Die Vorstellung des diesjährigen „Schwarzbuchs“ über die öffentlichen Verschwendungen verband Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Niedersachsen-Bremen, mit Sparappellen an die künftige Landesregierung. So fordert er von SPD und Grünen, die Schuldenbremse ernst zu nehmen und einzuhalten. Diese sei durchaus flexibel und schaffe die Möglichkeit, auf Krisensituationen mit Notkrediten zu reagieren – allerdings verbunden mit einer Pflicht zur Tilgung. Von den Koalitionsfraktionen verlangt er, dabei „nicht zu tricksen“, indem beispielsweise neue Sondervermögen aufgemacht würden.

Zudem ruft er zu einer Revision der gesamten Staatstätigkeit auf. Die Regierung solle kritisch hinterfragen, welche Aufgaben die Landesverwaltung mit welchen Personalressourcen erfüllt und wo dabei noch eingespart werden könnte. Die Personalkosten beliefen sich auf 17 Milliarden Euro und würden damit 46 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen.

Bernhard Zentgraf stellt das „Schwarzbuch“ 2022 vor. | Foto: Kleinwächter

Einsparpotenzial sieht Zentgraf auch ganz konkret bei der politischen Führung. Zum einen sollte das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, das erst 2017 neu eingerichtet worden war, wieder aufgelöst werden. Eine Fusion kann sich der BdSt-Vorsitzende zum anderen auch bei den Ressorts Umwelt und Landwirtschaft vorstellen. In zahlreichen Bundesländern seien diese beiden Bereiche längst in einem Ministerium zusammengefasst, als Beispiele führte er Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hessen oder auch Sachsen an. Inhaltlich ließe sich dieser Schritt auch herleiten, meint Zentgraf, schließlich müssten diese beiden Ressorts derzeit ohnehin sehr konstruktiv zusammenarbeiten.


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In der übrigen Landesverwaltung solle die Landesregierung die Binnenorganisation straffen. Die alte Landesregierung habe 100 neue Stellen in den Ministerien geschaffen, zudem seien über die Jahre immer neue Abteilungen und Referate hinzugekommen. Einen weiteren Zuwachs kritisiert Zentgraf auch beim Parlament. Er regt an, dass der neue Landtag über eine Reform des Wahlrechts nachdenken sollte. Der drohende Zuwachs bei Überhang- und Ausgleichsmandaten könne so in Grenzen gehalten werden.



Zentgraf sagte, derart viele Krisen und Herausforderungen, die sich überlappten und bündelten, habe er so kompakt noch nie erlebt. Energieknappheit, Flüchtlingsbewegungen und Inflation träfen auf Klimawandel, Fachkräftemangel und Digitalisierungsdefizite. Gleichzeitig erinnerte der BdSt-Landeschef an die Ursprünge des „Schwarzbuchs“, das in diesem Jahr zum 50. Mal erscheint. 1973 habe der Verein die erste Sammlung dieser Art herausgegeben, um in der Ölkrise der Erzählung von der öffentlichen Armut entgegenzutreten. Die Botschaft des BdSt ist bis heute: Öffentliches Geld ist da, es wird nur zu häufig verschwenderisch ausgegeben. In diesem Jahr hat der Steuerzahlerbund wieder verschiedene Fälle ausgewählt, die als mahnende Beispiele für derartige Steuerverschwendung gelten sollen. Eine Auswahl:

Mit dem Taxi zur Grundschule:

In einem Neubaugebiet in Braunschweig werden seit drei Jahren Kinder morgens mit einem Taxi abgeholt, zur Schule gefahren und am Nachmittag wieder zurückgebracht. Der Grund dafür ist, dass die Polizei die noch nicht fertig ausgebauten Verkehrswege auf der Großbaustelle für nicht sicher hält. Eigentlich sollte der Weg für die Kleinen allein zu meistern sein, nicht aber unter diesen Umständen. Da die Stadt den sicheren Schulweg garantieren muss, zahlt sie für den Fahrservice. 40.000 Euro kostet das bislang den Steuerzahler. Das hätte die Kommune allerdings vermeiden können, indem sie vorab entsprechende Verträge mit dem privaten Bauunternehmen abgeschlossen hätte, meint der Steuerzahlerbund.


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Trainingszentrum der Polizei:

In Oldenburg hat das Land Niedersachsen für 11,77 Millionen Euro ein 30.000 Quadratmeter großes Areal inklusive Bürogebäude und Hallen gekauft. Dort sollte ein Trainingszentrum für die Polizei entstehen. Allerdings hat man nun festgestellt, dass die Hallen offenbar statisch nicht geeignet sind. Der Steuerzahlerbund meint, das hätte vorab besser geprüft werden müssen. Nun steht der Komplex seit vier Jahren leer.

Viel Geld für wenig Straßenausbau:

Obwohl Verwaltung und Bürgermeister davon abgeraten hatten, führte der Rat der Stadt Springe (Region Hannover) 2018 die wiederkehrende Straßenausbaubeiträge ein. Das Verfahren wurde dann, wie erwartet, beklagt. Inzwischen hat der Rat seine Entscheidung revidiert – allerdings seien bereits Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro entstanden, und die nur einmal eingezogenen Beiträge würden auch erstattet.