SPD-Politiker Watermann verteidigt die Bezahlkarte und wettert gegen Tauschbörsen
Die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber in Niedersachsen hat für großen Unmut bei Migrantenorganisationen gesorgt. Der SPD-Innenpolitiker Uli Watermann, Vorsitzender der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe im Landtag, hat sich auf ein schwieriges Terrain gewagt und in einer Podiumsdiskussion des Flüchtlingsrates Niedersachsen dazu Rede und Antwort gestanden. „Wir sollten das positiv wandeln“, warb er: Jetzt müssen Geflüchtete nicht mehr stundenlang beim Amt anstehen, um Geld zu bekommen. In der Frist von zwei Jahren, die für die Bezahlkarte beschlossen ist, könne man sehen, wo Diskriminierung entsteht, und gezielt nachbessern. Seinerseits griff Watermann den Flüchtlingsrat für seine Initiative an, Tauschbörsen einzurichten. Dabei kaufen Flüchtlinge mit der Karte Gutscheine von Einzelhandelsketten, Unterstützer kaufen ihnen diese Gutscheine mit Bargeld ab. Auf diese Weise können Geflüchtete an mehr Bargeld gelangen als die fünfzig Euro, die sie mit der Karte abheben dürfen. „Wenn Sie mir diesen Quatsch ersparen würden, hätte ich mehr Zeit, mich um die Leute zu kümmern“, brauste der Abgeordnete aus Hameln-Bad Pyrmont auf. Er stimmte den Kritikern zu, dass es „Quatsch“ sei zu glauben, Flüchtlinge hätten das Ziel, bedeutende Summen von ihren Sozialleistungen ins Ausland zu schicken. „Aber wenn diese Annahme Quatsch ist, dann braucht man auch keine Tauschbörsen.“ Wenn jemand in Not sei und dringend Geld benötige, haben er und andere Helfer immer eine diskrete Lösung gefunden, erklärte Watermann. „Aber man geht nicht zu den Medien und rennt nicht mit einem Transparent durch die Stadt.“

Djenabou Diallo-Hartmann, Grünen-Abgeordnete aus Garbsen, bemühte sich, Geschlossenheit in der Koalition zu signalisieren. „Wir hätten uns eine diskriminierungsfreie Bezahlkarte gewünscht“, sagte sie. „Hier haben wir einen großen Dissens mit der SPD, aber sonst arbeiten wir gut zusammen.“ Im Publikum dagegen gab es harsche Reaktionen. Ein Teilnehmer nannte es „verlogen“, die Bezahlkarte als Service hinzustellen. Das wiederum fand Watermann unverschämt und fragte: „Wo unterscheidet Sie das von anderen Populisten?“ Kai Weber, der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, stellte klar: „Es gibt in anderen Bundesländern einen immensen Run auf die Tauschbörsen.“ Er kritisierte, dass die Politik mit der Bezahlkarte sehenden Auges Verfassungsrecht breche mit dem Ziel, Migranten abzuschrecken. Offen sagten Politiker ihm, dass zum gleichen Zweck auch die maximal erlaubte Verweildauer in Flüchtlingslagern ausgereizt werde. „Das ist eine Politik wie in Bayern, das ist keine Integrationspolitik“, kritisierte Weber.
Die Diskussionsrunde zog eine Bilanz der Flüchtlingspolitik nach gut zwei Jahren Rot-Grün in Niedersachsen. Diallo-Hartmann verwies auf die vom Land finanzierten Sprachkurse, von denen Migranten unabhängig von ihrer Bleibeperspektive profitieren, und die Förderung der Sprachkindergärten mit 24 Millionen Euro. Demgegenüber kritisierte Peyman Javaher-Haghighi vom hannoverschen Verein kargah e.V., dass das Antidiskriminierungsgesetz, das Partizipationsgesetz und die Gesundheitskarte für Asylbewerber weiterhin auf sich warten ließen. „Ein Koalitionsvertrag ist nur dann interessant, wenn der gesellschaftliche Rahmen dafür da ist, ihn umzusetzen“, konterte Watermann. Die Wähler hätten kein Verständnis für die Klagen von Flüchtlingen, wenn sie selbst von den gleichen Sorgen belastet sind: Frauen aus dem Frauenhaus finden keine Wohnung, auf den Dörfern fahren ebenso wenig Busse wie vor den Flüchtlingsunterkünften und an Bargeld komme man dort auch nicht mehr. Ein Antidiskriminierungsgesetz würde zusätzlichen Bürokratieaufwand bedeuten, wo man doch Bürokratie abbauen wolle. „Ja, es gibt eine Diskursverschiebung“, verpflichtete ihm die Migrationsforscherin Danielle Kasparick von der Universität Hildesheim bei. „Aber die Forschung zeigt auch: Narrative beeinflussen die Realität.“ Wenn permanent von gesellschaftlicher Spaltung gesprochen werde, sei das eine selbsterfüllende Prophezeiung. „Es gibt auch unglaublich viele Akteure, die den Zusammenhalt stärken wollen.“ Die Positionen in der Diskussion seien eigentlich sehr ähnlich. Nun komme es darauf an zusammenzuarbeiten.
Dieser Artikel erschien am 24.01.2025 in der Ausgabe #015.
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