblich, treffe auf eine angeschlagene Bevölkerung, deren Immunabwehr auch aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen nicht ausreichend ausgebildet sei. Niedersachsen verfüge aber über 31 Kinderkliniken mit insgesamt mehr als 1400 Betten, auf den Intensivstationen gebe es zudem 71 betreibbare pädiatrische Betten, von denen aktuell 12 als frei gemeldet seien, referierte die Ministerin und sagte: „Die Lage ist ernst, aber wir können die Kinder gut versorgen.“ Damit wollte sie vor allem ein Signal der Beruhigung an die Eltern im Land richten. Die Kinderkliniken und die Kinder seien „in guten Händen“, erklärte die Ministerin in Anspielung auf den Wahlkampfslogan der Sozialdemokraten. Das Hauptproblem aber sei das bisherige DRG-System zur Finanzierung der Krankenhäuser, bei dem es zu niedrige Fallpauschalen gebe. Dieses werde der Bundesgesetzgeber nun ändern, was auch auf eine Bundesrats-Initiative der rot-schwarzen Vorgänger-Landesregierung zurückgehe, erläuterte Behrens.



Angesichts der Komplexität der Situation bemängelte die Ministerin, die CDU spiele vor, dass sich die Probleme „mit einem Federstrich“ erledigen ließen. „Was nicht geht, Herr Lechner, ist, dass Sie so tun, als gäbe es hier eine einfache Lösung.“ Lechner entgegnete wiederum, er hege keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Klinikpersonals. „Ernsthafte Zweifel“ hege er aber an dem Willen der Landesregierung, die akute Krise bewältigen zu wollen.  Die Aussagen der Ministerin zeigten, dass die Landesregierung den Pflegebonus für Beschäftigte der Kinderkliniken nicht wolle. „Wir haben diese aktuelle Debatte nicht beantragt, um über die allgemeine Situation des Gesundheitswesens zu diskutieren“, sagte er – auch in Bezug auf die Ausführungen der übrigen Landtagsfraktionen. Diese hatten wiederholt deutlich gemacht, dass das Gesundheitssystem und die Krankenhausfinanzierung generell und schon seit langem problematisch seien und reformiert gehörten.

Thela Wernstedt (SPD) erklärte, alle Pflegenden und Ärzte „verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung, aber damit ist es nicht getan. Sie profitieren mehr davon, wenn wir das System grundlegend verändern.“ Tanja Meyer (Grüne) meinte, auf die akute Notlage reagierten die Pflegekräfte untereinander mit Solidarität. Die Politik unterstütze sie unterdessen am besten, indem sie die Perspektive geben, dass sich bald etwas verändere. Zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs könnte das Land etwa durch Digitalisierung und eine angemessene bauliche Ausstattung der Kliniken beitragen, was durch den Nachtragshaushalt etwa unterstützt werde. Delia Klages (AfD) mahnte: „Bitte hören Sie auf, das Pflegepersonal immer nur ‚wertschätzen‘ zu wollen. Diese Phrase kann niemand mehr hören.“