Mit Empörung und Verärgerung hat der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), Bernhard Zentgraf, auf aktuelle Entwicklungen in niedersächsischen Städten hingewiesen. In Hannover werde derzeit – weitgehend intern und ohne Öffentlichkeit – über einen Vertrag mit Hannover 96 über die Nutzung des Niedersachsen-Stadions verhandelt. Der Entwurf wirft nach Ansicht des BdSt mehrere schwerwiegende Fragen auf. Merkwürdig sei überdies, dass die Auflagen des Profi-Fußballs dazu führen könnten, die Kommunalpolitik zu Mammut-Investitionen zu veranlassen.

Sprechen in der Landespressekonferenz über die Stadionvermietung in Niedersachsen (von links): Prof. Joachim Erdmann, Niklas Kleinwächter und Bernhard Zentgraf. | Foto: Wallbaum

In diesem Zusammenhang kommt Zentgraf auch auf die bisher veranschlagten 34 Millionen Euro zu sprechen, die von der Stadt Oldenburg für den Neubau eines Stadions ausgegeben werden sollen. „Die Tatsache, dass im alten Oldenburger Stadion die Flutlichtanlage fehlt und deshalb die Zulassung für Dritte-Liga-Spiele verloren gehen könnte, ist jetzt Grundlage für einen solchen Neubau. Da frage ich mich: Könnte man die Spiele nicht auf den Nachmittag verlegen, wenn man kein Flutlicht braucht?“ Problematisch seien überdies die Standards der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Diese werden von den Städten inzwischen unwidersprochen hingenommen. Das heißt, die Kommunen lassen sich von einer privaten Organisation vorschreiben, wie viele Duschen gebaut werden, wie die Rasenheizung auszusehen hat und wie die VIP-Lounge ausgestaltet wird. Die Städte unterwerfen sich den Vorgaben von Dritten – das ist nicht in Ordnung.“

Der BdSt hat jüngst die Überlegungen der Landeshauptstadt Hannover aufgespießt, einen neuen Vertrag mit der „Hannover 96 Arena GmbH“ zu schließen. Der Entwurf sieht vor, dass der Verein ab 2030 bis zum Jahr 2096 jährlich nur 27.000 Euro als Erbbau-Zins an die Stadt zahlen soll, das ist ein Wert von 26 Cent je Quadratmeter für das 10,5 Hektar große Gelände. Einnahmen aus der Verpachtung des Stadions an Konzerte würden der Arena-GmbH zufallen. Für die Unterhaltung müsste die Arena-GmbH aufkommen, für eine klimaneutrale Ausgestaltung auch – und bei Auslaufen des Erbbaurechtsvertrags hätte die Arena-GmbH keinen Entschädigungsanspruch.

Durchschnittlich etwa 30.000 Zuschauer zählt Hannover 96 bei seinen Heimspielen in der 2. Fußballbundesliga. | Foto: Hannover 96/Marc Theis

Zentgraf kritisiert, Basis dieser Vereinbarung seien Verträge mit Amateur-Sportvereinen. „Das ist hier aber unangemessen. Die 18 Vereine der zweiten Bundesliga haben einen jährlichen Umsatz von 868 Millionen Euro und geben 262 Millionen Euro für Spielergehälter aus. Hier spielen unstreitig wirtschaftliche Interessen eine zentrale Rolle“, sagt der BdSt-Präsident und äußert den Verdacht, die wohlhabende Arena-GmbH bekomme von der Stadt „ein Stadion zum Schnäppchen-Preis“. Dabei verbiete das Kommunalverfassungsgesetz den Städten, Eigentum unter Wert zu verkaufen oder zu vermieten.

Der BdSt hat auch den Juristen Prof. Joachim Erdmann, der früher in der Landesregierung tätig war und lange Erfahrungen im EU-Recht hat, um ein Gutachten gebeten. Prof. Erdmann appelliert an die Stadt Hannover, vor der Entscheidung im Rat im Juni einen unabhängigen Prüfer einzuschalten – und damit den Verdacht eines Verstoßes gegen das EU-Wettbewerbsrecht auszuräumen. Es gebe rund um Hannover 96 „ein Dickicht an gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen“. Als Vergleichsmaßstab zieht er den Fall des Vereins FC Chemnitz heran, bei dem für Profi-Fußball ein Mietzins von 2,5 Prozent des jährlichen Umsatzes angelegt worden sei. „Gemessen daran ist der in Hannover diskutierte Wert viel zu niedrig“, sagt Prof. Erdmann.



Ein EU-Beihilfeverfahren könne jedermann in Gang setzen, der sich über einen solchen Vertrag bei der EU beschweren würde. „Das wäre aber ein aufwendiges Verfahren. Ich setze eher auf die Einsicht der Stadt Hannover und hoffe auf eine Überprüfung.“ Zentgraf ergänzt, dass die Stadt bei Abschluss des Vertrages „die Investitionen in das Stadion über Jahrzehnte absichern“ würde. Während bei Schultoiletten und anderen öffentlichen Gebäuden jedes Jahr um Geld für Reparaturen und Erneuerungen in den Haushaltsverhandlungen gestritten werden müsse, werde das Stadion besonders behandelt.

Die hannoversche Wirtschaftsdezernentin Anja Ritschel widerspricht der Einschätzung des BdSt und erklärt, dass das EU-Beihilferecht nur berührt werde, wenn dadurch der Handel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beeinträchtigt werde. Das sei hier nicht der Fall, hier gebe es „allenfalls regionale oder lokale Auswirkungen auf den Markt“.