Die Corona-Verordnung lässt viel mehr Freiheiten als noch vor einigen Monaten. Heißt das, dass Ostern wie früher gefeiert werden kann – und kehren wir zu den alten Zeiten zurück? „Nein“, sagt Thomas Adomeit, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg. Seit einem Jahr steht der 52-Jährige auch an der Spitze der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Im Gespräch mit der Redaktion des Politikjournals Rundblick äußert er sich zu aktuellen Fragen der Zeit.

Bischof Thomas Adomeit im Gespräch mit Klaus Wallbaum und Niklas Kleinwächter | Foto: Link

Rundblick: Herr Adomeit, gibt es in diesem Jahr wieder ein „normales“ Osterfest in den Kirchen – so wie früher, vor der Pandemie?

Adomeit: Ein Zurück zu früheren Zeiten gibt es nicht, denn wir alle haben uns weiterentwickelt. Die Vorstellung, wir könnten das Leben einfach zurückdrehen, führt in die Irre. Zum einen, weil wir viele neue Formate gefunden haben. Zum anderen, weil die Pandemie nicht vorbei ist. Die Kirchen haben sich seit Ausbruch der Pandemie als überaus verantwortungsbewusst erwiesen. Wir hatten zur Vorsicht geraten und Schutzvorkehrungen empfohlen – und das hat offenbar gewirkt. Ich kenne keinen Fall, in dem eine Veranstaltung unserer evangelischen oder katholischen Kirchen oder ihrer Verbände zu einem Hot-Spot der Virusverbreitung geworden wäre. Viele Menschen, die etwa Gottesdienste besuchen, sind älter oder gesundheitlich beeinträchtigt. Kleine Kinder konnten noch gar nicht geimpft werden. Alle Verantwortlichen in den Kirchengemeinden sind sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen. Jetzt werden die Gottesdienste vermutlich wieder voller werden – und wir bitten wieder darum, auf die Abstände zu achten.

„Die Kirche lebt von Beteiligung, von persönlicher Begegnung.“

Rundblick: Wird zu Ostern in den Gottesdiensten wieder gesungen?

Adomeit: Das entscheidet jede Kirchengemeinde für sich. Denn das hängt von vielen verschiedenen Parametern ab: Wie groß ist die Kirche? Wie viele Menschen finden darin Platz? Wo es eng ist und wo die Zahlen hoch sind, lautet eine unserer Empfehlungen beispielsweise: Ja, ihr könnt singen – aber dann bitte mit einer Maske.

Bedenkenträger führen in der Kirche nun nicht mehr das Wort, meint Bischof Thomas Adomeit | Foto: Link

Rundblick: Was meinen Sie, hat die Corona-Pandemie die Kirche eher geschwächt oder vielleicht sogar gestärkt durch neue Wege und Möglichkeiten?

Adomeit: Beides. Die Kirche lebt von Beteiligung, von persönlicher Begegnung. Mit einer Video-Zuschaltung, mit Skype oder Social Media lässt sich vieles überbrücken, aber für Glaube, Schuld und Vergebung braucht man auch die persönliche Begegnung mit jeder Faser der menschlichen Kommunikation. Segnungen ohne Handauflegen; Taufen ohne, dass der Pastor oder die Pastorin das Wasser schöpfen konnte (die Eltern haben dies dann oft stellvertretend getan) – das musste zwar sein, es fehlt dann aber etwas. Aber dagegen stehen die positiven Erfahrungen. Früher war es bei vielen Abläufen in der Kirche oft so, dass Bedenkenträger meinten: „Das geht nicht, einfach weil es neu war.“ Inzwischen gibt es diesen Satz nicht mehr, da so viele Dinge plötzlich möglich wurden, die vorher noch undenkbar schienen. Ehrenamtliche, Kirchenleitungen und Pastorinnen und Pastoren erwiesen sich auf einmal als sehr beweglich. Das fängt beim Streamen von Gottesdiensten an, gestaltet von Jugendgruppen, und geht bis zur Länge von Wortbeiträgen der Pastoren. Wenn der Hinweis kam, dass sich niemand eine Predigt von 15 Minuten im Netz anhört, dann sind viele Predigten jetzt maximal zehn Minuten lang. Das kann auch so bleiben – und zwar nicht nur in digitalen Gottesdiensten. Wir haben viele neue Formate geschaffen, neue Töne gewählt. Und das nicht nur im Bereich Social Media, sondern auch analog. Das hat die Krise bewirkt.



Rundblick: Immer wieder wird darüber gesprochen, dass die evangelische Kirche in Niedersachsen doch schlagkräftiger sein könnte, wenn die Kirchengrenzen – die Landeskirchen in Hannover, Braunschweig, Schaumburg-Lippe, die Kirche in Oldenburg und die evangelisch-reformierte Kirche – aufgehoben würden und alle sich vereinigen könnten. Wie stehen Sie dazu?

Adomeit: Ich bin gegen Denk- und Sprechverbote. Wenn ich in sieben Jahren gefragt würde, ob man die bisherigen Grenzen nicht doch reformieren sollte, obwohl es bisher gut funktioniert hätte, dann haben wir vieles richtig gemacht. Was ich damit sagen will: Die regionale Identität bedeutet für viele Menschen sehr viel, sie bringt die Menschen zusammen. Bevor ein Wilhelmshavener sagt, dass er Niedersachse ist, wird er sich vorher immer erst als Oldenburger bezeichnen. Da schwingt das Gefühl mit, dass man in Oldenburg eher als in Hannover beurteilen kann, welche Bedürfnisse und Sichtweisen in einer Gemeinde vorherrschen. Das ist übrigens etwas, was ich nicht nur in der Kirche beobachte. Aber ich will betonen, dass ich für Reformvorschläge absolut offen bin. Im Übrigen kann man auch ohne Fusionen die Zusammenarbeit der Verwaltungen der Kirchen verstärken, Prozesse vereinfachen und Aufgaben auf verschiedene Schultern verlagern.

Bischof Thomas Adomeit zeigt sich offen für Reformvorschläge der Kirchen-Konföderation | Foto: Link

Rundblick: Wie läuft es mit der Ökumene in Niedersachsen eigentlich?

Adomeit: Die Zusammenarbeit zwischen den evangelischen Kirchen und den katholischen Bistümern in Niedersachsen ist vorbildlich – das zeigt sich etwa in der Haltung zum assistierten Suizid oder bei unserem Vorschlag für den gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht.


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Rundblick: Beim Religionsunterricht stehen aber noch Gespräche aus…

Adomeit: So ist es. Wir als evangelische und katholische Kirchen haben ein Konzept entwickelt, wie zukünftig der Religionsunterricht gemeinsam evangelisch und katholisch verantwortet in Niedersachsen als Christlicher Religionsunterricht gestaltet werden kann. Dieses Konzept wird gerade in einem breiten Beratungsprozess mit Religionslehrkräften, Personen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Lehrenden an den Hochschulen intensiv diskutiert. Wir hoffen, bis zum Jahresende, auch bedingt durch die Corona-Krise, zu einer Entscheidung zu kommen, ob wir Verhandlungen darüber mit dem Ministerium beginnen, denn der Religionsunterricht ist gemeinsame Angelegenheit von Land und Kirchen.