Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister und mit Abstand der beliebteste deutsche Politiker, hat am Donnerstagabend um 19.40 Uhr seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erklärt. Er betonte, diese Entscheidung sei von ihm „souverän, persönlich und ganz eigen“ getroffen worden – also, so kann man sagen, ohne Druck der SPD-Spitze. In der zurückliegenden Woche hatte die SPD-interne Debatte an Fahrt gewonnen, vor allem am Dienstag, als die Vertreter des linken und des rechten Flügels in der Bundestagsfraktion für Pistorius Partei ergriffen hatten. Dies war von großen Sympathien auch in der niedersächsischen SPD-Landesgruppe der Bundestagsfraktion begleitet worden. Aber niedersächsische SPD-MdBs wollten sich nicht öffentlich äußern. Allerdings hatten Ministerpräsident Stephan Weil und SPD-Chef Lars Klingbeil für ein Festhalten an Kanzler Olaf Scholz und damit gegen einen Wechsel zu Pistorius plädiert – wiederholt auch öffentlich. Gemutmaßt wird, dass es in den vergangenen Tagen deshalb eine abwartende Haltung der Parteiführung gab, weil einige Vorstandsmitglieder auf einen Verzicht von Scholz gehofft hatten. Dazu aber zeigte sich Scholz nicht bereit, und so musste Pistorius einlenken, um den Schaden für die Sozialdemokraten nicht noch größer zu machen. Die Nachricht am Donnerstagabend dürfte viele SPD-Anhänger irritieren, die auf ein Aufbruchsignal mit einem neuen Spitzenkandidaten gehofft hatten.