Die Unterrichtsversorgung ist in Niedersachsen ein weiteres Mal gefallen. Das geht aus aktuellen Zahlen zum zweiten Schulhalbjahr des Kultusministeriums hervor. Demnach sank die Unterrichtsversorgung im Vergleich zum vergangenen Jahr um weitere 0,2 Prozentpunkte und liegt nun bei 98,9 Prozent. Seit dem Jahr 2012, in dem der Wert noch bei landesweit 102 Prozent lag, ist die Versorgung damit nahezu kontinuierlich gesunken, obwohl die Zahl der Schüler im gleichen Zeitraum um rund sechs Prozent gefallen ist.

Die Versorgung bleibt je nach Schulform sehr unterschiedlich. So liegt sie in Gymnasien bei 100,7 und in den Grundschulen bei 100,6 Prozent. Die niedrigsten Werte gibt es an Förderschulen (93,1 Prozent), Hauptschulen (95,6 Prozent) und Oberschulen (95,9 Prozent). Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne sprach von einer „durchaus angespannten Lage“ und einer großen Aufgabe. Die Versorgung sei auch in diesem Schuljahr zu gering. „Mein Ziel ist, dass wir durch die Talsohle kommen und die Unterrichtsversorgung im nächsten Schuljahr verbessern.“

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Um die Lage an den Schulen in den Griff zu bekommen, ist auch die Zahl der Abordnungen von Lehrern erneut gestiegen. Fast 2900 Lehrer wurden zum 1. Februar an andere Schulformen abgeordnet. Das sind fast 30 Prozent mehr als im ersten Schulhalbjahr. Knapp 760 Gymnasiallehrer wurden an Grundschulen abgeordnet – eine Steigerung von fast 75 Prozent. Gerade bei den Grundschulen gebe es ein Problem durch Bewerbermangel, sagte Tonne. Dieser Engpass setze Lehrer, Schulen und Politik unter Druck. „Das ist eine hohe Belastung für die Lehrer. Die Abordnungen sind auch für uns kein Spaß, wir würden das gerne vermeiden“, sagte Tonne. „Wir müssen diese Lehrerkarawanen durch Niedersachsen stoppen“, kündigte der Kultusminister an. Aktuell liege zum Schulhalbjahr aber keine realistische Alternative auf dem Tisch, wie man das Verfahren ändern könne.

„De facto-Einstellungsgarantie“ für Lehramtsstudenten

Tonne hofft, dass sich die Lage mittelfristig entspannt. Zum neuen Schuljahr werden man voraussichtlich 2000 Lehrerstellen ausschreiben können. „Damit haben wir de facto eine Einstellungsgarantie. Wer sein Staatsexamen besteht und seine Seminare durchläuft, kann eingestellt werden. Und wir werden auch mit Nachdruck darum werben, dass die Lehrer, die in Niedersachsen ausgebildet werden, auch im Land bleiben.“ Darüber hinaus will Tonne das Verfahren für Quereinsteiger beschleunigen. Die hohen Qualitätsstandards für Lehrer müssten dabei aber bestehen bleiben, mahnte der Kultusminister. Tonne plädierte ebenso für eine Werbekampagne für den Lehrerberuf in Niedersachsen. „Wir sind da im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr zurückhaltend.“

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Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Mareike Wulf, bezeichnete die Abordnungen von Lehrer als großes Ärgernis. Ein Dauerzustand dürfe die hohe Zahl von Abordnungen nicht sein. „Ich erwarte zum Schuljahresbeginn im August eine deutliche Reduzierung“, sagte Wulf. Der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling zeigte sich über die Zahlen des Kultusministeriums entsetzt. „Die Zahlen sprechen ein vernichtendes Urteil über die Bildungspolitik in Niedersachsen. Wenn der Beruf des Lehrers nicht schnell aufgewertet wird durch eine bessere Besoldung und eine schnelle Einstellungsgarantie für Nachwuchskräfte, werden wir nicht genügend Lehrer finden, um den Schülern eine Unterrichtsgarantie geben zu können“, so Försterling.

Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Julia Willie Hamburg, meinte hingegen, wo keine Lehrer seien, könnten auch keine geschnitzt werden. „Es muss langfristig geplant und die Ausbildungsplatzkapazitäten aufgestockt werden – darüber hinaus braucht es einen bundesweiten Masterplan, damit sich die Länder nicht länger die Lehrer wegnehmen, die überall gebraucht werden“, meinte Hamburg.

Torsten Neumann , Vorsitzender des Verbandes niedersächsischer Lehrkräfte, kritisierte die seiner Ansicht nach mangelnde Unterstützung von Quereinsteigern durch die Landesschulbehörde. „Bislang ist diese Unterstützung sehr mau, die Hauptlast liegt bei den Lehrern in den Schulen vor Ort. Sie sind aber jetzt schon stark überfordert“, so Neumann. Deshalb sei zu befürchten, dass jede zusätzliche Einstellung von Quereinsteigern zu weiteren Belastungen der Lehrern führen werde.