Siemtje Möller (37) ist verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Außerdem führt sie den „Seeheimer Kreis“ in ihrer Fraktion, das Bündnis der eher zur Mitte tendierenden Sozialdemokraten. Beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick äußert sie sich zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, zu den Aussichten der SPD bei der Bundestagswahl und zu den Bündnisoptionen ihrer Partei.

Siemtje Möller zu Gast bei der Rundblick-Redaktion – Foto: DQM

Rundblick: Frau Möller, als die letzten Soldaten der Bundeswehr aus Afghanistan kürzlich in Wunstorf empfangen wurden, war kein Vertreter des Bundestages dabei. War das ein Fehler?

Möller: Ja. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die Verteidigungsministerin und Vertreter des Bundestages dabei gewesen wären. Wir sind stolz und rühmen uns mit unserer Parlamentsarmee. Es wäre würdevoll und angemessen gewesen, wenn wir den Soldaten zum Abschluss dieses Einsatzes ein symbolisches Zeichen des Dankes gegeben hätten. Die Bundeswehr hat in Afghanistan 59 Menschen verloren, 59 Menschen mit Familien und Freunden, die sie sehr vermissen. Sicher war es richtig, den Termin aus Sicherheitsgründen lange geheim zu halten. Aber die Ministerin, die an diesem Tag Gespräche in den USA führte, hatte sicher vorher einen Hinweis erhalten – sie hätte die Fraktionen informieren und auch selbst da sein können. Über die Gründe, dass das nicht geschah, kann ich nur spekulieren.

Rundblick: Noch leben in Afghanistan viele Menschen, die der Bundeswehr geholfen und sie unterstützt haben. Haben Sie Sorge, dass wir diese jetzt ihrem Schicksal überlassen?

Möller: Wir müssen ihnen helfen, es ist eine großzügige Regelung nötig, die diesen Mitarbeitern und auch ihren Familienangehörigen einen Wechsel nach Deutschland ermöglicht. Zwar haben die Taliban signalisiert, dass ihnen nichts geschehen solle. Aber wir alle ahnen, wie man solche Sätze einzuordnen hat. Es geht um rund 3500 Personen inklusive Familienangehöriger und ich bin hoffnungsfroh, dass es für diese eine Lösung geben wird – gerade weil der Bundesinnenminister seine Blockadehaltung diesbezüglich aufgegeben hat.

Was die Verteidigungspolitik angeht, gibt es in der SPD-Fraktion keinen grundsätzlichen Kurswechsel und keine Linksverschiebung.

Rundblick: Fühlt man sich eigentlich als verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion auf verlorenem Posten? Der Fraktionschef selbst hat ein Profil als Abrüstungs-Befürworter. Ihr Vorgänger Fritz Felgentreu trat vor einem halben Jahr zurück, weil er das fehlende Ja der SPD zur Anschaffung bewaffneter Drohnen nicht vertreten wollte. Können Sie diese Linksverschiebung mittragen?

Möller: Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Der Verteidigungsetat wurde seit 2014, also in einer Zeit der SPD-Regierungsmitverantwortung, fast verdoppelt. Viele wegweisende Projekte haben wir unterstützt, die Mehrheiten für den Verteidigungsetat sind immer zustande gekommen. Es gibt keinen grundsätzlichen Kurswechsel und keine Linksverschiebung. Was die Drohnen angeht, ist eine Frage tatsächlich bisher unklar: Sollen diese Objekte mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden und damit in der Lage sein, selbst Ziele zu identifizieren und auf diese dann zu schießen? Einen solchen Weg fände ich nicht akzeptabel. Ansonsten sind Drohnen, die einer menschlichen Kontrolle unterliegen, natürlich wichtig zum Schutz der Soldaten in Auslandseinsätzen.


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Rundblick: Hat der jüngste Anschlag in Mali den Befürwortern der Drohnen in der SPD noch einmal Rückenwind gegeben?

Möller: Das hoffe ich. Noch kann ich nicht sagen, ob im konkreten Fall die Drohne geholfen hätte. Die Details des Geschehens werden momentan noch zusammen getragen. Erst wenn alle Informationen vorliegen, ist eine solche Bewertung möglich.

Mein Eindruck ist: Es gibt unüberbrückbare Gegensätze, deshalb wird es nicht möglich sein, mit der Linken eine Koalition zu bilden.

Rundblick: Sollte es nach der Bundestagswahl Rot-Rot-Grün geben, kann man wohl nicht nur den Drohneneinsatz abschreiben, sondern Auslandseinsätze überhaupt, oder?

Möller: Ich sitze mit den Vertretern der Linkspartei gemeinsam im Verteidigungsausschuss. Mein Eindruck ist: Es gibt unüberbrückbare Gegensätze, deshalb wird es nicht möglich sein, mit dieser Partei eine Koalition zu bilden. Es beginnt beim Verhältnis zu Russland, geht weiter mit der Ablehnung der USA, dem kritischen Verhältnis zur Nato und endet mit deren Weigerung, auch nur irgendeinen Auslandseinsatz der Bundeswehr – auch solche zu humanitären Zwecken – zu unterstützen.

Siemtje Möller zu Gast bei der Rundblick-Redaktion – Foto: DQM

Rundblick: Was das Thema Russland angeht, gibt es aber in fast allen Parteien unterschiedliche Lager. Wie ist Ihre Haltung?

Möller: Die Sanktionen müssen aufrecht gehalten werden – weil Russland völkerrechtswidrig die Krim besetzt hält und die abtrünnigen Kräfte in der Ost-Ukraine unterstützt. In mehrfacher Hinsicht verletzt Russland damit die Territorialgrenzen. Die Ukraine hatte diese im Gegenzug zu ihrem Verzicht auf Atomwaffen zugesichert bekommen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen darf die Bevölkerung nicht unter den Sanktionen leiden, und wir brauchen mehr kulturellen Austausch, beispielsweise den Studentenaustausch, und wir brauchen gute wirtschaftliche Beziehungen. Bei all dem sind die USA unser wichtigster Bündnispartner.

Wer nicht Armin Laschet als Kanzler haben will, muss SPD wählen, damit Scholz es wird.

Rundblick: Sie sind die Sprecherin des „Seeheimer Kreises“ in der SPD-Bundestagsfraktion. Das sind die Nachfolger der einst von Egon Franke geführten „Kanalarbeiter“. Fühlen Sie sich in Ihrer Partei als eine „Rechte“ – und sind Sie dann nicht in einer hoffnungslosen Minderheit?

Möller: Nein. Seit Thilo Sarrazin die SPD verlassen hat, gibt es keine „Rechten“ mehr bei uns. In der Bundestagsfraktion gibt es drei Strömungen – die Seeheimer mit mir, die Linken mit Matthias Miersch und die Netzwerker mit Falko Mohrs. Der Seeheimer Kreis steht für umsetzbare Politik und prägt damit die SPD-Bundestagsfraktion. Olaf Scholz ist der Kanzlerkandidat, er steht im Wahlkampf ganz vorn und oben. Wir Seeheimer waren die ersten, die ihn unterstützt haben. Jedermann muss wissen: Wer nicht Armin Laschet als Kanzler haben will, muss SPD wählen, damit Scholz es wird. Zum Profil der Seeheimer gehört: Wir treten für eine realpolitische und pragmatische Linie ein, haben einen wirtschafts- und industriepolitischen Schwerpunkt.

Rundblick: Passt die Gender-Sprache zu jemandem, der nicht auf der linken Seite der SPD steht?

Möller: Ich achte in meiner Sprache immer darauf, dass Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen werden. Sprache erzeugt Bilder in den Köpfen der Menschen und muss dementsprechend Männer und Frauen gleichermaßen abbilden, um Stereotype aufbrechen zu können. Eine Gender-Sprechpause verwende ich allerdings nicht.